US-Präsident Joe Biden hat die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zur Ausstellung von Haftbefehlen gegen den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und dessen früheren Verteidigungsminister Joaw Galant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazakrieg kritisiert. „Die Ausstellung von Haftbefehlen durch den Internationalen Strafgerichtshof gegen israelische Politiker ist empörend“, teilte Biden mit.
„Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Was auch immer der
Internationale Strafgerichtshof andeuten mag, Israel und die Hamas sind
nicht gleichwertig – überhaupt nicht“, sagte Biden angesichts der
Haftbefehle. „Wir werden immer an der Seite Israels stehen, wenn seine
Sicherheit bedroht ist“, hieß es weiter. Die USA würden keinen Haftbefehl vollstrecken, gab die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, zudem bekannt.
Israel und USA erkennen IStGH nicht an
Der designierte künftige Nationale Sicherheitsberater der USA, Mike Waltz, kündigte eine „starke Antwort auf die antisemitische Voreingenommenheit des Internationalen Strafgerichtshofs und der UN“ im Januar an, wenn der designierte US-Präsident Donald Trump sein Amt antritt. „Der IStGH ist nicht glaubwürdig, und diese Anschuldigungen wurden von der US-Regierung widerlegt“, teilte Waltz im Onlinedienst X mit. Die USA erkennen wie Israel den IStGH grundsätzlich nicht an.
Die Richter in Den Haag hatten mit den Haftbefehlen einem Antrag des Chefanklägers Karim Khan vom Mai zugestimmt, in
welchem dieser Netanjahu und Galant Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit im Krieg im Gazastreifen vorwirft.
Weitere Länder kritisieren Haftbefehle
Israels Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara zeigte sich empört. „An
diesem Tag muss das Offensichtliche gesagt werden: Dem Internationalen
Strafgerichtshof fehlt jegliche Autorität in dieser Angelegenheit“,
sagte sie laut einem Bericht der The Times of Israel. Galant schrieb auf
X, die Haftbefehle gegen ihn und den Ministerpräsidenten schafften
„einen gefährlichen Präzedenzfall gegen das Recht auf
Selbstverteidigung„.
Auch weitere Länder übten angesichts der Haftbefehle Kritik. „Israel ist brutalen Aggressionen, unmenschlichen Geiselnahmen und wahllosen Angriffen auf seine Bevölkerung ausgesetzt. Die legitime Verteidigung einer Nation zu kriminalisieren und gleichzeitig diese Gräueltaten auszublenden, ist ein Akt, der den Geist der internationalen Gerechtigkeit verfälscht“, teilte der argentinische Präsident Javier Milei auf X mit. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg bezeichnete die Haftbefehle als „unverständlich und nicht nachvollziehbar“, Ungarns Außenminister Péter Szijjártó nannte sie „schändlich und absurd“.
Iran und Palästinensische Autonomiebehörde begrüßen Haftbefehle
Die Terrororganisation Hamas bezeichnete die Entscheidung indes als „wichtigen historischen Präzedenzfall“ und sprach von „einer Korrektur eines langen Wegs historischer Ungerechtigkeit gegen unser Volk“. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland begrüßte die internationalen Haftbefehle. Die Entscheidung des IStGH stelle das Vertrauen in das Völkerrecht und UN-Organisationen wieder her, teilte die Behörde laut einem Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa mit. Sie rief demnach ebenfalls alle Mitgliedsstaaten des Gerichtshofes auf, die Haftbefehle umzusetzen.
Auch der außenpolitische Berater des geistigen Führers Ajatollah Ali Chamenei im Iran, Kamal Charrasi, bezeichnete die Haftbefehle als lobenswert und forderte die USA und Europa auf, die Haftbefehle zu respektieren und umzusetzen. Die Entscheidung des Gerichts in Den Haag sei auch beschämend für den Westen, der Israels Handeln im Gazastreifen und im Libanon uneingeschränkt unterstützt habe. Die Niederlande und Kanada kündigten Medienberichten zufolge an, sich an alle Vorschriften und Urteile der internationalen Gerichte zu halten und die Haftbefehle in ihren Ländern vollstrecken zu wollen. Die Bundesregierung äußerte sich zunächst nicht.
Josep Borrell fordert Umsetzung der Haftbefehle
„Die Entscheidung des Gerichtshofs muss respektiert und umgesetzt werden“, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Er bezeichnete den Haftbefehl gegen Netanjahu als bindend für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Als Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs seien die EU-Länder verpflichtet, die gegen Netanjahu, Galant und Deif verhängten Haftbefehle umzusetzen, hieß es. Es handle sich nicht um eine politische Entscheidung, sondern um einen Gerichtsbeschluss.
Neben Haftbefehlen gegen Netanjahu und Galant erließ das Gericht auch
einen Haftbefehl gegen den Militärchef der Hamas –
Mohammad Diab Ibrahim Al-Masri, auch bekannt unter dem Namen Mohammed
Deif. Er wird wegen des Überfalls der Hamas auf Israel am 7.
Oktober 2023 mit rund 1.200 Toten gesucht. Allerdings ist unklar, ob
Al-Masri noch lebt. Israel hatte Deif zuletzt für tot erklärt, die Hamas äußerte sich bislang nicht dazu.
Der
IStGH ist für die Umsetzung der Haftbefehle auf die Kooperation der 124
Mitgliedstaaten angewiesen. Israel und die USA sind keine Mitglieder
des IStGH.