„In dieser Form exportiert Russland letztlich doch zusammenführen Teil seines Erdgases nachher Europa“

„In dieser Form exportiert Russland letztlich doch zusammenführen Teil seines Erdgases nachher Europa“

Die EU will Importe von Stickstoffdünger aus Russland und Weißrussland mit Zöllen belegen. Dem norwegischen Konzern Yara – einem führenden Hersteller von Ammoniak und Mineraldünger – geht das nicht schnell genug. Deutschlandchef Marco Fleischmann sagt, warum das so ist.

Russland ist der führende Exporteur von Stickstoffdünger – und nach wie vor das wichtigste Exportland für die Europäische Union und für Deutschland. Stickstoffdünger basiert auf der Chemikalie Ammoniak, die wiederum mithilfe von Erdgas hergestellt wird. Wichtig ist dabei vor allem der im Erdgas enthaltene Wasserstoff. Wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022 kann Russland nur noch wenig Erdgas nach Europa exportieren, zumeist in Form von tiefgekühltem, verflüssigtem Erdgas (LNG). Da Russland aber die weltweit größten Erdgasreserven besitzt, produzieren das Land und sein Alliierter Weißrussland verstärkt billigen Stickstoffdünger für den europäischen Markt.

Die EU hat das Risiko erkannt und erhebt vom Sommer an Zölle auf russischen und weißrussischen Stickstoffdünger. Der norwegische Konzern Yara hält die Einführung und Steigerung dieser Zölle für zu langsam. Yara ist einer der weltweit führenden Hersteller von Ammoniak und Stickstoffdünger, in Deutschland produziert das Unternehmen Ammoniak in Brunsbüttel und Stickstoffdünger nahe Rostock. Marco Fleischmann, Deutschlandchef von Yara, sagte WELT, warum der Konzern auf einen schnelleren Anstieg der Zölle drängt.

WELT: Herr Fleischmann, welche Rolle spielt Yara am deutschen und internationalen Markt für Mineraldünger?

Marco Fleischmann: Wir sind ein international führender Hersteller von Ammoniak und Stickstoffdünger. Yara ist in 160 Ländern vertreten und betreibt international rund 60 Verkaufsstellen.

WELT: Wie groß ist Ihre Stickstoffproduktion in Deutschland?

Fleischmann: In Rostock produzieren wir bis zu 1,8 Millionen Tonnen Stickstoffdünger im Jahr, wir können von dort aus einen wesentlichen Teil des deutschen Bedarfs decken. Das Werk ist aber grundsätzlich auch für andere europäischen Märkte ausgelegt.

WELT: Die EU will Zölle auf Stickstoffdünger aus Russland und Weißrussland erheben. Wie sollen sich diese Zölle entwickeln?

Fleischmann: Beginnend mit 40 Euro je Tonne Stickstoffdünger zum 1. Juli 2025 und 60 Euro zum 1. Juli 2026, sollen die Zölle schrittweise auf 315 Euro je Tonne bis zum 1. Juli 2028 steigen.

WELT: Damit ist die EU ja auf dem richtigen Weg, um den europäischen Markt beim Stickstoffdünger gegen Dumpingpreise aus Russland und Weißrussland zu schützen. Aktuell kostet die Tonne Stickstoffdünger aus Russland etwa 450 Euro.

Fleischmann: Grundsätzlich ja, aber die Zölle müssten deutlich schneller steigen, und zwar in halbjährlichen Schritten. Wir haben zum Beispiel jetzt schon das Problem, dass wir unser Chemiewerk in Rostock beim Stickstoff wegen der Billigprodukte aus Russland und Weißrussland nicht mehr voll auslasten können. Das Werk ist aber auf eine Vollauslastung ausgelegt. Wir müssen uns darüber klar werden: In Form von Stickstoffdünger, der ja letztlich auf der Umwandlung von Erdgas basiert, exportiert Russland an allen Sanktionsmechanismen vorbei letztlich doch noch einen wesentlichen Teil seines Erdgases nach Europa. Allein die zehnprozentige Exportsteuer für Stickstoffdünger bringt der russischen Kriegswirtschaft etwa 600 Millionen Euro Einnahmen im Jahr. Und dieser Export beschädigt obendrein in Europa das zuvor gut diversifizierte Marktgefüge für die Eigenerzeugung und den Import von Stickstoffdünger.

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WELT: Könnte sich Europa relativ schnell komplett selbst mit Stickstoffdünger versorgen?

Fleischmann: Die Europäische Union war immer auch auf Importe von Stickstoffdünger angewiesen. Etwa 65 bis 80 Prozent des Bedarfs werden derzeit in der EU selbst hergestellt, der Rest wird vornehmlich aus Ägypten, Algerien und eben aus Russland und Weißrussland importiert.

WELT: Ägypten und Algerien besitzen große Erdgasvorkommen, ähnlich wie Russland, um eine eigene Exportindustrie für Stickstoffdünger zu betreiben.

Fleischmann: Europa könnte kurzfristig auf die Importe aus Russland und Weißrussland durchaus verzichten. Bei diesem Thema geht es aber vor allem auch um die langfristige Versorgungssicherheit. Je stärker unsere eigene Herstellung in Europa durch russische Dumpingpreise unter Druck gerät und möglicherweise auch Werke aufgeben muss, desto abhängiger wird Europa künftig von Importen sein – und dann im Zweifel auch wieder von Russland. Im Jahr 2022 haben wir wegen der damals nach dem Beginn des Ukrainekrieges stark gestiegenen Erdgaspreise bereits eine Düngemittelproduktion in Belgien geschlossen. Wir wollen nicht, dass sich Europa von den internationalen Märkten abkoppelt. Aber die EU muss – auch mit Hilfe höherer Zölle – beim Stickstoffdünger zurück zu einem stabilen Markt wie vor dem Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022 kommen. Die Eigenerzeugung an Harnstoff und Stickstoffdünger in der EU ist seit dem Beginn des Krieges deutlich gesunken.

WELT: Warum hat die EU den Import von Stickstoffdünger aus Russland nicht schon bald nach Kriegsbeginn weitgehend eingestellt und andere Quellen ausgebaut?

Fleischmann: Das hatte verschiedene Gründe, unter anderem diesen: Russland hatte das „Getreideabkommen“ mit der Ukraine im ersten Kriegsjahr vor allem auch daran gekoppelt, dass Russland und Weißrussland weiterhin Stickstoffdünger in die EU exportieren dürfen, wenn Russland seinerseits den Export von ukrainischem Getreide durch das Schwarze Meer zulässt. Das Getreideabkommen gibt es seit 2023 nicht mehr, aber Russland und Weißrussland exportieren weiterhin Dünger.

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WELT: Könnten die landwirtschaftlichen Erzeugungskosten zu stark steigen, wenn die EU den Import von Stickstoffdünger aus Russland und Weißrussland kurzfristig komplett verbieten würde?

Fleischmann: Ein Importverbot kommt vor allem deshalb nicht zustande, weil sich die EU-Mitgliedstaaten nicht darauf verständigen können. Das ist in diesem Fall ähnlich wie bei vielen anderen vorangegangenen Debatten – vor allem Ungarn und die Slowakische Republik vertreten dabei eher russlandfreundliche Positionen. Aber auch Italien und Frankreich sind wegen ihrer jeweils großen Agrarwirtschaft gegen eine restriktivere Politik beim Import von Stickstoffdüngern. Andere EU-Staaten wie etwa Schweden sind hingegen sehr aufgeschlossen dafür, Billigimporte von Stickstoffdünger aus Russland und Weißrussland einzudämmen oder sie zu stoppen.

WELT: Wie stehen die Landwirtschaftsverbände aus Ihrer Sicht zu den Importzöllen für Stickstoffdünger? Üblicherweise reagieren diese in Europa sehr einflussreichen Verbände sehr kritisch auf alles, was die Kosten der Landwirte erhöht.

Fleischmann: Mein Eindruck in den vergangenen Monaten war, dass die Landwirtschaftsverbände die Billigimporte von Stickstoffdünger aus Russland und Weißrussland so kritisch sehen wie wir, weil sie auch die langfristig schädlichen Folgewirkungen dieser Dumpingpreise realisieren. Wir glauben übrigens, dass sich höhere Importzölle für Russland und Weißrussland über den gesamten Markt in der EU hin so ausgleichen lassen, dass bei den landwirtschaftlichen Produkten keine wesentlichen Preissteigerungen ankommen.

WELT: Sehen Sie bei der wachsenden Konfrontation zwischen der EU und den USA mit der neuen Administration von Präsident Donald Trump direkt oder indirekt auch Auswirkungen auf den Markt für Stickstoffdünger?

Fleischmann: Wir sehen mit Blick darauf jedenfalls auch, dass der Druck zur strategischen Autonomie in Europa bei vielen Produkten und Technologien sehr schnell weiter steigt. Das gilt natürlich auch für eine langfristig sichere Versorgung mit Stickstoffdünger, denn der Dünger ist eine wesentliche Grundlage unserer Landwirtschaft und damit auch für unsere Lebensmittelindustrie.

Der Agrarökonom Marco Fleischmann, 44, ist beim norwegischen Chemiekonzern Yara seit Ende 2022 zuständig für die Märkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten unter anderem über die Energiewirtschaft und die Grundstoffindustrie.

Source: welt.de

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