Immobilienkrimi: Milliardärsstreit um Benkos Bauruine

Ein Filetstück mitten in der Münchner Innenstadt, um das eine Milliardärsfamilie und ein verschwiegener Investor buhlen, entwickelt sich in diesen Tagen zu einem Immobilienkrimi. Wie könnte es auch anders sein bei dieser Vorgeschichte: Das Objekt der Begierde, die Alte Akademie und das dazugehörige Grundstück des denkmalgeschützten ehemaligen Jesuitenklosters, ist eines der besten in der Lage. Bisher ist es mit einem auf 65 Jahre begrenzten Erbbaurecht an die insolvente Tochterfirma des inzwischen inhaftierten Immobilienmoguls René Benko vergeben. Und da fangen die Schwierigkeiten an.

Die Alte Akademie gehörte bis 2013 dem Freistaat, dann vergab sie Markus Söder (CSU), damals noch Finanzminister, für 230 Millionen Euro an Benkos Signa-Gruppe, die auf dem 6500 Quadratmeter großen Areal in der Fußgängerzone einen Gebäudekomplex mit Einzelhandel, Büros, Wohnungen und Gastronomie errichten wollte. Vor zwei Jahren, als der gesamte Signa-Konzern kollabierte, wurde die Baustelle stillgelegt. Für die Bauruine suchte daraufhin der Insolvenzverwalter einen Käufer – und fand ihn in der milliardenschweren Thiele-Familienstiftung. In der Stiftung steckt das Vermögen des 2021 verstorbenen Unternehmers Heinz Hermann Thiele, der die Knorr-Bremse AG zu einem globalen Bremsenlieferanten für die Bahn- und Nutzfahrzeugindustrie gemacht hatte.

Grundstück und Erbbaurecht veräußert

Am Dienstagabend hat der Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags beschlossen, nicht nur das Grundstück an eine Tochterfirma der Thiele-Familienstiftung für 30 Millionen Euro zu veräußern, sondern auch das Erbbaurecht für die Alte Akademie für angeblich 149 Millionen Euro. Das klingt nach einem Schnäppchen, reicht aber offenbar den Gläubigern, darunter die Bayerische Landesbank, die Stadtsparkasse München und die Deutsche Pfandbriefbank, die Benko einst einen Kredit in dreistelliger Millionenhöhe gewährt haben. Sie dürften auch deshalb an einer schnellen Lösung interessiert sein, weil allein die Absicherung der Baustelle jeden Monat fast eine Million Euro verschlingt, da unter der Alten Akademie die Münchner S-Bahn verläuft. Zu dem Verkaufsprozess äußern wollen sie sich ebenso wenig wie der zuständige Insolvenzverwalter, der eine Geheimhaltungspflicht hat.

Dafür redet ein anderer, und zwar der Anwalt des Investors Erich Schwaiger, der ebenfalls am Kauf der Alten Akademie interessiert ist. Schwaiger hat ein Gebot abgegeben, das nach Angaben seines Anwalts Aribert Wolf insgesamt bei 195 Millionen und damit deutlich über dem der Thiele-Stiftung gelegen haben soll. Trotzdem kam Schwaiger nicht zum Zug. Wolf hat einen Verdacht: „Hier wird ein Filetgrundstück ohne öffentliche Ausschreibung einem Investor ‚zugeschustert‘“, sagte er der F.A.Z. „Das ist haushaltsrechtlich und europarechtlich unzulässig, und dagegen werden wir vorgehen.“ Wolf kündigte eine Klage wegen Verstoß gegen EU-Beihilferecht an.

Sein Mandant hat in der Immobilienbranche den Spitznamen „Phantom“, weil er so selten auftaucht. Seit Schwaiger aber im vergangenen Jahr zwei Immobilien in bester Innenstadtlage für jeweils mehr als 100 Millionen Euro erworben hat, ranken sich Gerüchte um ihn und seinen finanziellen Hintergrund: Von „Geldgebern aus dem arabischen Raum“ oder „Schweizer Finanzjongleuren“ wird hinter vorgehaltener Hand geraunt. Wolf, ein ehemaliger CSU-Oberbürgermeisterkandidat, dementierte auf Anfrage derlei Gerüchte: „In der Krise muss man gierig sein“, lautet das Motto von Herrn Schwaiger. In der Niedrigzinsphase der vergangenen 15 Jahre hat sich Herr Schwaiger zurückgehalten, jetzt ist die Krise da, und er zeigt sich auf dem Immobilienmarkt wieder als Käufer.“

Freistaat hat Vorwürfe rechtlich prüfen lassen

Den Abgeordneten im Bayrischen Landtag hatte Wolf schon Wochen vor der entscheidenden Sitzung des vergangenen Dienstags mitgeteilt, dass sein Mandant gerichtlich gegen einen „freihändigen Verkauf“ vorgehen werde. In dem Brief, der der F.A.Z. vorliegt, wird daran erinnert, dass seinerzeit das auf dem Grundstück liegende Erbbaurecht korrekterweise öffentlich ausgeschrieben worden war: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass jetzt der Verkauf des Volleigentums nicht öffentlich ausschreibungspflichtig sein soll.“ Beigefügt ist ein entsprechendes Gutachten des Fachanwalts für Vergaberecht, Bernhard Stolz.

Der Freistaat hat die Vorwürfe rechtlich durch die landeseigene Immobilienagentur (Imby) prüfen lassen. Danach sei der freihändige Verkauf ohne Ausschreibung zulässig, weil es Ausnahmeregeln gebe, etwa wegen des Erbbaurechts, das eine „allgemeine Nachfrage“ verhindere. Auch liege der von der Thiele-Stiftung gebotene Preis von 30 Millionen Euro über dem ermittelten Wertgutachten von 29 bis 29,5 Millionen Euro. Vom Vorwurf einer Begünstigung nach EU-Beihilferecht könne daher keine Rede sein.

Und auch die Thiele-Familienstiftung weist gegenüber der F.A.Z. jeden Verdacht zurück. Über ihr hauseigenes Immobilienunternehmen Opes teilte sie mit, dass der gesamte Verkaufsprozess ordentlich abgelaufen sei. Insbesondere „für das Erbbaurecht gab es unseres Wissens nur wenige Interessenten, und in einem Prozess des Insolvenzverwalters hat sich die Hammer AG durchgesetzt.“

Die Hammer AG ist Partner von Thieles Opes und soll den alten Benko-Plan umsetzen. Hinter der Gesellschaft steht der CSU-Stadtrat Hans Hammer, der seit vielen Jahren als Projektentwickler im Geschäft ist. Er vermietet auch Wohnungen in Toplagen, zum Beispiel eine Villa im Süden Münchens an Harry Kane, den Fußballstar des FC Bayern. Erkennbar bemüht sich die Thiele-Stiftung darum, in der Öffentlichkeit als ein „seriöser, solventer, verantwortlicher, langfristig orientierter und der Stadt verbundener Partner“ zu erscheinen, wie es in einer Mitteilung auf Anfrage der F.A.Z. heißt. Es sei „im Sinne Heinz Hermann Thieles, an dieser Stelle Verantwortung für München zu zeigen, das Objekt nach der langen Zeit des Stillstands fertig zu bauen“. Man wolle die Alte Akademie „langfristig“ im Portfolio und damit „als Spekulationsobjekt vom Markt“ nehmen“, wird versichert. Doch das letzte Wort dürfte das noch nicht sein.

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