„In Deutschland ist selbige Definition von Demokratie erschlagen“, urteilt Bohlen

In einem „exklusiven Klartext-Interview“ rügt Dieter Bohlen den Umgang mit Russland. Die Ukraine sei „zum Scheitern verurteilt“. Auch mit der fehlenden Wirtschaftskompetenz der hiesigen Politik und der Ausgrenzung der AfD rechnet er ab. Lob findet er dagegen für Donald Trump.

Als Mann der differenzierten Analyse dürfte er nie gegolten haben. In einem Interview mit dem YouTube-Kanal „Kettner-Edelmetalle (Gold & Silber)“ rechnet Dieter Bohlen nun in besonders rabiater Weise mit der deutschen Politik, dem Sozialstaat, der hiesigen Leistungsbereitschaft, dem Umgang mit der AfD und dem Verhältnis zu Russland ab. Immerhin nehme er aus „seinen ganzen Erfahrungen“, die er „weltweit“ mache, eine Menge mit. Im Gegensatz zu jenen, die sich über die „Tagesschau“ oder Dokumentationen informierten, erlebe er „alles, wie es wirklich ist“, rühmte er seinen objektiven Blick auf die Welt.

Das Ausland blicke „extrem enttäuscht“ auf Deutschland, wie er feststellen musste. Annalena Baerbock habe „nur verbrannte Erde“ hinterlassen und den Staat etwa bei Reisen nach China wie eine „alte Kolonialmacht“ verkauft. Bohlen schilderte die Amtsführung der Grünen-Politikerin, als handele es sich um geschäftsschädigendes Verhalten. „Wenn du jemandem ins Gesicht scheißt, kannst du ja nicht erwarten von dem, dass er danach sagt, ich liebe dich“, erklärte der „Pop-Titan“, aber es seien „eben alles keine Business-Leute“ in der Politik.

„Wenn die Vermögenssteuer kommt, bin ich in sechs Stunden weg“

Bei deutschen Politikern fehle das wirtschaftliche Empfinden, während es bei Donald Trump „par excellence“ ausgeprägt sei. Er sei zwar ein „absoluter Egoist“, führe aber auch „tausende von Firmen“. „Eigentlich ist er völlig einfach einzuschätzen“, beurteilte Bohlen den US-Präsidenten. „Der will immer das Beste für sich und Amerika.“

Ökonomischen Sachverstand machte er in Deutschland hingegen nur in der Vergangenheit aus. Unter Ludwig Erhard und Gerhard Schröder hätte noch das Leistungsprinzip gegolten. „Wir müssen alle anpacken. Wir müssen arbeiten wie die Galeerensträflinge“, sei die damalige Devise gewesen.

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„Unser Sozialstaat ist natürlich jenseits von Gut und Böse. Sowas gibt es, glaube ich, auf keinem Planeten“, beanstandete Bohlen das hiesige Sozialsystem. Zudem beschwerte er sich über die „Zwangsabgabe“ für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie die üppigen Steuerzahlungen, die er geleistet und für die er nie ein „Danke“ erhalten habe. „Wenn wirklich die Vermögenssteuer kommt, dann bin ich in sechs Stunden weg“, warnte der Pop-Musiker.

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Politisch plädierte er für ein Ende der schwarz-roten Bundesregierung. „Die fairste Geschichte wären Neuwahlen.“ Er störe sich an dem Brandmauer-Konzept, die seiner „Auffassung von Demokratie“ widerspreche. Seiner Meinung nach müssten freie Wahlen stattfinden, nach denen alle Parteien miteinander sprächen. „In Deutschland ist diese Definition von Demokratie ein bisschen abgeschafft, weil man sagt zu den Leuten, die 26 Prozent im Moment haben, ihr dürft nicht mitmachen.“ Statt die AfD als „Faschisten“ zu schmähen, sollten sich die anderen Parteien „argumentativ, sachlich“ mit ihr auseinandersetzen. Er selbst sei im Übrigen „kein Freund der AfD“, selbst wenn sich die „linken Journalisten“ bereits die Hände rieben, wenn sie ihm zuhörten.

„Alles war Friede, Freude, Eierkuchen – na gut, Friede nicht“

„Wirtschaftlich ist alles scheiße“, gibt sich Bohlen überzeugt. Das hänge auch mit der russischen Invasion der Ukraine zusammen, wobei er sich mit allzu großer Russland-Schelte zurückhielt. Bereits vor knapp drei Jahren hatte er sich kritisch zu den Waffenlieferungen an den überfallenen Staat geäußert: „Mit Gewalt, damit, immer noch mehr Panzer hinzuschicken, schafft man diesen Krieg nicht aus der Welt.“ Damals habe er gedacht, dafür „geköpft“ zu werden, schilderte er. Bei „Kettner-Edelmetalle“ ging er aber nun noch weiter: „Wie soll das denn weitergehen? Das kann doch nicht sein, dass die Leute wirklich glauben, dass die Ukraine da gewinnt“, insistierte er. „Das ist alles zum Scheitern verurteilt.“

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„Eigentlich waren Russland und Deutschland ein Dream-Team, weil wir haben die Energie billig gekriegt, uns ging es super gut. Alles war Friede, Freude, Eierkuchen – na gut, Friede nicht“, erinnerte sich Bohlen.

Ökonomisch hätten die beiden Staaten wie seine frühere Band Modern Talking funktioniert. Aus moralischen Gründen sei das Bündnis aber aufgegeben worden. „Die wollen nicht mit ihm reden, aber reden mit anderen Leuten, die viel schlimmer sind“, erklärte er mit Blick auf den Umgang mit Wladimir Putin. Und Deutschland kaufe Energie, die über Umwege doch aus Russland komme – für den dreifachen Preis.

Bohlen „spricht das Offensichtliche aus“, sagt die Bloggerin von russischer Propaganda

Insbesondere bei Vertretern der Neuen Rechten wie dem früheren Spiegel-Journalisten Matthias Matussek fand Bohlens Haltung folgerichtig Anklang. Die Bloggerin Alina Lipp, die aus den besetzten Gebieten der Ukraine prorussiche Propaganda verbreitet und deswegen auf der Sanktionsliste des Europäischen Rats gegen Russland steht, lobte den „Pop-Titan“ ausgelassen. „Der Musiker spricht das Offensichtliche aus“, schrieb sie auf der Plattform X. „Der Konflikt in der Ukraine ist zum Scheitern verurteilt, Deutschland ist wirtschaftlich kollabiert, und das Bündnis zwischen SPD und CDU hat sich längst in einen politischen Sumpf verwandelt.“

Was Bohlen zu den deutsch-russischen Beziehungen ausspreche, dürften Deutsche „schon lange nicht mehr denken“, behauptete Lipp. „Die deutschen Politiker haben den Sinn für die Realität verloren und die Wirtschaft nicht mehr verstanden. Mit Russland hatte Deutschland alles – Frieden, Wachstum, billige Energie“, führte sie weiter aus. „Jetzt zahlt das Land für den Verrat an seinen eigenen Interessen, und die Behörden tun so, als ob alles nach Plan liefe.“

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Mit Bohlen ins Gericht gingen unterdessen kaum namhafte Kritiker. Die FAZ sprach von einem „spätpubertären Countertenor“, der sich zu einem „katastrophensüchtigen Goldhändler“ gesetzt habe, um dort seinen „Besiegtenstolz“ auszupacken. Schon immer habe sich der Musiker „an der Spitze des mülligen Fortschritts“ befunden. Es sei „also keine Überraschung, dass er sich heute im kapitalstarken Milieu der Shitverkäufer“ wiederfinde. „Das Antideutsche ist inzwischen zum Verkaufsschlager geworden“, beklagt Redakteur Simon Strauß. „BSW und AfD, Nius und ‚Berliner Zeitung‘, Bohlen und Böhmermann, alle überbieten sich darin, Querfronten der Abfälligkeiten zu bilden.“

Der „Crashprophet“ hinter dem Bohlen-Gespräch

Als einigermaßen dubios dürfte auch der Veranstalter des Interviews durchgehen. Für den YouTube-Kanal „Kettner-Edelmetalle (Gold & Silber)“ von Dominik Kettner diente das Gespräch auch als Marketing für ein kommendes Webinar, für das dieser etwa den früheren ZDF-Moderator Peter Hahne oder die adlige Unternehmerin Gloria von Thurn und Taxis gewinnen konnte. In dem Seminar solle laut Kettner „finanzielle Selbstverteidigung“ gelehrt werden. Dieter Bohlen wird auf der Webseite als „Stargast“ angekündigt.

Dominik Kettner wird in zahlreichen Medienberichten als „Crashprophet“ tituliert. Laut einem Artikel der „Frankfurter Rundschau“ prognostiziere dieser den baldigen Untergang des wirtschaftlichen Systems und empfehle deswegen Gold als Anlage, was er selbst als Gold- und Edelmetallhändler wiederum anbiete. Er veranstalte „regelmäßig derartige Webinare, die zum einen vor dem Ende der Welt warnen und zum anderen seinen Goldshop bewerben“.

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Kettner komme mit der Realität nicht zurecht, konstatierte wiederum das „Handelsblatt“. „Deshalb hat er sich seine eigene geschaffen, inklusive Verschwörungstheorien von der elitären Weltregierung, ein Königreich der Angst, wie es viele der so genannten Crashpropheten errichten, Menschen, deren Geschäftsmodell es ist, jahrelang einen Zusammenbruch anzukündigen, der dann doch nicht kommt.“

Source: welt.de

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