Im Keller | Können Linke wirklich lustig sein? Übrig Kommunisten-Penisse und Antifa-Glühbirnen

Es heißt oft, vor allem aus rechtskonservativen Kreisen, Linke könnten nicht lustig sein. Als die Titanic-Redaktion im Herbst 2023 eine Rettungskampagne startete, sahen manche die zu „woke“ Ausrichtung des Hefts als Grund für die sinkende Auflage. „Woke“, mittlerweile bekanntlich ein rechter Kampfbegriff, meinte hier wohl: zu „politisch korrekt“, enthält nicht genug Witze über Frauen und andere Minderheiten, zu wenige N-Wörter.

Social-Media-Kommentare wie: „Jetzt seid ihr so politisch korrekt und gendert, was das Zeug hält. Ihr habt euch die Pleite redlich verdient“, häuften sich neben dem klassischen „Go woke, go broke“ und „Ich wichse, wenn ihr pleite seid“. Wie woke Titanic wirklich ist, steht dabei auf einem anderen Blatt. Vielen Linken ist sie nicht woke genug. Aber es nicht die Aufgabe von Satiremagazinen, es allen recht zu machen. Und das durchaus schon länger: Die Zeitschrift Pardon, aus der später Titanic hervorging, gründete sich 1962, das ostdeutsche Pendant Eulenspiegel existiert bereits seit 1954. Am Ende ging es gut aus: Die Kampagne brachte mehrere Tausend neue Abos, und 2029 feiert Titanic den 50. Geburtstag.

Doch zurück zum Thema: Linker Humor wird vor allem von Konservativen mit „Verbotskultur“ assoziiert. Durch das Wokeness-Diktat, dem sich junge Linke unterwerfen würden, werde bereits alles zerdacht, bevor überhaupt ein Witz entstehen könne. Wokeness blockiere Komik, weil Gendersternchen und die übertriebene Rücksichtnahme auf Marginalisierte einengen würden, so der Tenor. Und wenn trotz dieses allgegenwärtigen Wahnsinns doch mal eine Pointe zustande kommt, wird sie unterdrückt, zensiert, verboten. Bis sich gar niemand mehr traut, einen Witz zu machen.

Dass das nicht so ganz stimmen kann, merkt man in der Redaktion daran, dass Gendern immer noch ein beliebtes Thema für Einsendungen von Witzen ist. „Ah, wieder ein Hähnchen-Innenfilet!“, ruft der Redakteur, der sich um die unverlangten Manuskripte kümmern muss. Und beim Vorwurf der Zwanghaftigkeit fragt man sich: Trifft er nicht ebenso zu, wenn Didi Hallervorden in einer Wiederauflage des 50 Jahre alten „Palim-Palim“-Sketches das N-Wort einbringen muss, das im Original gar nicht vorkommt? Wenn Kabarettisten der Generation „Baujahr“ auf ihre Handvoll „verbotener“ Wörter pochen und diese immer wieder hervorkramen müssen, ist das nicht zwangsläufig komisch. Denn ein guter Witz braucht die Überrumpelung. Witze über Minderheiten und angebliche Sprechverbote sind häufig vorhersehbar, die Pointen wiederkehrend und reflexhaft.

Gute Komik muss Widersprüche aushalten

Laut dem Humorforscher und Psychologieprofessor Willibald Ruch hängen die Witzvorlieben von Menschen stark damit zusammen, wie gut sie mit Inkongruenz umgehen können. Gute Komik braucht die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten. Das gelingt in beiden Lagern unterschiedlich gut. Nicht Linkssein und Humor schließen sich aus, wie von Konservativen oft behauptet, sondern Humor und Dogmatismus. Diese Lustfeindlichkeit macht es dem Witz schwer, zu gelingen. Verbissenheit erstickt die Pointe. Dogmatische Linke tragen dazu bei, wenn sie Ironie ignorieren und jeden Witz auf eine vermeintliche Kernbotschaft abklopfen und reduzieren wollen. Etwa wenn sie sich beschweren, dass die Zeile „Hatte Hitler ADHS?“ psychisch Kranke diskriminiere. Verbissenheit und Humor gedeihen selten gut zusammen. Mit etwas Abstand lacht es sich leichter.

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Auch wenn es ernüchternd klingen mag: Abgesehen von ein paar Ausnahmen kann Satire das Weltgeschehen kaum beeinflussen. Sie kann es nur für einen Moment erträglicher machen, indem sie auf Widersprüche mit Komik reagiert. Das Lachen sorgt für Unterbrechung, die Möglichkeit, kurz in eine andere Realität zu gelangen.

Sämtlichen linken Denktraditionen, so verschieden sie auch sein mögen, ist gemein, dass sie die Verhältnisse ändern wollen. Dabei kann Komik so gut wie gar nicht behilflich sein, egal in welcher Form sie daherkommt. „Folgenlos war Satire schon immer, doch erst dank der audiovisuellen Medien hat diese Folgenlosigkeit eine neue Qualität erreicht“, sagte bereits der Titanic-Gründer Robert Gernhardt. Als Satirikerin finde ich, dass komplett humorlose linke Haltungen durchaus ihre Berechtigung haben. In Zeiten, in denen jede Versicherung, jeder CSU-Kreisverband, jede Online-Polizeiwache auf humorvolle Social-Media-Kanäle setzt, ist ein Verzicht auf Witze auch ein Beitrag zur Gegenkultur.

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Humor ist sozial erwünscht, wer keinen hat, gilt schnell als unsympathisch. Daher erfordert es auch Mut, zuzugeben, dass man mit Komik nichts anfangen kann. Eine Befragung unter Rettungsmediziner*innen zeigt, dass die Mehrheit von ihnen Humor in belastenden Situationen als essenziell für die eigene Resilienz einstuft. Trotz dieser Funktion trägt Satire kaum etwas zu den politischen Verhältnissen bei und kann Veränderungen im schlimmsten Fall verhindern, indem sie ablenkt. Das wiederum dürfte aus dogmatisch linker Sicht unerwünscht sein.

Wie Humor und Macht zusammenhängen

Aus soziologischer Sicht stellt sich die Frage, wie Humor und Macht zusammenhängen. Man könnte sogar fragen: Kann etwas, das von den Herrschaftsverhältnissen ablenkt, noch als links bezeichnet werden? Somit wäre es aus linker Perspektive schlüssig, Komik abzulehnen. Doch ein guter Witz kann Hierarchien hinterfragen. Er gibt Machtlosen die Möglichkeit, sich selbst zu ermächtigen. Wer über einen autoritären Herrscher lacht, stellt sich über ihn. Er kehrt die Verhältnisse also in seiner Vorstellung um, was nicht privilegierten Bevölkerungsgruppen oft kaum zugebilligt wird. Wenn die „Falschen“ lachen, können Mächtige dies als Provokation oder Gefahr sehen.

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So erging es dem türkischen Vizepräsidenten Bülent Arınç, der 2014 Frauen rügte, die in der Öffentlichkeit lachten. Das gehöre sich nicht. Als Reaktion darauf teilten Tausende von Frauen Bilder, auf denen sie lachten, in den sozialen Medien, versehen mit dem Hashtag #Direnkahkaha (Widerstandhahaha). Ein aktuelles Beispiel ist die US-amerikanische Late Show von Stephen Colbert, in der der amtierende US-Präsident Donald Trump mehrfach scharf kritisiert wurde. Im Mai nächsten Jahres wird der Sender CBS die seit 2015 bestehende Sendung einstellen.

Vermutet wird, dass der US-Präsident direkten Druck auf die Verantwortlichen ausgeübt habe. Trump selbst richtete sich jüngst auf seinem Netzwerk Truth Social an weitere – aus seiner Sicht unliebsame – Comedians wie Jimmy Kimmel und Jimmy Fallon, mit der Botschaft, dass sie die Nächsten seien. Talkshowmoderator Stephen Colbert verkündete daraufhin kampfeslustig: „Keine Rücksicht auf Verluste mehr.“ Die Bandbreite an Witzen über Donald Trump würde sich in den kommenden Monaten noch verschärfen, war also die Botschaft.

Humor von Frauen ist nicht automatisch sanfter

Und in Deutschland? Dass Deutsche keinen Humor haben, ist ein im Ausland beliebtes Klischee. Aber stimmt es auch? Die Besonderheit des deutschen Humors liegt vielleicht in der ernsteren Herangehensweise an das Komische. Was Komik darf, was die Wirkung von Satire ist und wo ihre Grenzen liegen, werden deutschsprachige Komiker*innen immer wieder gefragt.

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Das offenbart eine gewisse Grundhaltung: Satire muss nützlich sein, sonst hat sie keine Existenzberechtigung. Und sie soll Regeln folgen. Kriterien, die hierzulande an andere Kunstformen nicht angelegt werden. Selten erlebt, dass bei einem Gemälde oder einem Gedicht gefragt wird: „Aber hat das denn überhaupt eine Wirkung?“

Aus linker Perspektive ergibt es Sinn, der komischen Kunst einen Bildungsauftrag aufzuerlegen. Das linke Menschenbild sieht das Individuum grundsätzlich als veränderbar und lernfähig an, und der erste Schritt zur Revolution ist die Aufklärung. Nutzerstudien zeigen, dass linke Satireformate der Öffentlich-Rechtlichen vor allem von der jungen Zielgruppe tatsächlich zu Informationszwecken genutzt werden.

Unberechenbar und überraschend sollte ein Witz sein

Die journalistisch-investigative Herangehensweise in Kombination mit einer satirischen Aufbereitung macht Formate wie ZDF Magazin Royale zum Quotenhit, vor allem bei der jüngeren Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren. Vielleicht steht dem ein wachsender Wunsch nach „gerechtem“ Witz beim linken Publikum gegenüber. Dabei soll im Idealfall aufgeklärt, ein Schuldiger benannt und „der Richtige“ getroffen werden – von Die Anstalt bis zur heute-show, nach diesem Prinzip funktionieren auch andere öffentlich-rechtliche Satireformate.

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Ob es typisch weiblichen Humor gebe, werde ich oft in Interviews gefragt. Der Humor von Frauen unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom männlichen, ist also nicht automatisch sanfter oder selbstironischer, wie oft behauptet. Klar, wenn ich als weiblich gelesener Mensch häufiger Werbung für feministische Hygieneprodukte in den sozialen Medien präsentiert bekomme, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mir dazu ein Witz einfällt. Ich beobachte eher, dass Witze, die besonders stark an gesellschaftlichen Tabus rütteln, häufiger von Frauen stammen. Die eigene Perspektive beeinflusst hier natürlich auch die Themenwahl.

Fazit: Linker Humor wirkt oft verkopft und anspruchsvoll, da er auf Aufklärung zielt. Er greift jedoch häufiger zu Ungewöhnlichem. Konservative Witze konzentrieren sich dagegen stark auf wiederkehrende, meist antiwoke Themen. Linke Komik deckt ein breiteres Spektrum ab – inhaltlich wie formal – und bleibt dadurch oft unberechenbarer. Guter Humor lebt eben von der Überraschung.

Illustrationen: Johanna Goldmann und Kristina Wedel für der Freitag

Julia Mateus, 1984 geboren, ist Autorin und Satirikerin. Im Jahr 2022 wurde sie als erste Frau Chefredakteurin der Satirezeitschrift Titanic

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