Italien altert: Giorgia Meloni prüft Rotstift welcher Renten

In Italien gehen immer noch viele Menschen vorzeitig in den Ruhestand, obwohl die Alterung der Gesellschaft jedes Jahr schwerer zu finanzieren ist. Nach jüngsten Daten des Nationalen Instituts für Sozialversicherung (INPS) sind in den vergangenen fünfeinhalb Jahren fast 1,5 Millionen Personen früher in Rente gegangen, als es das gesetzliche Rentenalter von 67 Jahren vorsieht. Verantwortlich sind dafür mehrere Rentenreformen, mit denen sich die Politiker bei den Wählern beliebt machen wollten – vor allem die berüchtigte „Quota 100“-Reform von Matteo Salvini, dem heutigen Verkehrsminister und Vizeministerpräsidenten.

Damit war ohne Abschläge der Renteneintritt mit 62 Jahren bei nur 38 Beitragsjahren möglich. Die Zahl der Frührentner war daher auch 2019, dem Jahr der Einführung, am höchsten. Rund 300.000 Italiener gingen damals in den vorzeitigen Ruhestand, rund ein Drittel der gesamten Rentner jenes Jahres. Mit fast 60 Prozent überwogen dabei die Beamten.

Seither ist das „Quota 100“-System schrittweise zurückgenommen worden, denn es belastet die angespannte Rentenkasse stark, doch noch immer gibt es viele Möglichkeiten der Frührente. Walter Recinella, ein Sozialversicherungsexperte des Beratungsinstituts Enasc, hat in einem Bericht gerade 45 Möglichkeiten für einen Ruhestand skizziert, darunter viele mit Beginn vor dem gesetzlichen Rentenalter. Das effektive durchschnittliche Renteneintrittsalter liegt heute bei rund 64 Jahren.

Italien kann sich das mit seiner alternden Gesellschaft nicht leisten

Viele Ökonomen sind sich einig, dass sich Italien sein Rentensystem eigentlich nicht leisten kann. Die Frauen bekommen immer weniger Kinder, und die Menschen leben immer länger. 7,6 Prozent der Bevölkerung sind älter als 80 Jahre – laut Eurostat der höchste Wert in der EU. Daher sind die Rentenausgaben mit einem guten Drittel der größte Posten der italienischen Staatsausgaben. Kein anderes Land in der EU gibt so viel Geld für seine öffentlichen Renten – rund 16 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Die Beiträge reichen zur Finanzierung bei Weitem nicht aus, sondern brauchen Zuschüsse aus dem Haushalt. Unter dem Druck des neuen europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, das Defizit in diesem Jahr von 7,2 auf 4,3 Prozent des BIP zu drücken. Ohne Einschnitte bei den Renten wird das nicht gehen, ist das Finanz- und Wirtschaftsministerium unter Führung von Minister Giancarlo Giorgetti überzeugt. Er ist allerdings auch ein führendes Mitglied der rechtspopulistischen Partei Lega, deren Vorsitzender Salvini immer wieder Reformen blockiert.

Ende 2011, auf einem der Höhepunkte der Eurokrise, hatte die Regierung von Ministerpräsident Mario Monti unter dem Druck der internationalen Finanzmärkte eine wegweisende Reform auf den Weg gebracht. Das Regelwerk, ausgearbeitet von der Rentenexpertin und damals zuständigen Ministerin Elsa Fornero, sah eine Erhöhung des Eintrittsalters und eine Umstellung von einem lohnabhängigen auf ein beitragsorientiertes System ab. Die Rentenberechnung hing damit von den Einzahlungen ab. Doch seither ist die Reform mehrfach aufgeweicht worden.

Das italienische Rentensystem ist dabei relativ großzügig. Die Nettoersatzrenten, also die Höhe der Bezüge verglichen mit dem letzten Einkommen, liegen laut OECD bei 82 Prozent. In Deutschland sind es bei Männern nur gut 55 Prozent, der Durchschnitt in der OECD beträgt gut 61 Prozent.

Eine Kürzung der Renten wäre politisch jedoch kaum durchzusetzen, weil die italienischen Einkommen und damit die Renten absolut gesehen relativ niedrig sind – trotz des regelmäßigen Inflationsausgleiches. Die Spitzen der drei Regierungsparteien wollen unter der Führung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Freitag über den Haushalt und Kürzungen der Rentenausgaben beraten.

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