Inszenierte Einigkeit: Berliner Linke zwischen Mieten, Mamdani und Streit um Genozid

Die Linkspartei schafft es, den Streit um BDS und die Frage, ob in Gaza ein Genozid stattfindet, beizulegen. Welche Rolle Mamdani dabei spielt. Wo Elif Eralp steht. Und ob die Einigkeit von Dauer sein wird


Elif Eralp geht als Spitzenkandidatin der Partei Die Linke in den Wahlkampf für die Berliner Abgeordnetenhauswahl 2026

Foto: Jeremy Knowles/Eventpress/Imago Images


Jeder Parteitag ist Inszenierung.

Für ihre Verhältnisse hat die Berliner Linkspartei das am Samstag jedenfalls hingekriegt: Nach der Rede von Elif Eralp, mit der die Partei als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf für das Abgeordnetenhaus ziehen will, ging es im Dong-Xuan-Haus in Berlin-Lichtenberg kurz fast zu wie bei einer Wahlparty in den USA.

Ohrenbetäubend forderte Queen Don’t stop me now aus den Lautsprechern, während Konfettikanonen Eralp und die Parteispitze auf der Bühne mit goldenem Glitzer besprenkelten. Eine Botschaft in einem Bild: So sieht die Hoffnung darauf aus, mit Elif Eralp als einer Art Berliner Zohran Mamdani und dem Kampf für eine bezahlbare Stadt die nächsten Wahlen zu gewinnen.

Damit das aber nicht gleich schon wieder verpufft, brauchte es zugleich die Inszenierung von Einigkeit: Man wollte auf jeden Fall vermeiden, nach außen das Bild einer Partei zu zeigen, die sich im Streit um Antisemitismusvorwürfe und das Verhältnis zu Israel selbst demontiert. Auch das ist am Ende gelungen. Aber diese zweite Inszenierung war nicht durchchoreografiert wie die erste. Sondern das Resultat von ergebnisoffenen zähen Verhandlungen und dem Ringen um einzelne Worte bis zur letzten Minute.

Anträge zu BDS und der Forderung, israelische Kriegsverbrechen in Gaza als Genozid zu benennen, wurden erst nach der Mittagspause zurückgenommen, weil man sich mit dem Parteivorstand geeinigt hat. Und auch die pro-palästinensischen Redner nahmen in Anspruch, sich an das Vorbild Mamdani zu halten: Weil der ja nicht nur Wahlen gewinnt, sondern auch in Sachen Israel deutlich kritischer auftritt, als die meisten hier.

Petra Pau ist noch da, aber wie lange noch?

Wenn man die Gefühlslage der Partei in einem zweiten Bild fassen will: Petra Pau ist noch da, auch wenn sie am Vorabend des Parteitags angedeutet hatte, dass das nicht unbedingt so bleiben muss, wenn die Linkspartei sich zu einseitig gegen Israel positioniere. Aber die prononciert proisraelische ehemalige Bundestagsvizepräsidentin geht leise an Krücken durch die Reihen, offenbar hat sie sich am Bein verletzt. Sie wird die vielen Palästinensertücher gesehen haben, die die Parteijugend um Schultern und Hüften trägt und in die Kameras hält. Und mit denen sie anzeigt: Wenn im nächsten Jahr von den vielen neuen Mitgliedern auch neue Delegierte für künftige Parteitage gewählt werden, wird sich das Gleichgewicht verschieben.

Noch halten sich die, die von Genozid sprechen wollen, und die anderen, die das ablehnen, ungefähr die Waage. Woran es auch liegen mag, dass die Parteispitze sich am Ende mit ihrem Kurs durchsetzt: Zusammenhalten statt spalten, Konflikte innerhalb austragen und nicht nach außen tragen, „das Leid der einen nicht gegen das Leid der anderen austragen“, wie Elif Eralp es formuliert.

Sie hält ihre Rede, an deren Ende es Konfetti regnen wird, am Anfang eher verhalten. Der Saal würde sie gerne feiern, auch ihre Mutter, die sie begleitet, aber Eralp will ihren Text abspulen. Vielleicht muss sie auch noch üben, das Publikum in Wallung zu bringen.

Mamdani wird von allen hier bemüht

Eralp erzählt ihre Familien- und Migrationsgeschichte: als Kind von sozialistischen Flüchtlingen aus der Türkei in Deutschland geboren, ausgestattet mit dem Traum von einem guten Leben, den nun die Linkspartei für alle durchsetzen soll.

Dafür kann man Mamdani bemühen, und Eralp tut es auch: Dass der Wahlkampf sich um die bezahlbare Stadt drehen soll. „Die Mietenfrage ist die soziale Frage unserer Zeit“, ruft Eralp, die sich dann doch noch warmläuft. Sie fordert die Enteignung der großen Wohnungskonzerne, einen Mietendeckel für landeseigene Genossenschaften, eine Luxusvillensteuer und dass niemand mit „dem Dach über dem Kopf Kohle machen“ darf.

Damit will man die Wahlen gewinnen. Gegen den gemeinsamen Gegner: die CDU, Kai Wegner, die AfD. Für die gemeinsame Sache: die Wohnungsfrage. Und mit einer Positionierung, die versucht, Palästinasolidarität und das Bekenntnis zu Israel zusammenzubringen. Mehrmals hört man nun, dass es in Deutschland die größte palästinensische Community Europas gibt. Eralp sagt, sie sei froh darüber. Sie macht sich den Begriff Genozid bewusst nicht zu eigen, sondern erntet Applaus mit der Forderung: „Das Leid auf der einen Seite darf nicht gegen das Leid und die Trauer auf der anderen Seite ausgespielt werden.“

Das Ringen um die „Entkriminalisierung“ der BDS-Kampagne und das Wort „Genozid“

Auch nach ihrer Rede ist offen, wie die Auseinandersetzung um die beiden Anträge ausgeht, die im Vorfeld für Aufregung gesorgt haben: einen, der die „Entkriminalisierung“ der BDS-Kampagne fordert, und einen zweiten, der den Begriff des Genozids für das, was in Gaza passiert, als offizielle Einschätzung der Partei festlegen will.

Noch in der Mittagspause wird um Passagen und einzelne Worte verhandelt: Die LAG Palästinasolidarität versucht, möglichst viele ihrer Forderungen in den Antrag der Parteiführung hineinzuverhandeln, um dann ihre eigenen Anträge zurückzuziehen.

Am Ende gibt es einen Kompromiss, mit dem alle halb und keiner ganz zufrieden ist. Und der klar macht: Die Auseinandersetzung wird weitergehen. Inzwischen wird Mamdani zeigen müssen, ob man mit dem Kampf um die bezahlbare Stadt nicht nur Wahlen gewinnen, sondern auch regieren kann. Und ob man sich in Regierungsverantwortung in Sachen Palästina/Israel anders positioniert, als man das im Wahlkampf tut. Aus der Linkspartei werden sie auf beides genau gucken.

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