Inflationsprämie: 2150 Euro im Schnitt – Jetzt offenbaren sich die großen Profiteure – WELT

Sie war der größte gemeinsame Kompromiss, den sich Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Bundesregierung im Rahmen der „Konzertierten Aktion“ im Herbst 2022 abringen konnten: Eine Einmalzahlung von bis zu 3000 Euro sollten die Unternehmen ihren Mitarbeitern steuer- und sozialabgabenfrei auszahlen dürfen, um die hohe Inflation etwas abzufedern. Die Sonderzahlung kann einmalig oder in Teilbeträgen seit Oktober 2022 bis Ende dieses Jahres überwiesen werden.

Fast die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen solchen Inflationsausgleich erhalten. Das ergibt nun eine YouGov-Umfrage im Auftrag der Teambank.

Bei knapp jedem fünften Arbeitnehmer, der von der Prämie profitierte, fällt die Reaktion verhalten aus: Laut YouGov verneinten 21 Prozent der Begünstigten die Frage, ob sie „spürbar mehr Geld zur Verfügung“ gehabt hätten. Bei mehr als jedem Vierten machte sich die Zahlung hingegen positiv bemerkbar. Vor allem Haushalte mit höherem Einkommen profitierten besonders. So haben mehr als zwei Drittel der Beschäftigten, die monatlich über mehr als 4000 Euro netto verfügen, nach eigenen Angaben die Prämie erhalten. Von den Haushalten mit einem Nettoeinkommen von unter 2000 Euro profitierten hingegen nur 30 Prozent.

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„Das Problem ist, dass die, die besonders stark von der Inflation betroffen sind, am wenigsten Schutz haben und überproportional häufig von solchen Sonderzahlungen gar nicht profitieren“, kritisiert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Menschen mit geringerem Einkommen hätten häufig eine doppelte bis dreimal größere individuelle Inflation, weil sie mit ihrem geringen Einkommen einen höheren Anteil für Kosten wie Lebensmittel und Energie ausgeben – die besonders gestiegen sind. „Das betrifft einerseits Menschen mit geringem Einkommen. Und zum anderen betrifft es auch viele Menschen, die wenig Geld haben und nicht arbeiten: etwa Rentner oder Studenten“, sagt Fratzscher gegenüber WELT. Bei Letzteren gab es zwar eine Prämie. Die Summen seien aber vergleichsweise gering gewesen.

„Die Inflationsprämie ist ein Instrument, das von der Politik sehr unbürokratisch und sehr schnell umgesetzt worden ist“, lobt Fratzscher. Sie habe die clevere Komponente, dass der Staat nicht für alles zahlt, sondern lediglich durch die Steuerfreistellung Steuereinnahmen verliere.

Quelle: Infografik WELT

„Bürokratisch gesehen, hätte der Staat sagen sollen: Wir überweisen auch eine Einmalzahlung an Bürger mit geringem Einkommen“, so Fratzscher. Dass es aber sehr schwierig ist, Geld pauschal und zielgenau zu überweisen, zeige sich nun am Klimageld – die Abwicklung der Auszahlung ist immer noch unklar.

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell betont, die Prämie habe dazu beigetragen, den enormen Inflationsschock der vergangenen Jahre abzufedern. „Die Prämie wurde vor allem in Tarifverhandlungen durchgesetzt. Beschäftigte im Niedriglohnsektor arbeiten häufig ohne Tarifvertrag und profitieren daher vermutlich seltener von dieser Sonderzahlung“, so Körzell. Es sei wichtig, dass wieder mehr Unternehmen Tarifverträge abschließen.

„Dort, wo die Gewerkschaften Inflationsausgleichsprämien in Tarifverhandlungen vereinbart haben, gelten diese Sonderzahlungen für alle Beschäftigten – unabhängig von der Höhe des Einkommens.“ Die Inflationsausgleichsprämie sei ein Instrument für die akute Krisensituation gewesen. „In Zukunft kommt es darauf an, die Lohnentwicklung mit Tarifverhandlungen dauerhaft zu stabilisieren“, so Körzell. „Eine Stärkung der Kaufkraft ist angesichts der wirtschaftlichen Situation dringend notwendig.“

Tarifbeschäftigte erhalten Inflationsprämie viel häufiger

Ein Blick in eine zweite Studie verrät, wie sozial ungerecht die Wirkung der Inflationsprämie offenbar war. Ökonomen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) haben untersucht, welche Beschäftigtengruppen seit Oktober 2022 eine Inflationsausgleichsprämie erhalten haben. Die Daten liegen WELT exklusiv vor.

Bemerkenswert ist in den Ergebnissen die Unterteilung nach Lohnhöhe. Dabei zeigt sich: Beschäftigte mit 4000 bis 5000 Euro Brutto-Gehalt bekamen mit einem Anteil von über 60 Prozent am häufigsten eine Zahlung vom Arbeitgeber. Unter den Beschäftigten mit weniger als 1000 Euro war es hingegen nur jeder Vierte.

Auch zeigt sich: Tarifbeschäftigte erhielten die Prämie viel häufiger. Vier von fünf dieser Arbeitnehmer konnten davon profitieren; im Schnitt gab es knapp 2200 Euro. Insgesamt arbeitet aber nicht einmal die Hälfte der Deutschen mit einem Tarifvertrag, die Bindung ist seit einigen Jahren stark rückläufig. Von den Beschäftigten ohne Tarifvereinbarung erhielten laut IW nur rund 35 Prozent eine Prämie, auch der Wert liegt mit 2090 Euro etwas niedriger. „Zudem zahlen kleine Unternehmen, in denen die Löhne oftmals geringer sind, seltener die Prämie als große Unternehmen“, sagt Studienautor Tobias Hentze.

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Insgesamt erhielten den Daten zufolge hochgerechnet knapp 20 Millionen Beschäftigte eine Prämie, also weniger als jeder Zweite. Im Schnitt betrug der ausgezahlte Betrag rund 2150 Euro. Bis Ende des Jahres können Unternehmen die Prämie noch auszahlen oder bis zum Maximalwert von 3000 Euro erhöhen.

Teuer für den Staat war die Einmalzahlung noch dazu, wie die Studienautoren Martin Beznoska und Tobias Hentze schreiben. Damit verzichtet der Staat auf Einnahmen von schätzungsweise 25 Milliarden Euro, wovon 13 Milliarden Euro auf die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie zwölf Milliarden Euro auf die Lohnsteuer entfallen – wobei diese auch nicht angefallen wären, wenn es die Einmalzahlung nicht gegeben hätte.

Source: welt.de

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