Hoch oben im Hopfengarten von Josef Wimmer sind die Wechselrichter der Photovoltaikanlage montiert. Am Mittag, wenn die Sonne richtig brennt, arbeitet das Gerät auf Hochtouren: Es wandelt den Gleichstrom, der in den Solarmodulen erzeugt wird, in Wechselstrom um, bevor der Strom ins öffentliche Netz eingespeist wird. Bei starkem Sonnenschein springen deutlich hörbar die Lüfter an, damit das Gerät nicht überhitzt. „Das ist mittlerweile mein Lieblingsgeräusch“, sagt der Hopfenpflanzer Josef Wimmer. Sieben Cent erhält er für jede Kilowattstunde, die er so ins Netz einspeist.
Sein Feld in Neuhub bei Au in der Hallertau, etwa sechzig Kilometer nördlich von München, ist der weltweit erste Hopfengarten, der mit einer Agri-PV-Anlage überbaut worden ist – also einer Photovoltaik-Anlage über der landwirtschaftlichen Nutzfläche. In etwa sechs Metern Höhe sind die Solarmodule auf Ständern montiert – mit etwas Abstand zwischen den Reihen, so dass die Pflanzen leicht beschattet werden, aber noch genug Licht zum Wachsen bekommen. Von der Anlage verspricht sich der Hopfenbauer dreierlei: Neben dem Hopfen will er künftig Strom ernten, zudem spendet die Anlage Schatten für die Hopfenpflanze, der Boden trocknet nicht so schnell aus, und schließlich soll die Solaranlage die Pflanzen auch noch teilweise vor Hagel schützen.
Gebaut werden Agri-PV-Anlagen derzeit auf einer Vielzahl ganz verschiedener landwirtschaftlicher Flächen: über Feldern mit Gemüse wie Spargel, Kartoffeln und Lauch, über Himbeeren, Rebstöcken und Getreide, auch über Obstplantagen mit Kirschbäumen und über Wiesen, auf denen Weidetiere grasen. Auch für Legehennen wird darüber nachgedacht, weil die Anlage dort die Tiere zugleich vor Hitze und Greifvögeln schützen kann. Experimentiert wird auch, über welchen Flächen das Konzept funktioniert und über welchen eher nicht. Nach den bisherigen noch vorläufigen Erkenntnissen läuft es sehr gut beispielsweise bei Himbeeren, mittelprächtig bei Weizen und eher schlecht beim Mais. Der Schatten der Module beeinträchtigt dort deutlich die Photosynthese.
Der Hopfen scheint nach bisherigen Erkenntnissen gut geeignet: Hopfen kommt in der Natur in Auwäldern vor, die Pflanze mag also durchaus etwas Schatten; zu viele heiße sonnige Tage über dreißig Grad dagegen mag die Pflanze gar nicht. In besonders heißen und trockenen Sommern geht die Ernte des Biergewürzes deutlich zurück – je nach Hopfensorte fällt der Ertrag um bis zu vierzig Prozent niedriger aus. Noch schlimmer ist nur Hagel; der kann im schlimmsten Fall ganze Hopfenfelder vernichten. Wimmer ist das im Jahr 2009 passiert, als der Hagel seine komplette Ernte vernichtet hat; im Jahr 2022 vernichtet der Hagel nochmals etwa siebzig Prozent seiner Ernte. „Das war für mich der Auslöser, über einen Schutz für die Pflanzen nachzudenken“, erzählt er.
Geplant und gebaut hat Wimmer seine Hopfen-Agri-PV-Testanlage zusammen mit dem Solarunternehmen Agrar-Energy. „Die Konstruktion haben wir selbst entwickelt“, erzählt deren Chef Bernhard Gruber. Für das Projekt haben sie gemeinsam eine Firma gegründet und teilen sich das Risiko halbe-halbe. Gemeinsam haben sie bislang rund 1,4 Millionen Euro investiert. Die Solarmodule über dem Hopfen sind deutlich höher über dem Boden montiert als bei anderen Agri-PV-Anlagen. Im Hopfenanbau benötigt man jedoch ohnehin ein Gerüst, an dem sich die Pflanzen hochranken können, das Gerüst für die Pflanzen und die Solarmodule kann gut miteinander verbunden werden.
„Die Konstruktion haben wir selbst entwickelt“
Bernhard Gruber
Bei der Ernte stört die ganze Konstruktion nicht. In der Hallertau, dem größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt, ist seine Anlage ein Vorzeigeprojekt. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) waren schon da und haben sich die Testanlage zeigen lassen. Auch aus dem amerikanischen Bundesstaat Illinois kam eine Delegation und hat sich vor Ort über die Anlage informiert.
Wimmer ist von seiner Pilotanlage begeistert. Der Strom der Anlage bringt bislang mehr als doppelt so viel Geld wie die Hopfenplanzen darunter. Je Hektar produziert die Anlage – die auf eine Maximalleistung von 0,7 Megawattausgelegt ist – rund achthundert Megawattstunden Strom im Jahr. Daher will er die Agri-PV-Anlage ausbauen. Insgesamt baut er auf einer Fläche von grob fünfunddreißig Hektar Hopfen an, bislang sind aber erst 1,3 Hektar mit Solaranlagen überdacht, sein Ziel sind Paneele über einer Fläche von rund siebzehn Hektar in den kommenden zwei bis drei Jahren. Das nächste Feld wird demnächst überbaut. Damit die Sonnenausbeute noch besser wird, montiert er die Anlage dabei in einem etwas steileren Winkel als bisher. Er lernt nach und nach dazu.
Auch andere Hopfenpflanzer haben schon Interesse bekundet. An Grenzen stößt der Ausbau der Agri-PV-Anlagen aber im Stromnetz. Es gibt in der Hallertau bislang schlicht zu wenig Netzkapazität, um den Strom einzuspeisen und dorthin zu transportieren, wo der Strom im selben Moment auch benötigt wird. Das merkt auch Wimmer: Weil für seine vergrößerte Agri-PV-Anlage die bisher vorhandenen Leitungen zu klein sind, muss er zusätzlich nochmal rund vierhunderttausend Euro in die Hand nehmen für ein neues Kabel vom Feld zum nächsten Einspeisepunkt, der sechs Kilometer entfernt liegt.
Er bekomme Anrufe von Bauern, die auch ganz dringend eine Agri-PV-Anlage wollen. Was darunter wächst, sei manchem sogar ziemlich egal, erzählt der Solarunternehmer Bernhard Gruber. Manchmal müsse er sogar bremsen. Der Hopfenanbau darunter dürfe aber nicht als Vorwand benützt werden, um einfacher eine Genehmigung für eine solche PV-Anlage zu erhalten, sagt der Hopfenzüchter Anton Lutz vom Hopfenforschungszentrum Hüll. Agri-PV-Anlagen werden daher nur genehmigt, wenn die zu erwartenden Ernteeinbußen durch die Anlage unter dreiunddreißig Prozent liegen, erklärt Gruber. Dafür braucht man vorher Gutachten.
Auch beim Hopfen wurde schon im Vorfeld mit unterschiedlichen Beschattungsversuchen getestet. Ganz ohne Ernteeinbußen geht die Solaranlage über dem Feld auch beim Hopfen nicht, sagt Manuel Riedl von der Universität Weihenstephan, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, die Ernteeinbußen halten sich aber in Grenzen, nach bisherigen Erkenntnissen liegen sie zwischen fünf und zwanzig Prozent. Riedl hat verschiedene Messinstrumente im Hopfengarten von Wimmer installiert, um das Experiment genau zu dokumentieren. Sie messen unter anderem das Mikroklima unter der PV-Anlage, die Luftfeuchtigkeit, die Feuchtigkeit auf den Blättern und die Saugspannung der Wurzeln. Wie stark die Ernteeinbußen genau sind, hängt auch von der Hopfensorte ab. Um genauer zu erforschen, welche Sorte mit der Beschattung besser zu Recht kommt, sind unter der Testanlage zwei verschiedene Sorten angepflanzt: Auf der einen Seite wächst die Sorte „Herkules“, ein Bitterhopfen, die meistangebaute Sorte in der Hallertau. Auf der anderen Seite wächst die Sorte „Hallertauer Tradition“, ein Aromahopfen, der bei Craft-Brauern beliebt ist. „Die Sorte Herkules ist die ‚Cash-Cow’ der Hallertau“, sagt Riedl, die Sorte verträgt die Anlage allerdings nicht ganz so gut wie die Sorte Tradition.
Welche Sorten künftig in der Hallertau angebaut werden, ist aber ohnehin offen. Viele althergebrachten Sorten kommen nicht so gut mit dem Klimawandel zurecht. Experten plädieren daher längerfristig für die Wahl hitzeresistenterer Sorten, die in den vergangenen Jahren extra dafür gezüchtet wurden. Doch bislang fehlt es den neuen Sorten noch an Akzeptanz. Die Hopfenpflanzer bauen an, was die Bierbrauer ihnen abkaufen. Und bislang verlangen die Brauer noch die herkömmlichen Sorten, deren Geschmacksprofil sie seit Jahren kennen. Doch in der Hallertau kommt manches in Bewegung. Wie es hier wohl in zehn Jahren aussehen wird? Rein theoretisch seien achtzig Prozent der Hopfengärten tauglich für Agri-PV-Anlagen, sagt Gruber.