In der Fabrik im schwedischen Städtchen Skellefteå sind die Probleme längst angekommen. Hier, rund 200 Kilometer unter dem Nordpolarkreis, wollte das Start-up Northvolt als erster europäischer Hersteller eine Großfabrik für Batteriezellen bauen. Tausende Beschäftigte aus aller Welt wurden angeworben, bangen jetzt aber um ihre Stellen, weil Northvolt die Technik nicht richtig in den Griff bekommt.
400 Mitarbeiter haben den Standort mit zuletzt rund 3500 Beschäftigten schon verlassen. Hunderte weitere sollen folgen, Teil eines Rettungsplans, mit dem Unternehmensgründer Peter Carlsson die Kosten senken und Northvolt auf einen zukunftsfähigen Kern zurückstutzen will. Quer über alle globalen Standorte sollen etwa 1600 der zuletzt rund 7000 Mitarbeiter gehen.
Das Unternehmen mit Hauptsitz in Stockholm gilt als Hoffnungsträger im Markt für neue, grüne Technologien. Es will die EU in der Schlüsseltechnologie der Batteriezellen für Elektroautos unabhängiger von dominanten Anbietern aus China wie CATL oder BYD machen.
Carlsson hatte seit der Gründung vor acht Jahren rund 13 Milliarden Euro von Investoren eingesammelt. Unter Hochdruck versucht er nun, weitere Mittel einzuwerben und eine akute Liquiditätskrise zu beenden. Die Gespräche befänden sich jetzt in der „finalen Phase“, berichten Beteiligte. Die US-Investmentbank Goldman Sachs , mit rund 20 Prozent am Start-up beteiligt, erwägt der Nachrichtenagentur „Bloomberg“ zufolge ein weiteres Engagement. Auch der Volkswagen -Konzern, größter Anteilseigner von Northvolt und gleichzeitig Großabnehmer, ist in die Gespräche involviert. Möglicherweise wird die VW-Lastwagentochtergesellschaft Scania mit weiteren Aufträgen Northvolt unterstützen, wie aus der Branche zu hören ist. Offiziell erklärte Scania am Donnerstag, man sei „in engem Dialog mit Northvolt“ und wolle sich nicht zu Spekulationen äußern.
Auch der private schwedische Pensionsfonds AMF und der staatliche AP-Fonds könnten Kapital beisteuern. Northvolt-Mitgründer Harald Mix könnte ebenfalls investieren, hieß es am Donnerstag. Allerdings geht es in seinem Fall eher um die symbolische Summe von 100 Millionen Kronen, umgerechnet etwa neun Millionen Euro. Die niederländische Investmentgruppe EIT Inno-Energy, mit kleinem Anteil an Northvolt beteiligt, äußerte sich am Donnerstag offiziell: Man werde das Unternehmen weiter “unterstützen“, sagte Vorstandschef Diego Pavía auf einer Konferenz in Barcelona.
Auch andere Projekte kippen
Die Probleme fallen in eine heikle Zeit, denn nicht nur Northvolt kämpft mit Schwierigkeiten. Die E-Mobilität entwickelt sich in Europa nicht wie erhofft. Mehrer Projekte für Zellfabriken wurden gestoppt, etwa der Bau eines Standorts von Mercedes und Stellantis in Kaiserslautern. Gleichzeitig bauen die Chinesen ihre Dominanz weiter aus und könnten schon nächstes Jahr die ganze Welt achtmal mit Zellen versorgen, wie die Agentur Bloomberg berechnet hat.
Auch die Autohersteller kämpfen mit Problemen, allen voran der VW-Konzern, der die Kosten senken will und mit Werksschließungen in Deutschland droht. Die Politik ist alarmiert und will helfen. So hat die Ampel-Koalition in Berlin schon neue Steueranreize für E-Autos beschlossen, und die SPD hat gerade bekräftigt, weitere Förderung für private Autokäufer auf den Weg bringen zu wollen.
Im Falle Northvolts könnten Geldgeber und Kunden innerhalb der nächsten zwei Wochen die Gespräche über ein Paket abschließen, das dem Unternehmen Luft verschafft, schätzen Beteiligte. Sicher ist das aber noch nicht, auch weil eine Vielzahl von Partnern involviert ist, darunter eine Gruppe von Großbanken und die Europäische Investitionsbank EIB. Northvolts Ziele für die aktuelle Finanzierungsrunde sind längst zusammengeschrumpft, ganz offensichtlich ein Zeichen, dass die Partner allenfalls vorsichtig und in kleinen Schritten weitere Mittel bereitstellen wollen. Eine gute Milliarde Euro wollte Unternehmenschef Carlsson noch vor einigen Monaten einsammeln, jetzt soll es noch um etwa 200 Millionen Euro gehen. In der Branche gilt als sicher, dass dies nur eine Zwischenstufe sein kann, um endlich die Fabrik in Skellefteå ans Laufen zu bringen.
Zuvor war immer klarer geworden, dass der Hochlauf im ersten großen Werk länger dauert und teurer wird als gedacht. Eigentlich wollte Northvolt dort schon vergangenes Jahr Batteriezellen mit einer Leistung von 16 Gigawattstunden (GWh) herstellen, genug für mehr als 250.000 E-Autos. Doch die Ingenieure haben die Komplexität des Maschinenparks und der Zellchemie unterschätzt. Dieses Jahr wird das Werk wohl weniger als eine GWh schaffen.
Den nächsten Schritt, den Ausbau um weitere 30 GWh, hat das Management abgesagt. Die für den Ausbau zuständige Tochtergesellschaft Northvolt Ett Expansion AB meldete kurz darauf Insolvenz an. In Schweden sorgte dies für Aufregung, obwohl Northvolt betonte, die Gesellschaft sei nur eines von etwa 20 Tochterunternehmen und ihre Insolvenz habe keine Auswirkungen auf die Gruppe als Ganzes.
Andere Standorte beobachten die Entwicklung genau, etwa Heide in Schleswig-Holstein. Dort rollen schon die Bagger über ein 110 Hektar großes Areal, auf dem die nächste Zellfabrik entstehen soll. Deutschlandchef Christofer Haux betont seit Wochen, man stehe zu den hiesigen Plänen. „Wir brauchen die Fabrik in Heide, sie ist ein Grundpfeiler unserer Expansion“. Gleichzeitig macht er deutlich, dass das Unternehmen seine Zeitpläne überprüft und das Ergebnis noch aussteht.
In Kanada, wo die Schweden ebenfalls eine Fabrik planen, ist längst klar: Der für das dritte Quartal 2026 geplante Produktionsstart wird sich um mindestens ein Jahr verzögern. Kanada fördert den Bau mit milliardenschweren Zuschüssen. In Deutschland stellen Bund und Land etwa 900 Millionen Euro bereit. Schweden hingegen hat sich bislang mit direkten Beihilfen zurückgehalten und will bei dieser Linie bleiben.