Interview mit Computop-CCO Henning Brandt: „Wero kann den Online-Händlern das Geschäft retten“

Henning Brandt sitzt als Chief Communication Officer im Executive Board von Computop: Er befürchtet, dass „die amerikanischen Payment-Anbieter womöglich zu Opfern der US-Politik werden können, um deren Forderungen durchzusetzen“.

Das europäische Bezahlsystem Wero steigt kommende Woche in den deutschen E-Commerce ein. Somit können die 44,5 Millionen registrierten Nutzer ihre Online-Einkäufe über die Pay Pal-Alternative bezahlen.

Bei der Implementierung der Lösung sind die Online-Händler auf die Hilfe von Payment Service Provider wie Computop angewiesen. Dessen CCO und Executive Board-Mitglied Henning Brandt erklärt im TW-Interview, warum die Händler Wero nutzen sollten, unter welchen Voraussetzungen E-Payment-Insellösungen sinnvoll sind, wann Mobile Payment endlich den Durchbruch schafft und warum die Bezahlung per Fingerabdruck oder Gesichtserkennung in Europa nicht so schnell kommt.

TextilWirtschaft: Nach Yapital, Giropay und Paydirekt ist jetzt auch Wero mit dem hohen Anspruch gestartet, dem ewigen E-Payment-Marktführer Pay Pal ernsthaft Konkurrenz zu machen. Wie schätzen Sie die Erfolgschancen des Bankenprojekts ein?
Henning Brandt: Es ist sicherlich ein großer Schritt von der Konto-zu-Konto-Zahlung bis zum voll ausgebauten Online-Wallet. Man sollte bei der Bewertung dieser neuen Zahlart die große Perspektive nicht aus dem Auge lassen. Schließlich setzt Wero die europäische Souveränität in Gang. Das ist in diesen erratischen Zeiten sehr wichtig.
Dieses Argument wird aus meiner Sicht häufig zu wenig beachtet. Die amerikanischen Anbieter könnten eines Tages zu Opfern der US-Politik werden, um deren Forderungen durchzusetzen. Ich würde mir daher wünschen, dass die Händler diese Gefahr ernster nehmen als bisher. Wenn es hart auf hart kommt, kann ihnen Wero das Geschäft retten.

Wie beurteilen Sie die E-Payment-Lösung Click to Pay von Mastercard? Können Sie uns von den Erfahrungen Ihrer Händler erzählen?
Click-to-Pay ist die Antwort der großen Kreditkarten-Gesellschaften auf die zunehmende Beliebtheit von Wallets und die Notwendigkeit, von der mühsamen Eingabe der Kartendaten im Online-Shop abzukommen. Es ist übrigens ein offener Standard, sodass auch die Karten von Visa und American Express integriert werden können.

Wir haben Pilotanwendungen unterstützt, zum Beispiel mit Media Markt. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die Zahlungsgeschwindigkeit deutlich verkürzt. Das gilt vor allem ab dem zweiten Einkauf, da das verwendete Gerät erkannt wird und ein One-Click-Checkout möglich ist. Somit stellt Click to Pay für die Online-Kartenzahlung einen echten Mehrwert dar.

E-Commerce-Größen wie Otto und The Platform Group verfügen über eigene Bezahlmethoden? Sind derartige Insellösungen sinnvoll?
Hinter markeneigenen Zahlungsangeboten stecken in der Regel White Label-Produkte etablierter Zahlarten. Das ist auch sinnvoll, weil die Entwicklung und Unterhaltung einer eigenen Zahlart so aufwändig ist, dass es sich für die wenigsten Handelsunternehmen lohnt. Selbst Amazon Pay tritt zwar als Zahlungsmethode auf, nutzt jedoch im Hintergrund die bekannten Kartenmarken oder Standardverfahren wie Lastschrift und Rechnungskauf.

Otto.de gehört zu den E-Commerce-Größen, die eine eigene Bezahllösungen in ihrem Shop anbieten.

Laut der aktuellen EHI-Studie werden rund 6% der Käufe im stationären Handel mit Smartphone oder Smartwatch bezahlt. Wann schafft Mobile Payment endlich den schon so oft versprochenen Durchbruch?
Ich denke, dass der Anteil inzwischen schon etwas höher sein dürfte. Bei Verfahren wie Apple Pay hängt es von der Konfiguration im Zahlungsprozess ab, ob eine Wallet-Zahlung überhaupt als solche erkannt wird, daher gibt es hier eine gewisse Dunkelziffer, wenn man Transaktionsdaten auswertet.

Tatsächlich sind aber praktisch alle POS-Innovationen der jüngeren Zeit Wallet-basiert, jedenfalls auf der Seite der Zahler: Apple Pay, Google Pay, jetzt auch der neue Pay Pal-Ansatz über die NFC-Schnittstelle, dazu viele internationale Wallets mit QR-Code und bald auch Wero. Die letzte Innovation der Karte am POS war die Kontaktlos-Funktion. Die ist super, aber auch schon lange her.

Wero wird mit Pay Pal nicht nur im E-Commerce, sondern auch im stationären Handel mit dem E-Payment-Marktführer Pay Pal konkurrieren. Dieser ist seit Kurzem auch an zahlreichen deutschen Kassen-Terminals verfügbar, zum Beispiel bei den Filialisten Anson’s und Deichmann. Letzterer ist mit den ersten Nutzungszahlen „zufrieden“.

Wie hoch muss der Anteil an allen Zahlen sein, um von einem solchen sprechen zu können?
15 bis 20% sollten es schon sein, wichtiger ist aber der Trend insgesamt. Und der geht für das Mobile Bezahlen langsam aber stetig aufwärts, während das Bargeld zurückgeht. Was außerdem Hoffnung für das Wallet macht, ist die zunehmende Integration von Loyalty-Programmen. Wenn sich Zahlen mit Geld oder Punkten so leicht integrieren lässt wie bei Payback Pay, das Computop gerade bei dm sogar im Onlinehandel eingeführt hat, dann spricht noch mehr für das Mobile Bezahlen. Wie sieht die Lage im Modehandel aus? Ist der Wert dort vielleicht höher?
Walletzahlungen sind am schnellsten, doch im Modehandel kommt es nicht ganz so sehr auf das Tempo an wie an der Supermarktkasse. Ich denke, es ist eine Frage der generellen Gewohnheit. Viele Menschen, die das Zahlen mit dem Smartphone einmal probiert haben, bleiben dabei – egal, wo sie kaufen.

Payback gehört zu wenigen Anbietern, die auf das Einscannen von QR-Codes setzen? Ist diese Technik nicht überholt? Oder hat sie noch Potenzial?
Technisch ist der QR-Code überholt, aber die Einfachheit seiner Anwendung macht ihn für bestimmte Situationen trotzdem attraktiv. Auch Wero setzt zum Start darauf, so können sogenannte Person-to-Professional-Zahlungen mit statischen QR-Codes auch von Kleinhändlern genutzt werden, die sich kein Terminal anschaffen würden. Wo es auf Tempo ankommt, ist QR aber im Nachteil gegenüber dem NFC-Funksignal, und umständlicher ist es auch.

Was kommt als Nächstes? Bezahlen per Fingerabdruck oder Gesichtserkennung?
Biometrische Verfahren unterstützen schon jetzt bei der Authentifizierung und beschleunigen den Vorgang erheblich. Das betrifft jedoch das Online-Banking und den E-Commerce auf dem eigenen Smartphone. In Asien wird das Bezahlen per Gesichtserkennung in manchen Geschäften angeboten und funktioniert auch.

Ich habe aber Zweifel, dass europäische Konsumenten diesen Service mit der gleichen Akzeptanz nutzen würden. Mit dem Fingerabdruck auf einem händlereigenen Gerät fremdeln doch viele Menschen und ich glaube auch nicht, dass sie sich mit einem Lächeln in eine Kamera wohlfühlen würden. Regionale Kultur spielt eine große Rolle im Handel, und wie wir alle wissen: Wirtschaft ist Psychologie.

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