Am 9. November 1974 starb Holger Meins, ein Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF), in einem Gefängnis durch einen Hungerstreik. Mehrere Personen, die danach an einer Demonstration in Westberlin aus diesem Anlass teilgenommen hatten, kamen in Haft.
Am 27. Februar 1975, drei Tage vor der Wahl zum Westberliner Abgeordnetenhaus, entführten Mitglieder einer Gruppe, die sich „Bewegung 2. Juni“ nannte, im Bezirk Zehlendorf Peter Lorenz, den Spitzenkandidaten und Landesvorsitzenden der CDU in Westberlin, und stellten Forderungen: Die inhaftierten Demonstranten sollten innerhalb von 48 Stunden freigelassen werden, spätestens nach drei Tagen sechs weitere Personen – teils aus ihrer eigenen Organisation, teils aus der RAF. Letztere seien vom ehemaligen Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz zu begleiten.
In Bonn richtete Kanzler Helmut Schmidt (SPD) einen Krisenstab ein, dem auch die Vorsitzenden von CDU und CSU, Helmut Kohl beziehungsweise Franz Josef Strauß, angehörten. Ein solches Gremium berief auch Westberlins Regierender Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) ein. Schmidt zeigte wenig Neigung, den Forderungen des Entführungskommandos nachzugeben. Kohl, Schütz und Strauß hingegen bestanden darauf, dass die Rettung von Peter Lorenz absolute Priorität haben müsse. Der Kanzler gab nach. Die operative Arbeit lag von da an beim Westberliner Krisenstab und bei den Behörden der Bundesländer, in denen die Gefangenen einsaßen. Heinrich Albertz war damit einverstanden, die Häftlinge nach einer Freilassung zu begleiten. Als Regierender Bürgermeister hatte er nach der Erschießung von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 den Polizei-Einsatz gerechtfertigt, bereute dies jedoch noch im gleichen Jahr vor dem Westberliner Abgeordnetenhaus und trat zurück.
Von den Personen, die bei der Demonstration nach dem Tod von Holger Meins in Gewahrsam genommen wurden, waren die meisten inzwischen wieder frei. Schließlich wurden auch die beiden letzten entlassen.
Zwar lief die Fahndung nach den Lorenz-Entführern, zugleich aber bestanden Kommunikationskanäle zwischen Tätern und Behörden. Erstere warfen besprochene Tonkassetten mit Nachrichten in Briefkästen und informierten die Polizei durch Anrufe, wo sie zu finden seien. Diese sendete ihre Antworten im Rundfunk. Bis auf Horst Mahler, der eine Freilassung ablehnte, flogen die Berliner RAF-Gefangenen in Begleitung von Albertz nach Frankfurt am Main, wo sie mit denen, die in westdeutschen Haftanstalten einsaßen, zusammengeführt und – wie von den Lorenz-Entführern verlangt – in den Südjemen ausgeflogen wurden. Albertz kehrte mit einer schriftlichen Stellungnahme der im Südjemen verbliebenen fünf Personen nach Westberlin zurück, die im Fernsehen verlesen wurde. Sie enthielt einen Code, um zu bestätigen, dass sich die fünf auch wirklich in Freiheit befanden.
Danach wurde Peter Lorenz in den Volkspark Wilmersdorf gebracht, von wo er sich aus einer Telefonzelle zurückmeldete. Die Mitglieder des Entführungskommandos konnten entkommen, wurden aber Jahre später verhaftet und zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Gleiches gilt für vier der freigepressten Gefangenen. Die fünfte Person, Ina Siepmann, starb 1982 vermutlich im Libanon. Da die Frist für die gesamte Aktion immerhin drei Tage betragen hatte, bestand Zeit für eine geregelte antagonistische Kooperation zwischen Entführern und Polizei, ohne dass es zu Blutvergießen kam.
Am 24. April 1975, gegen 11.30 Uhr, drangen sechs Mitglieder der RAF – fünf Männer und eine Frau – in die Botschaft der Bundesrepublik in Stockholm ein. Sie bezeichneten sich als „Kommando Holger Meins“ und nahmen zwölf Geiseln. Sofort besetzte schwedische Polizei das Erdgeschoss. Das Kommando forderte ihren Rückzug bis 14.00 Uhr, andernfalls werde eine Geisel erschossen. Im dritten Stock sei eine Sprengladung platziert. An die Regierung der Bundesrepublik wurde die Forderung gerichtet, 26 namentlich genannte Personen, darunter die in Stuttgart-Stammheim Inhaftierten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe, innerhalb von sechs Stunden freizulassen. Im Auswärtigen Amt in Bonn war zunächst ein Ministerialdirigent mit dem Fall befasst. Die schwedische Polizei teilte ihm mit, sie wolle im Erdgeschoss der Botschaft bleiben. Er billigte das und überließ ihr die Verantwortung für das weitere Vorgehen. Die von der Polizei aufgeworfene Frage nach der Exterritorialität der Botschaft beantwortete er damit, dass diese jetzt keine Bedeutung mehr habe.
Die Besetzer wiederholten ihre Aufforderung an das Einsatzkommando, die Botschaft zu verlassen, viermal und verlängerten auch die von ihnen gesetzte Frist. Als die Polizei im Haus blieb, erschossen sie den Militärattaché Andreas von Mirbach. Durch Zurufe hatte er die Sicherheitskräfte auf die ihm drohende Gefahr aufmerksam gemacht und sie aufgefordert, sich zurückzuziehen. Da der zuständige Kommissar keine Weisung aus den schwedischen und deutschen Ministerien erhalten hatte, reagierte er nicht.
Bei einem Telefonat mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme um 14.40 Uhr drängte Außenminister Hans-Dietrich Genscher darauf, dass die Forderung der Besetzer nach Abzug der Polizei erfüllt werde. Er revidierte damit die Entscheidung seines Ministerialdirigenten, ihr Handlungsvollmacht zu geben. Andreas von Mirbach wurde dadurch nicht mehr gerettet. Erst um 15.09 Uhr verließ das Einsatzkommando das Haus. In Bonn wurde nun ein Krisenstab eingerichtet, dem auch Politiker der sozialliberalen Koalition und wiederum Helmut Kohl sowie Franz Josef Strauß angehörten.
Bei Telefonaten mit dem schwedischen Ministerpräsidenten lehnte Helmut Schmidt Verhandlungen mit den Geiselnehmern ab und überließ das weitere Vorgehen der Polizei in Stockholm. Olof Palme stimmte zu, fragte aber an, ob ein flexibleres Vorgehen denkbar sei. Aus der Bundesrepublik wurden Beamte nach Stockholm entsandt. Der schwedische Justizminister sollte als Kontaktperson zu den Geiselnehmern fungieren.
Als um 20.00 Uhr das Ultimatum ablief, erklärte Helmut Schmidt vor dem Krisenstab: „Meine Herren, mein ganzer Instinkt sagt mir, dass wir hier nicht nachgeben dürfen.“ Um 20.51 Uhr teilte der schwedische Justizminister den Geiselnehmern mit, dass ihre Forderungen von der Regierung in Bonn abgelehnt worden seien. Die Mitglieder des „Kommandos Holger Meins“ hatten damit nicht gerechnet. Sie drohten damit, jede Stunde eine Geisel zu erschießen, wenn ihrer Forderung nach Befreiung der RAF-Gefangenen nicht doch noch nachgegeben werde. In einem Telefonat um 21.45 Uhr teilte Olof Palme Helmut Schmidt den Eindruck mit, dass die Geiselnehmer „sehr unruhig geworden seien, als sie von dem Beschluss der Bundesregierung gehört hätten“. Der Kanzler antwortete, die Bundesregierung halte an ihrem Beschluss „unter allen Umständen fest“. Um 22.20 Uhr erschossen die Geiselnehmer den Handelsattaché Heinz Hillegaart.
Zweimal „lebenslänglich“
Die Einsicht, dass sie vollständig gescheitert waren, setzte anschließend ein. Sie ließen drei weibliche Geiseln frei und nahmen keine Erschießungen mehr vor. Für den Fall, dass die Polizei stürmen werde, wollten sie den Sprengsatz im dritten Stock zur Detonation bringen.
Auch dazu kam es nicht mehr. Die Ladung ging um 23.47 Uhr ohne Zutun des Kommandos hoch. Die Ursache ist bis heute nicht geklärt. Später behaupteten überlebende RAF-Mitglieder, Urheber sei die Polizei gewesen. Eine andere Version lautet, einer der Geiselnehmer sei über einen Draht gestolpert und dadurch die Ladung explodiert. Mehrere Geiseln und RAF-Mitglieder wurden schwer verletzt. Ulrich Wessel vom „Kommando Holger Meins“ starb noch in Stockholm, Siegfried Hausner nach seiner Auslieferung im Krankenrevier von Stuttgart-Stammheim. Geiselnehmer und Geiseln verließen das schwer beschädigte Gebäude.
Einen Tag später sagte Kanzler Schmidt dem Spiegel, die Geiselnehmer seien „völlig fassungslos“ gewesen, „als der schwedische Justizminister ihnen am Telefon mitteilte, Bonn habe ihre sogenannten Forderungen abgelehnt und ab sofort hätten sie es nur noch mit der schwedischen Regierung zu tun. So war es verabredet, so geschah es. Denen musste doch mal gezeigt werden, dass es einen Willen gibt, der stärker ist als ihrer.“ Die vier überlebenden Mitglieder des „Kommandos Holger Meins“ wurden 1977 zu zweimal „lebenslänglich“ verurteilt.