Israelische Soldaten haben die Grenze zum nördlichen Nachbarn überschritten. Im Sommerkrieg 2006 wollte Israel im Süden des Libanon schon einmal die Hisbollah aus Stellungen vertreiben. Damals waren die Verluste beider Seiten hoch
Dieser Artikel ist für Sie kostenlos.
Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir
freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine
vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt
bei Ihnen!
Die ersten Berichte über eine grenzüberschreitende Operation kamen, nachdem der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant Gemeindevorstehern im Norden Israels mitgeteilt hatte, dass „die nächste Phase des Krieges gegen die Hisbollah bald beginnen wird“. Dazu sollten alle Ressourcen eingesetzt werden, über die man verfüge. Zugleich wurden Regierungsquellen zitiert, denen zufolge das Kabinett unter dem Vorsitz von Premierminister Benjamin Netanjahu die nächste Phase „der Kampagne gegen die Hisbollah“ genehmigt habe.
Das heißt nun, ab sofort Bodenoperationen gegen die Hisbollah im Süden zu beginnen. Davon betroffen ist eine Region entlang der Grenze nördlich von Kiryat Shmona, in die israelische Panzer- und Infanterie-Einheiten während des Krieges von 2006 schon einmal vorgedrungen waren. Parallel dazu gingen die Luftangriffe gegen Beirut und mindestens zehn Orten im Süden des Landes weiter.
Keine 24 Stunden ist es her, dass Premierminister Benjamin Netanjahu erklärt hat, wohl vor allem an den Iran gerichtet, man könne überall in der Region nach Belieben zuschlagen. „Es gibt keinen Ort im Nahen Osten, den Israel nicht erreichen kann.“ Damit sind im Libanon seit der vergangenen Nacht Städte wie Marjayoun, Wazzani und Khiam gemeint. Sie liegen in ineinander übergehenden Tälern und sind von steilen Berghängen umgeben. In Marjayoun heißt es, ein örtlicher Beamter habe einen Anruf erhalten, in dem die Bewohner aufgefordert wurden, die Stadt zu verlassen, doch habe der Beschuss zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen. „Sie riefen den Mukhtar von Marjayoun an und teilte mit, wir müssten uns sofort selbst evakuieren. Aber das war unmöglich, die Straßen lagen ständig unter Beschuss der Artillerie und aus der Luft“, erklärt verzweifelt ein Bewohner der Kleinstadt. Und er sollte recht bekommen. Eine Stunde später wird die Straße, die aus Marjayoun herausführt, von israelischen Bomben getroffen und unbrauchbar gemacht, berichtet die Nationale Nachrichtenagentur des Libanon.
Das Gebiet mit seinen verstreuten Dörfern und einer unwegsamen Buschlandschaft, in der sich Bunker und Kampftunnel verbergen, war lange Zeit ein Stützpunkt für Hisbollah-Kämpfer und während des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah im Juli und August 2006 heftig umkämpft.
Premier Netanjahu: Es gibt keinen Ort im Nahen Osten, den wir nicht erreichen können
US-Präsident Joe Biden beeilte sich, zu versichern, dass er in die Pläne Israels zu einer Bodenoperation im Libanon eingeweiht war. Biden wörtlich: „Ich bin mir dessen bewusster, als vielleicht angenommen wird. Und es wäre mir recht, würden sie damit aufhören“, äußerte er vor Reportern im Weißen Haus. „Wir sollten jetzt zu einem Waffenstillstand kommen.“
Die Hisbollah gibt sich in dieser Situation kampfentschlossen. Sie habe eine Gruppe israelischer Soldaten ins Visier genommen, die in eine Obstplantage in der Nähe der libanesischen Grenzstädte Odaisseh und Kafr Kila eingedrungen seien und „bestätigte Verluste erlitten“ hätten. Naim Qassem, amtierender Hisbollah-Führer und temporärer Nachfolger des getöteten Hassan Nasrallah, lässt sich so zitieren: Die Hisbollah werde weiterkämpfen, die in den vergangenen Tagen ums Leben gekommenen Kommandeure seien bereits ersetzt worden seien.
Das genannte Kafr Kila ist eine der Städte, die an jenes Gebiet grenzen, das Israel zu Wochenbeginn zur militärischen Sperrzone erklärt hat. Netanjahu und hochrangige Militärkommandeure in Israel scheinen entschlossen zu sein, die begonnene, landesweite Kampagne im Libanon fortzusetzen, um langjährige Feinde zu töten. Allerdings dürften die Ziele der Bodenoffensive weit darüber hinausgehen. Noch ist unklar, ob sie bis zum Litani-Fluss ausgedehnt wird oder sogar darüber hinaus. Ob sich damit erreichen lässt, dass etwa 60.000 Israelis, die ihre Heimatorte im Norden verlassen mussten, in ihrer Häuser zurückkehren und in Sicherheit leben können, wird sich zeigen.