Intel: Auch beim Chiphersteller gilt „America first“

Es ist eine große Sache nicht nur für Sachsen-Anhalt, es ist eine große Sache für den Standort Deutschland: die Halbleiterfabrik, die Intel in der Nähe von Magdeburg bauen will. Rund 30 Milliarden US-Dollar will der US-Konzern dort investieren, mindestens 3.000 neue Jobs sollen entstehen. Die Bundesregierung hat dazu zehn Milliarden Euro an Staatshilfe zugesagt. Doch jetzt mehren sich die Zweifel, dass das Großprojekt tatsächlich kommt. Grund sind Intels existenzielle Probleme – und der knallharte Protektionismus der US-Regierung. 

Es sind Schicksalstage für Intel, eine Techlegende, deren Gründer einst Silicon Valley zu dem weltweit führenden Innovationszentrum machten. Heute kämpft Intel gegen den Abstieg. Das Unternehmen gehört nicht einmal mehr zu den zehn wertvollsten Halbleiterherstellern der Welt. Nach einem katastrophalen Ergebnis im zweiten Quartal, das das Unternehmen Anfang August gemeldet hatte, hat sich die Lage noch einmal zugespitzt. Der Umsatz im laufenden Jahr wird nach den jüngsten Prognosen 52 Milliarden US-Dollar liegen – nur noch 70 Prozent gegenüber 2021, als CEO Pat Gelsinger mit seinem Sanierungsplan angetreten ist. Die Investoren fliehen, die Aktie hat allein dieses Jahr 60 Prozent verloren. Gelsinger kündigte radikale Schnitte an. 15 Prozent der Belegschaft müssen gehen, und – kein gutes Zeichen für die Zukunft – die Investitionen in Forschung und Entwicklung werden gekürzt. Das reicht offenbar noch nicht. Vergangene Woche tagte der Aufsichtsrat. Noch ist nichts Konkretes über die weiteren Pläne bekannt. Aber nach dem, was an US-Medien durchsickerte, droht nun vor allem Projekten im Ausland, darunter Magdeburg, die Axt.

Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein so erfolgsverwöhnter Konzern derart abstürzte? Lange dominierte Intel die Branche, so sehr, dass es die Innovationen vieler Kunden entscheidend prägte. Es beherrschte Ressourcen und zog die besten Fachkräfte an. Und es verdiente viel Geld. „Intel Inside“, lange der Werbeslogan des Chipfabrikanten, galt bei Computerkäufern als Qualitätsmerkmal. Doch zuletzt hat Intel wichtige Trends verschlafen, etwa den Aufstieg der Smartphones. Apple, einst Großkunde, entwickelt seine Chips jetzt im eigenen Unternehmen. Beim jüngsten Techhype, künstliche Intelligenz, finden sich Intels Chips auf Platz vier. Führend ist Nvidia, einst ein Anbieter, der auf Videospiele spezialisiert war und der lange fürchtete, von Intel geschluckt zu werden. Doch die Art von Nvidias Gaming-Chips erwies sich als technologisch überlegen beim Training künstlicher Intelligenz. Mit einem Marktwert von derzeit 2,9 Billionen US-Dollar gehört der einstige Nischenplayer nun zu den wertvollsten Konzernen der Welt. Intels Marktwert liegt dagegen aktuell bei knapp 84 Milliarden US-Dollar, damit ist das Unternehmen an der Börse weniger wert als die Fabriken und Anlagen, die es besitzt. 

Intels Stärke war lange, dass das Unternehmen sowohl Chips entwickelte als auch produzierte. Das überwiegende Modell der Branche ist inzwischen jedoch die Trennung der Bereiche. Für Intel bedeutet es nicht nur, mit führenden Designern wie Nvidia zu konkurrieren, sondern auch im Wettbewerb mit der taiwanesischen TSMC, dem weltweit führenden Hersteller von Chips, und Koreas Samsung zu stehen.

Um Halbleiter herzustellen, braucht es enorme Investitionen, die Fabriken kosten von 20 Milliarden US-Dollar aufwärts. Und um die modernste Generation von Halbleitern herstellen zu können und eine Chance zu haben, an der Konkurrenz dranzubleiben, muss Intel entsprechend Kapital aufbringen. Oder Intel beschränkt sich auf das Design. Diese Alternative, also eine Abspaltung der Produktion, wie sie manche Wall-Street-Aktienanalysten und auch Investoren fordern und wie sie die Konkurrenz wie AMD bereits vor einiger Zeit vollzogen hat, wäre jedoch kompliziert. Zu verschränkt sind die beiden Bereiche bei Intel, zu sehr Teil der Identität. Vor allem aber würde es Intels Hoffnung auf staatliche Hilfe gefährden.

Intel kann nicht in den USA sparen

Intel ist der größte amerikanische Halbleiterhersteller, und damit ist der strauchelnde Konzern auch eine tragende Säule für die Reindustrialisierungsagenda von Präsident Biden. Der Chips Act, der vor zwei Jahren verabschiedet wurde, will mit 280 Milliarden US-Dollar die Halbleiterproduktion wieder in die USA zurückbringen, die in den vergangenen Jahrzehnten weitestgehend nach Asien ausgelagert wurde. Weil die wichtigsten Investitionen in Bundesstaaten wie Arizona fließen sollen, spielen Intel und andere Halbleiterhersteller auch eine wichtige Rolle im aktuellen Wahlkampf von Bidens Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris.

Intel ist der größte Empfänger der versprochenen Staatshilfen. Doch sie fließen nur, wenn Intel auch die angekündigten Fabriken baut. Das bringt CEO Gelsinger in eine Klemme. Verzichtet er auf die US-Großprojekte, um zu sparen, würde das auch den Verzicht auf den Großteil der Subventionen bedeuten. So wird der Intel-Chef nach anderen möglichen Sparmaßnahmen suchen. Sicher würde Gelsinger auch die Regierungen in Magdeburg oder Berlin nur ungern enttäuschen oder auf deren Zuwendungen verzichten. Aber es wäre für seinen trudelnden Konzern weniger folgenschwer. Die Realität ist, Intel kann es sich kaum leisten, seine Unterstützer in Washington zu brüskieren. 

„America first“ gilt eben nicht nur in Bezug auf China, sondern auch auf Amerikas Verbündete.

AppleAsienAuslandBelegschaftBerlinBidenBoerseBundesregierungChinaChipsDesignDeutschlandDollarEuroFabrikenFachkräfteForschungGeldHarrisIntelIntelligenzInvestitionenJobsJoeKamalaKünstliche IntelligenzLangeMagdeburgMedienNvidiaProtektionismusRegierungSachsenSachsen-AnhaltSamsungSilicon ValleySmartphonesSparenStandort DeutschlandSubventionenTrendsTSMCUnternehmenUSUS-DollarUSAVerzichtVideospieleWahlkampfWeilWELTWirtschaftZeit