Es hatte verschiedene Frühindikatoren gegeben, jetzt ist es amtlich: Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind im zweiten Quartal nicht weiter gefallen. Sicherlich dazu beigetragen haben dürften die Hypothekenzinsen, deren Anstieg zunächst den Hauspreisverfall eingeleitet hatte, und deren Sinken nun die Stabilisierung der Preise begünstigt. Die ersten Banken melden schließlich wieder Zinsen für Baudarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung unter günstigen Umständen von weniger als drei Prozent im Jahr.
Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mitteilte, sind die Preise für Wohnimmobilien nach dem amtlichen Häuserpreisindex im zweiten Quartal gegenüber dem ersten um 1,3 Prozent gestiegen. Dies war der erste Anstieg von Quartal zu Quartal seit dem zweiten Quartal 2022. Gegenüber dem Vorjahresquartal stand allerdings wegen des starken Preisverfalls in der Vergangenheit noch ein Rückgang um 2,6 Prozent zu Buche.
„Ich sehe tatsächlich eine Trendwende und rechne zukünftig wieder mit Preissteigerungen im Markt“, kommentierte Michael Voigtländer, Immobilienfachmann des Instituts der deutschen Wirtschaft, kurz IW, in Köln: „Getrieben werden die Preise dabei zum einen von der deutlich stärkeren Mietdynamik – die sich angesichts fallender Baufertigstellungen noch verstärken wird – sowie durch die Aussicht auf mittelfristig fallende Zinsen.“
Je nach Region gibt es allerdings Unterschiede, berichtet das Bundesamt weiter. So seien die Preise für Wohnungen in den sieben größten deutschen Städten – Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf – gegenüber dem ersten Quartal um durchschnittlich 1,6 Prozent gestiegen. In den sonstigen kreisfreien Großstädten habe der Preisanstieg nur bei 1,4 Prozent gelegen. Und in dünner besiedelten, ländlichen Regionen habe es sogar einen weiteren Preisrückgang gegeben, und zwar um durchaus beachtliche 3 Prozent.
Auch andere Daten deuten auf eine Stabilisierung hin
„Der Tiefpunkt ist wohl durchschritten“, schreibt Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank, auf dem Kurznachrichtendienst „X“. Er verweist auch auf andere Datenquellen, die zuletzt auf ein Ende des Hauspreisverfalls hingedeutet haben. Dazu gehört die Preisstatistik der Kreditplattform Europace, aber auch die Zahlen des Verbands deutscher Pfandbriefbanken. Der Verband hatte für das zweiten Quartal einen Anstieg der Preise gegenüber dem Vorquartal um 0,5 Prozent gemeldet: „Die knapp zweijährige Abwärtsentwicklung wurde im zweiten Quartal aufgehalten.“ Europace hatte für seinen Hauspreisindex EPX auch schon für den August noch mal einen leichten Preisanstieg um 0,13 Prozent vermeldet. Die Preise für bestehende Wohnungen seien ganz leicht gestiegen, die für Ein- und Zweifamilienhäuser aus dem Bestand sogar etwas deutlicher – hingegen seien die Preise für neue Häuser noch mal zurückgegangen.
Auch bei der Baufinanzierung gibt es nach Einschätzung des Pfandbriefbankenverbands eine Trendwende. „Erstmals seit Herbst 2022 liegt das Immobilienfinanzierungsvolumen in einem Quartal wieder oberhalb von 31 Milliarden Euro“, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Schon im Auftaktquartal dieses Jahres habe sich eine Belebung in der Immobilienfinanzierung angedeutet, nun verfestige sie sich. „Auch unsere Indexzahlen zur Preisentwicklung signalisieren ein Auslaufen der zweijährigen Abschwungphase am deutschen Immobilienmarkt“, sagte Tolckmitt: „Insbesondere der Wohnimmobilienmarkt profitiert vom inzwischen stabileren Zins- und Preisumfeld und den angepassten Renditen.“ Bei diesen Rahmenbedingungen nehme die Nachfrage nach Wohneigentum spürbar zu. Das wachsende Finanzierungsvolumen spiegele diese Entwicklung.
In der Immobilienbranche wollen viele die neuerliche Trendwende noch nicht so richtig wahrhaben – so wie zu Beginn des Hauspreisverfalls viele sich nach Jahren des Preisanstiegs nicht vorstellen konnten, dass es nun auf mal abwärts geht.
Aber selbst die Commerzbank, die lange auf das weitere Potential für eine Preiskorrektur hingewiesen hatte, scheint beigedreht zu haben. „Bisher waren wir davon ausgegangen, dass die Preise bis Ende des Jahres noch etwas fallen würden“, schreibt Commerzbank-Ökonom Marco Wagner in einer Studie: „Denn nach wie vor sind Immobilien basierend auf Modellschätzungen und Relationen zu volkswirtschaftlichen Fundamentaldaten rund 5 bis 10 Prozent überbewertet.“ Nun sei aber zu beobachten, dass zumindest die Preise für Bestandsimmobilien seit Jahresbeginn wieder leicht gestiegen seien.
Ein Immobilienboom ist jetzt nicht zu erwarten
„Offenbar erleben wir nicht nur beim Regieren, sondern auch auf dem Wohnungsmarkt einen ,Übergang’“, kommentierte Reiner Braun, der Vorstandsvorsitzende des Immobilieninstituts Empirica, die Entwicklung. Seit gut zwei Jahren gebe es ein Tauziehen: Auf der einen Seite stünden die gestiegenen Zinsen, die gleichsam die Preise drücken wollten. Auf der anderen Seite gebe es eine hohe Knappheit an Wohnungen, die die Preise treiben wolle. „Jetzt sind die Zinsen leicht gefallen und die Knappheit hat weiter zugenommen“, sagte Braun: „Ergo ist eine Trendwende möglich.“
Es gebe aber einen weiteren Effekt: Die Einkommen seien gestiegen. Dadurch habe jetzt nicht nur der Bedarf, sondern auch die Nachfrage, also gleichsam ein mit Kaufkraft ausgestatteter Bedarf, zugelegt. „Womöglich ist die Einkommensentwicklung sogar wichtiger als die Zins- oder Kostenentwicklung“, meinte Braun. Es sei in den vergangenen Zyklen immer so gewesen, dass Wohnen dadurch wieder bezahlbar geworden sei, dass die Einkommen gestiegen seien. Leider gelte für Kaufinteressierte ja die alte Regel: „Man kauft entweder bei zu hohen Zinsen – oder bei zu hohen Preisen“. Einen Ausweg aus diesem Dilemma gebe es nur über höhere Einkommen, die dann ihrerseits für ein günstigeres Preis-Einkommens-Verhältnis sorgten.
Ganz genau weiß aber natürlich niemand, ob es in den nächsten Quartalen nicht auch wieder mal zu einem Rückgang der Preise kommt. Mit einem regelrechten Immobilienboom in Deutschland rechnet derzeit angesichts der wirtschaftlichen Gesamtlage wohl kaum jemand. Einen solch rasanten Anstieg der Hauspreise wie in der Negativzinszeit dürfte es jedenfalls so schnell nicht wieder geben. Vielleicht gebe es zunächst eher so eine Art Seitwärtsbewegung der Preise, mit starken Unterschieden nach Region und Lage, meinen manche Fachleute. Für die längere Frist hat die Postbank für einzelne Landkreise und Städte eine Prognose bis 2035 abgegeben (siehe Grafik).
„Steigende Umsätze am Immobilienmarkt sprechen dafür, dass wir aktuell eine Stabilisierung der Preise erleben, die von Dauer ist“, kommentierte Ökonom Martin Güth von der Landesbank Baden-Württemberg die Entwicklung. Im Gesamtjahr 2023 waren die Immobilienpreise um 8,5 Prozent eingebrochen und damit so stark wie noch nie seit Beginn der entsprechenden Statistik im Jahr 2000.