Inflation in Deutschland sinkt hinauf 1,9 Prozent: Ist die Teuerungswelle vorbei?

Die Inflation in Deutschland ist im August auf 1,9 Prozent gesunken. Das hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag aufgrund einer ersten Schätzung mitgeteilt. Im Juli hatte die Rate bei 2,3 Prozent gelegen, im Juni bei 2,2 Prozent. Ökonomen hatten laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters im Schnitt eine Rate von 2,1 Prozent erwartet. Commerzbank und Deutsche Bank hatten hingegen vorhergesagt, die Rate werde unter die Marke von 2 Prozent fallen.

Die Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel ging um 0,1 Punkte auf 2,8 Prozent zurück. 

Zu dem Rückgang der Inflationsrate beigetragen hat das billige Benzin, es spielten aber auch andere Faktoren eine Rolle. Was genau alles teurer oder billiger geworden ist, verraten die schon detaillierter veröffentlichten Zahlen für Nordrhein-Westfalen. Deutlich gestiegen gegenüber dem August 2023 ist demnach der Preis für Fernwärme (plus 31,5 Prozent) sowie für manche Nahrungsmittel wie Butter (plus 25,7 Prozent) und Kekse (plus 16,9 Prozent).

Günstiger wurden beispielsweise Möhren (minus 11,2 Prozent) sowie Molkereiprodukte und Eier (minus 0,2 Prozent). Bei Frucht- und Gemüsesäften (plus 14,5 Prozent) verteuerte sich insbesondere Orangensaft (plus 25,8 Prozent). Die Preise für Kraftstoffe insgesamt sanken um 7,1 Prozent, Diesel verbilligte sich sogar um 9,2 Prozent.

Viele Ökonomen meinen, die August-Inflationsrate werde eher ein Ausreißer nach unten sein. Zum Jahresende hin könnten die Raten wieder etwas höher ausfallen. Für den niedrigen Wert gebe es unterschiedliche Gründe, die zusammenkommen. Zum Teil sind es Faktoren, die tatsächlich die Verbraucher entlasten, zum Teil eher technische Effekte.

„Eine wichtige Entlastung kommt von den Energiepreisen“, heben die Ökonomen der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) hervor. „Benzin, Diesel und Heizöl waren im August günstiger als zuvor.“ So ist der Benzinpreis laut ADAC in der vergangenen Woche trotz der Rückreisewelle auf den Autobahnen auf den niedrigsten Stand des Jahres gefallen.

Hauptgrund dafür waren niedrige Rohölpreise, die unter anderem mit Sorgen um die Konjunktur in China und den Vereinigten Staaten erklärt wurden. Laut Bundesbank waren aber auch die Margen der Mineralölunternehmen zuletzt relativ niedrig – hier müsse man sich darauf einstellen, dass diese wieder anziehen könnten.

Benzinpreis fällt im August auf Jahrestief

„Einer der Gründe für die niedrige deutsche Inflationsrate im laufenden Monat ist sicher der niedrige Benzinpreis“, sagt auch Michael Holstein, der Chefvolkswirt der DZ Bank. Aber auch statistische Basiseffekte machten sich bemerkbar. Damit ist gemeint, dass auch Veränderungen des Preisniveaus im Vorjahr die Jahresänderungsraten in diesem Jahr beeinflussen können.

Diese technischen Effekte spielten bei den Dienstleistungen, aber auch bei der Energie eine nicht zu unterschätzende Rolle. Im August 2023 hätten die Energiepreise höher gelegen als im Vormonat Juli, das entlaste gleichsam die Inflationsrate im August 2024, sagt Holger Schmieding, der Chefvolkswirt des Bankhauses Berenberg. Im Herbst 2023 seien die Energiepreise dann wieder deutlich gesunken, das lasse den Vorjahresvergleich in diesem Herbst tendenziell höher ausfallen.

In vielen Inflationsprognosen wird daher angenommen, dass die Inflationsrate nur eine „Sommerpause“ macht, wie es Deka-Ökonom Ulrich Kater formuliert hat. Zum Jahresende hin könnte sie wieder ansteigen und zum Beginn des nächsten Jahres klar oberhalb des Ziels der EZB von 2 Prozent liegen. Spannend wird dann, ob sie sich in der zweiten Jahreshälfte 2025 dem EZB-Ziel annähert, wie die Notenbank selbst es erwartet.

Entwarnung in Sachen Inflation geben die meisten Fachleute noch nicht. „Hohe Lohnabschlüsse treiben weiterhin die Dienstleistungspreise“, heißt es von der Helaba. Viele Unternehmen versuchen, gestiegene Personalkosten an ihre Kunden weiterzureichen. Im Juli sind die Dienstleistungspreise deshalb mit 3,9 Prozent zum Vorjahresmonat überdurchschnittlich stark gestiegen.

Für Verbraucher hat die Inflationswelle viele Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs deutlich verteuert. Wenn die Inflationsraten jetzt wieder niedriger ausfallen, heißt das in aller Regel nicht, dass die Preise wieder auf das alte Niveau zurückfallen, sondern nur, dass sie nicht mehr so stark steigen. Betrachtet man die Preissteigerungen beispielsweise für Lebensmittel, Strom oder Gaststättendienstleistungen seit dem Jahr 2020, kommen schnell zweistellige Steigerungsraten zusammen.

Inflationsrate im Euroraum wohl noch etwas höher

Am Freitag wird die Inflationsrate für den gesamten Euroraum veröffentlicht. Es wird erwartet, dass sie etwas höher liegt als die in Deutschland. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte gleichwohl im September mit einer Zinssenkung auf Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung reagieren, auch wenn noch ein bisschen diskutiert wird.

Robert Holzmann, der österreichische Notenbank-Chef, der im EZB-Rat im Juni als Einziger gegen eine Zinssenkung gestimmt hat, mahnte auch am Rande des Notenbankertreffens in Jackson Hole zur Vorsicht. „Ich würde nicht sagen, dass eine Zinssenkung im September eine ausgemachte Sache ist – einige meiner Kollegen denken das bestimmt“, sagte er Bloomberg TV. Bei einigen EZB-Ratsmitgliedern herrsche der Eindruck vor, dass der Kampf gegen die Inflation gewonnen sei: „Zu einem großen Teil ist das wahrscheinlich der Fall, aber es gibt definitiv einige Bereiche, in denen die Inflation noch anhält, und das sind die Bereiche, die gefährlich werden können.“

Der portugiesische Notenbankchef Mário Centeno hingegen deutete an, die Entscheidung für eine September-Zinssenkung werde leicht. Auch der finnische Notenbankchef Olli Rehn und das kroatische Ratsmitglied Boris Vujčić äußerten sich in Richtung Zinssenkung. Die EZB müsse gleichwohl aufmerksam bleiben. Die EZB rechnet damit, dass die Inflation in den nächsten Monaten noch schwankt, aber in der zweiten Jahreshälfte 2025 sich zu ihrem Ziel von 2 Prozent bewegt.

Source: faz.net