Israelisches Kriegskabinett: Netanjahu und die „namentlich nicht genannten Offiziellen“

Angenommen, Benjamin
Netanjahus Version der Geschichte würde stimmen. Dann hätte Israels Armee am
Wochenende eigenmächtig entschieden, die Kampfhandlungen im südlichen
Gazastreifen tagsüber zu pausieren
, um Hilfslieferungen zu ermöglichen.

Am Sonntag dann erklärten
namentlich nicht genannte Offizielle aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten:
Die Regierung habe die Pause nie genehmigt, und Netanjahu halte sie für
„inakzeptabel“. Das wiederum wies das Militär eilig zurück: Die Entscheidung
sei „in Übereinstimmung mit der Politik“ getroffen worden, erklärte ein
Sprecher. Aber wenn die Armee recht hat und Netanjahu
einbezogen war: warum dann die Verwirrung?

Ein Beamter, der Netanjahu selbst sein könnte

Es ist nicht das erste
Mal, dass Netanjahu mit widersprüchlichen Aussagen die Öffentlichkeit verwirrt.
Als Joe Biden vor wenigen Wochen den jüngsten Plan für eine Waffenruhe
vorstellte, erklärte der US-Präsident: Dieser Plan sei von Israel mitbeschlossen
worden. Der Vorschlag gefährde Israels Kriegsziele nicht, hieß es bestätigend
dazu aus dem Büro des israelischen Ministerpräsidenten. Netanjahu selbst
allerdings behauptete einen Tag später genau das Gegenteil und stellte damit
Biden unter den Verdacht, die USA würden über Israels Kopf hinweg entscheiden.

Der Grenzübergang Kerem Schalom: Hier sollten während einer Pause der Kampfhandlungen mehr Hilfsgüter durchkommen.

Dasselbe Schicksal
scheint nun Israels Armee zu widerfahren. Parallelen gibt es zumindest, und
israelische Journalistinnen und Journalisten äußern vermehrt die Vermutung, Netanjahu
irritiere gezielt, indem er eigene Aussagen als von „namentlich nicht genannten
Offiziellen“ oder „diplomatischen Beamten“ lanciere.

Die vermeintliche Täuschung wird durchschaut

Anfang Mai etwa gefährdete
ein solcher „diplomatischer Beamte“ die laufenden Waffenruheverhandlungen in
Kairo, als er mitteilte: „Israels Armee wird in Rafah einmarschieren und die
dort verbliebenen Hamas-Bataillone zerstören, unabhängig davon, ob es einen
vorübergehenden Waffenstillstand für die Freilassung der Geiseln gibt oder
nicht.“ Yaron Avraham, Moderator des Fernsehsenders
Kanal 12, weigerte sich während der Abendnachrichten: Er werde „dieses Spiel
nicht mitmachen“ und erklärte, Netanjahu sei besagter Beamte, der die
Erklärungen abgegeben habe. 

Auch Amos Harel,
Militäranalyst bei der Zeitung Ha’aretz, nannte in einem Artikel zu dem Fall
Netanjahu als Quelle der Äußerungen des „diplomatischen Beamten“. Angesichts
der aktuellen Vorwürfe gegen Israels Armee sagte Harel in einem Interview: „Das
ist der klassische Bibi, er hat für jede Gelegenheit eine Maske. Für die
Amerikaner muss er zeigen, dass er mehr tut, um Hilfe zu bekommen. Für das
israelische Publikum kann er sagen ‚Ich wusste es nicht‘.“

Netanjahu muss zwei Lager befriedigen

Wie israelische Medien berichten, wird die
Armee Netanjahu sehr wohl über die geplanten Kampfpausen informiert haben. Das passt
zu der Einschätzung israelischer Experten, laut der Netanjahu den Gazakrieg eigentlich
beenden will. „Bis vor einigen Wochen neigte Netanjahu dazu, den Status quo in
Gaza beizubehalten, denn je länger der Krieg dauert, desto schwieriger ist es
für seine politischen Gegner, vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen“, schrieb etwa
der Ha’aretz-Netanjahu-Experte Anshel Pfeffer kürzlich. „Aber sein Kalkül hat
sich geändert.“

Demnach habe der Haftantrag von Karim Khan,
Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof, Netanjahu zum Umdenken
gebracht. Khan wirft Netanjahu und seinem Verteidigungsminister
Kriegsverbrechen vor. Zwar sind sich Völkerrechtsexpertinnen und -experten
uneins über die Frage, ob Khan seinen Vorwurf wird beweisen können. Doch Netanjahu muss in jedem Fall einen Prozess fürchten, egal, was er macht.
Entweder muss er wegen des Krieges mit einem Verfahren in Den Haag rechnen, oder er beendet den Gazakrieg – dann drohen seine rechtsextremen
Koalitionspartner, die Regierung platzen zu lassen und Netanjahu könnte im
laufenden Prozess gegen ihn, unter anderem wegen Korruption, zur Verantwortung
gezogen werden.

Angenommen, Benjamin
Netanjahus Version der Geschichte würde stimmen. Dann hätte Israels Armee am
Wochenende eigenmächtig entschieden, die Kampfhandlungen im südlichen
Gazastreifen tagsüber zu pausieren
, um Hilfslieferungen zu ermöglichen.

Am Sonntag dann erklärten
namentlich nicht genannte Offizielle aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten:
Die Regierung habe die Pause nie genehmigt, und Netanjahu halte sie für
„inakzeptabel“. Das wiederum wies das Militär eilig zurück: Die Entscheidung
sei „in Übereinstimmung mit der Politik“ getroffen worden, erklärte ein
Sprecher. Aber wenn die Armee recht hat und Netanjahu
einbezogen war: warum dann die Verwirrung?

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