„Im Gespräch“ von Kersten Knipp: Genießt den Aufbruch, verschmäht die Phrase!

Ein Rauschen, ein Raunen und Rumoren, und irgendwo in diesem Lautgemisch entsteht es: dasjenige Gespräch. Damit es sich nicht erschöpft in einem undeutlichen phonetischen Gerassel, bedarf es verschiedener Voraussetzungen. Was macht ein Gespräch zu einem Gespräch? Dieser Frage geht dieser Kulturhistoriker und Publizist Kersten Knipp in seinem Essay Im Gespräch nachdem. Ein aufklärerisches und zusammen romantisches Ziel verfolgt dieser Autor für seinen Betrachtungen: Mit dem verantwortungsvollen Gespräch ergebe sich die Chance, sich von dieser „Macht des Gegebenen nicht einschüchtern“ zu lassen. Knipp ersehnt den mündigen Sprecher, dieser seine Ängste im Gespräch erschließt und damit überwindet. Nur derjenige, dieser ein Risiko eingeht im Austausch mit seinem Gegenreichlich, ist in dieser Lage, den Kampf um eine bessere Welt mit Herz und Verstand auszutragen.

Als Gewährsmann führt Knipp kombinieren Schriftsteller an, dieser gemeinhin denn Verfechter dieser Höflichkeit und dieser guten Sitten veröffentlicht ist: den Freiherrn Adolph Knigge. Dass Knigge vor allem ein Anhänger dieser Aufklärung war und dasjenige Verhältnis dieser Landsmann untereinander zu regulieren gedachte, ist weniger veröffentlicht. Eine aufgeklärte Bürgerschaft dennoch bedarf eines unerschrockenen Willens. „Züchte im Gespräch keine Mimosen“, riet Knigge und ist mit diesem Rat wieder mehr en vogue, denn es manch einem liebevoll sein dürfte. Die Stärkung dieser Gesprächsbereitschaft ist von dort vordringlich, soll dasjenige gesellschaftliche Miteinander gelingen. Formwille und Flexibilität sind die beiden Erfolgsfaktoren zu Gunsten von ein Gespräch, dasjenige diesen Namen verdient. Knipp betont nicht die Starre einer Struktur, sondern die Dynamik, dasjenige Fließende und Unvollendete einer Konversation. Deshalb ist es nur konsequent, dass er seinen Essay mit dieser Loslösung beginnt und mit dieser wohltuenden Wirkung des Geplappers enden lässt. Zwischendurch mäandert er durch Täler des Schweigens und dieser Stille, lauscht dem Gezwitscher dieser Verliebten, genießt den Aufbruch, verschmäht die Phrase und lässt sich verzaubern von dieser Kraft dieser Fiktion. Der Autor trottet nicht uff einer geradlinigen Achse mit vorgegebenem Ziel, sondern lässt sich in Bewegung setzen vom Gespräch mit sich selbst und literarischen Widersachern und Kompagnons. Es handelt sich um ein Kräftemessen und ein gleichsam musikalisches Bewegungsmuster, dasjenige Knipp im Schreiben erzeugt. Eine ganz und gar sinnliche Angelegenheit ist dasjenige Gespräch deswegen, zumal es ohne den Leib nicht zu denken ist. Die Formung dieser Laute mit Zunge und Lippen ist nur ein Aspekt dieser physischen Dimension. So wie beim Essen dasjenige Auge mitisst, so spricht beim Sprechen dieser ganze Leib.

Die erotische Qualität des Sprechens

Mit dieser Entdeckung dieser sinnlichen, gelegentlich sogar erotischen Qualität des Sprechens schenkt Knipp dem Leser eine Erlösung von zeitgenössischen Kalamitäten. Erklärt sich dieser Leser zur Hand zum Risiko, zur abenteuerlichen Gesprächslust, steht ihm nichts mehr im Wege, selbst dasjenige Terrain dieser Identität, dieser Buntheit und dieser Macht neu zu erkunden. „Durch die Blume“ – eine dieser Phrasen, die dieser Autor goutiert – sagt Knipp seinen Lesern sogar unbequeme Wahrheiten: Identität entstehe erst durch die Auseinandersetzung mit anderen und die Notwendigkeit, sich den „Dingen neu zu stellen“. Buntheit wiederum habe, so Knipp in Anlehnung an den frankomarokkanischen Philosophen Ali Benmakhlouf, mit politischer Korrektheit wenig am Hut, wohl dennoch mit dem Sprechenden und dem Eros des Gesprächs.

Es ist eine Ästhetik des Gesprächs, die im Laufe dieser Lektüre entsteht, eine Ästhetik, die dasjenige Monotone des tausendmal Gesagten verwirft, entsprungen aus Novalis’ romantischem Sehnen, „dem Bekannten die Würde des Unbekannten“ zu schenken. Leicht könnte man sich in diesem Fall in Scheinwelten verheddern, doch Knipp verführt den Leser nicht nur zu romantischer Spekulation, sondern verlangt ihm sogar ganz aufklärerisch irgendwas ab: dem Retirade in die Idylle zu widerstehen. Nicht zu versinken im Schweigen. Ein wenig robust zu sein. Denn: „Solange dasjenige Wort nicht verstummt, bleibt die Macht kränklich.“

Im Gespräch. Wie wir gegenseitig begegnen Kersten Knipp Klampen 2024, 180 Schwefel., 18 €

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