Dieser neue politische Skandal aus Israel hat Lehrbuchcharakter. Geheime Dokumente über den Krieg in Gaza sollen aus dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an internationale Medien durchgestochen worden sein, darunter an die Bild. Die Zeitungen hatten über vertrauliche Militärunterlagen berichtet, in denen es
um die von der islamistischen Terrororganisation Hamas im Gazastreifen festgehaltenen
Geiseln und die Bemühungen um deren Freilassung ging.
Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet und die Armee hatten wegen des Geheimnisverrates im September Ermittlungen aufgenommen. Bislang waren wenige Details zu dem heiklen Fall bekannt, denn es herrschte eine Nachrichtensperre. Aber am Sonntagabend hob das zuständige Gericht in Rishon LeZion diese Sperre
teilweise auf − und ermöglichte damit einen Einblick, wie defekt
Israels politisches System unter Netanjahu wirklich ist.
Das Gericht veröffentlichte nun auch den Namen des Hauptverdächtigen: Eli Feldstein, nach israelischen Medienberichten
ein ehemaliger Pressesprecher und Berater Netanjahus. Welche
Rolle der Verdächtige wirklich spielt, ist bisher unklar. Das Büro
Netanjahus hat sich nach Bekanntwerden der Identität Feldsteins nichts geäußert
und zuvor bestritten, dass überhaupt jemand aus Netanjahus Umfeld verhaftet
worden sei. Dennoch richten sich nun Vorwürfe gegen Netanjahu, dass er selbst für die Indiskretionen verantwortlich sein könnte.
Vorwürfe gegen Netanjahu mehren sich
Der Skandal begann im September. Damals hatte
der britische Jewish Chronicle und die Bild-Zeitung über ein „geheimes Kriegspapier“ berichtet, laut dem der mittlerweile getötete
Hamas-Chef Jahia Sinwar israelische Geiseln aus Gaza nach Ägypten habe
schmuggeln wollen. Die Berichte nährten die Angst der Geiselfamilien, ihre Angehörigen zu
verlieren. Öffentlich wurden sie zu einem Zeitpunkt, zu dem Netanjahu
wiederholt erklärte, Israels Armee müsse die Kontrolle über die Grenze zwischen
Gaza und Ägypten, den sogenannten Philadelphi-Korridor, behalten. Israelische
Analysten hegten damals bereits Misstrauen: War es Zufall, dass die Leaks
zusammenfielen mit Netanjahus politischer Forderung nach der Kontrolle des
Korridors?
Um die Kommunikationstaktik Netanjahus zu
verstehen, braucht es einen weiteren Rückblick: Im Juni hatte Netanjahu der Armee
vorgeworfen, eigenmächtig eine Pause der Kampfhandlungen im südlichen
Gazastreifen veranlasst zu haben. Das wiederum wies das Militär umgehend zurück:
Die Entscheidung sei „in Übereinstimmung mit der Politik“ getroffen
worden, erklärte ein Sprecher. Netanjahu habe für
jede Gelegenheit eine Maske, sagte Amos Harel, Militäranalyst der Zeitung Ha’aretz dazu in einem Interview. Für die Amerikaner müsse er zeigen, dass er mehr
tue, um Hilfe zu bekommen. Für das israelische Publikum könne er sagen, er habe nichts gewusst.
Israelische Berichterstattende haben
Erfahrung mit vernebelnden Aussagen aus dem Umfeld von Netanjahu. Und seit
Kriegsbeginn wächst der Widerstand dagegen: Im Mai etwa weigerte sich Yaron
Avraham, Moderator des Fernsehsenders Kanal 12, Informationen eines „namentlich
nicht genannten Beamten“ ohne kritische Einordnung weiterzugeben. Damals hatte
ein solcher Beamter erklärt: „Israels Armee wird in Rafah einmarschieren
und die dort verbliebenen Hamas-Bataillone zerstören, unabhängig davon, ob es
einen vorübergehenden Waffenstillstand für die Freilassung der Geiseln gibt
oder nicht.“ Die Aussage fiel zusammen mit einer Verhandlungsrunde in Kairo
über ein Abkommen zwischen Hamas und Israel. Er werde „dieses Spiel nicht
mitmachen“, sagte Avraham dazu und erklärte, Netanjahu selbst sei besagter
Beamte, der die Erklärungen abgegeben habe.
Dieser neue politische Skandal aus Israel hat Lehrbuchcharakter. Geheime Dokumente über den Krieg in Gaza sollen aus dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an internationale Medien durchgestochen worden sein, darunter an die Bild. Die Zeitungen hatten über vertrauliche Militärunterlagen berichtet, in denen es
um die von der islamistischen Terrororganisation Hamas im Gazastreifen festgehaltenen
Geiseln und die Bemühungen um deren Freilassung ging.
Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet und die Armee hatten wegen des Geheimnisverrates im September Ermittlungen aufgenommen. Bislang waren wenige Details zu dem heiklen Fall bekannt, denn es herrschte eine Nachrichtensperre. Aber am Sonntagabend hob das zuständige Gericht in Rishon LeZion diese Sperre
teilweise auf − und ermöglichte damit einen Einblick, wie defekt
Israels politisches System unter Netanjahu wirklich ist.