Fast ein Viertel aller iranischen Abgeordneten hat die Staatsführung dazu aufgerufen, Atombomben herzustellen. Das berichten iranische Medien unter Verweis auf einen Brief an den Nationalen Sicherheitsrat, der von 71 der 290 iranischen Abgeordneten unterzeichnet worden ist. Die Forderung begründen sie in dem Schreiben mit einer veränderten Sicherheitslage in der Region.
Der Iran leugnet, sein Atomprogramm auch zu militärischen Zwecken einzusetzen. Aus religiösen Gründen sei das Streben nach Atomwaffen in dem Land nicht möglich. So verweist die iranische Regierung auf eine Fatwa, ein religiöses Rechtsgutachten, des obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei. Offiziellen Darstellungen zufolge verbietet es sowohl den Bau als auch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen.
Die Abgeordneten argumentieren in ihrem Brief, Atomwaffen zu Abschreckungszwecken verstießen nicht gegen die Fatwa. Das begründen sie damit, dass Israel „an den Rand des Wahnsinns geraten“ sei und „ohne jede Beachtung internationaler Verpflichtungen“ angreife. Damit beziehen sie sich auf den zwölftägigen Krieg, den Israel mit Unterstützung der USA im Juni gegen den Iran geführt hatte. Dabei wurden insbesondere Einrichtungen des iranischen Atomprogramms angegriffen.
Iranisches Parlament bereitet Austritt aus Atomwaffensperrvertrag vor
Der Iran ist Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrags, in dem sich Länder, die keine Atomwaffen besitzen, verpflichtet haben, sie weder selbst herzustellen noch anderweitig zu erwerben. Anfang September hatten bereits 60 Abgeordnete einen raschen Austritt des Landes aus dem Vertrag gefordert. Iranischen Medienberichten zufolge plant das Parlament bereits einen Gesetzentwurf, der das ermöglichen soll. Die Entscheidung darüber würde aber beim Sicherheitsrat und Ajatollah Chamenei liegen.
Mit dem Vorstoß hatten die Abgeordneten auf die mögliche Wiedereinführung alter UN-Sanktionen gegen den Iran reagiert, welche die sogenannten E3-Staaten – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – in die Wege geleitet hatten. Sie nutzten dafür den sogenannten Snapback-Mechanismus im Atomdeal von 2015. Damals hatte der Iran unter Vermittlung der E3, der USA und Russlands einer Einschränkung seines Atomprogramms im Gegenzug für den Entfall von UN-Sanktionen zugestimmt.
Der Snapback-Mechanismus sieht vor, dass die Sanktionen binnen 30 Tagen, derzeit also bis Anfang Oktober, vom UN-Sicherheitsrat wiedereingeführt werden können. Anlass der Entscheidung sind gescheiterte Gespräche, bei denen der Iran keine ausreichenden Zugeständnisse gemacht hatte – sowie Zeitdruck: Die Gültigkeit des Mechanismus wäre Ende Oktober ausgelaufen. Im UN-Sicherheitsrat dürfte zwar Russland die Wiedereinführung der Sanktionen verhindern, allerdings treten dann automatisch ältere Sanktionen in Kraft, die nicht eigens in dem UN-Gremium beschlossen werden müssen.
Iran droht mit Ende der Kooperation mit der IAEA
Der Iran betrachtet die Wiedereinführung der Sanktionen als illegitim. Die USA waren in der ersten Amtszeit von Donald Trump einseitig aus dem Atomabkommen ausgestiegen. Faktisch werden die Vereinbarungen ohnehin seit Jahren nicht mehr umgesetzt, etwa durch die Anreicherung von Uran in iranischen Atomanlagen auf einem Niveau, das den Bau von Atomwaffen ermöglicht. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bezweifelt, dass der Iran mit seinem Atomprogramm, wie von der Regierung in Teheran beteuert wird, nur friedliche Absichten verfolgt.
Sollten die Sanktionen wieder eingeführt werden, droht der Iran damit, seine Zusammenarbeit mit der IAEA zu beenden. Vor wenigen Wochen hatte sich der Iran noch mit der IAEA auf einen neuen Rahmen dafür geeinigt. Dadurch sollen unter anderem die unabhängigen Inspektionen der iranischen Atomanlagen, die der Iran im Juni ausgesetzt hatte, wieder möglich werden. Ein Ende der Zusammenarbeit mit der IAEA würde bedeuten, dass die Prüfungen weiter ausgesetzt bleiben.
Nach Einschätzung von IAEA-Chef
Rafael Grossi sind die diplomatischen Bemühungen im Atomstreit mit dem Iran in einer entscheidenden Phase. „Es ist offensichtlich ein
schwieriger Scheideweg“, sagte der Chef der IAEA. Der Dialog werde aber fortgesetzt. Für Montag seien Gespräche zwischen dem Iran, Deutschland,
Großbritannien und Frankreich in New York geplant, sagte Grossi weiter. Er schloss auch weitere Treffen im Laufe
der Woche nicht aus.