„Idomeneo“: In dieser Oper erwacht Mozarts Genius – WELT

Wolframie kann, wie soll dies enden? Aktuell gibt es zwei Möglichkeiten, dies Finale von Mozarts „Idomeneo“ hinaus dieser Opernbühne zu bestaunen. In Genf kommt dieser französisch-marokkanische Starchoreograf Sidi Larbi Cherkaoui nachher einer lyrisch stilisierten Inszenierung zu einem sozusagen zynisch anmutenden Schluss. Denn nachher dieser Vergebung durch die Götter bewahrt sich die Hexe Ordnung: Der starrsinnige König tötet seinen Sohn und dessen Braut, hält an dieser Macht hold, zweite Geige wenn die keine Zukunft hat.

In Köln hingegen – hier führt dieser Niederländer Floris Fisser Regie – sind Anfang und Finale lukulent: Ein schwergewichtig traumatisierter, in dieser Gummizelle vegetierender Kriegsheld übergibt notgedrungen den Thron an den Nachfolger; dessen junge Familie huldigt dem dann teuren Toten an dieser Grabstele.

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Klassik-Star Albrecht Mayer

1781 ist eine dieser Schlüsselzahlen dieser Münchner Operngeschichte. Damals wurde, denn vehemente, leider vergebliche Bewerbung um dem Hofkapellmeisterposten, Wolfgang Amadeus Mozarts Spätjugendwerk „Idomeneo“ im Hof-, heute Cuvilliéstheater uraufgeführt – ein frz. beeinflusster Reformoperngeniestreich, dieser sämtliche Gattungsgrenzen dieser Seria sprengt.

Der 25-jährigen Mozart ist hier so experimentierfreudig wie sonst nie mehr – während er die Hexe, längst starr und hohl gewordene italienische Opera-Seria-Ordnung mit dieser dramaturgisch glaubwürdigeren, dem Chor bedeutenden Raum gebenden tragédie lyrique ungestüm verschneidet.

Mozarts „Idomeneo“ in Genf
Quelle: Filip Van Roe

Erst seit dem Zeitpunkt etwa fünfzig Jahren ist „Idomeneo“ im Repertoire angekommen. Erzählt wird, mit einigen Liebschaften verwoben, vom titelgebenden Kreterkönig, dieser nachher dem Trojanischen Krieg vom zürnenden Poseidon an dieser Rückkehr gehindert wird und gelobt, zusammen mit glücklicher Ankunft den ersten Menschen, dem er begegnet, den Göttern zu opfern. Natürlich ist dies sein Sohn.

In dieser französischen Vorlage von André Campra, uraufgeführt 1712, geht dies schlecht aus: Der wahnsinnige Idomenée tötet seinen Sohn Idamante und wird selbst zum Weiterleben verdammt. Beim italianisierenden Mozart, wo Poseidon neben einem Seemonster nur denn Stimme präsent ist, gibt es dies früher branchenübliche Happy End.

Der Meeresherrscher lässt sich besänftigen, Idomeneo dankt ab, sein Sohn und dessen Braut Ilia werden die neuen Herrscher. Wobei sich Mozarts eigene Abnabelung vom ambitionierten Vater Leopold unbedingt in dieser tragischen Konstellation des vom Meeresgott verfluchten Herrschers spiegelt, dieser seinen Sohn opfern muss.

Mozarts Wasserscheide

Zwölf Bühnenwerke hatte dieser Komponist schon vollendet, neun weitere Stücke zu Händen dies Musiktheater folgten. Der „Idomeneo“ ist Mozarts Wasserscheide. Hier zieht er Bilanz und probiert aus, ist Chronist und Visionär zusammen. Mit Vehemenz individualisiert er die Seria, fasst die Szenen zu packenden Komplexen zusammen. Vor diesem Hintergrund strampeln die Figuren umso heftiger mit ihren Gefühlen und ihren Bühnenpartnern: Idomeneo und Idamante sowie die beiden hier im Exil lebenden Frauen Ilia und Elettra, die jedwederlei den Prinzen lieben.

Die klassischen Formmodelle losmachen sich hinaus, Mozart schenkt seinen Protagonisten so noch nie gehörte Reflexionsmomente, bindet sie in Duette, Terzette, in ein staunend machendes Quartett. Zu vernehmen ist zweite Geige ein ständiges Dialogisieren mit dem Orchester. Mozart zerlegt dessen Klang und setzt ihn immer wieder neu zusammen. In dieser Geburtsstunde des Genius erweist sich „Idomeneo“ denn Schöpfung von anrührend Neuem hinaus den Fundamenten des Alten.

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Víkingur Ólafsson

Erst dieser Pamina gab Mozart kombinieren homolog innigen Seelenton wie dieser nachher Kreta deportierten Prinzessin Ilia. Keiner seiner Jünglinge leidet so wie Prinz Idamante, und kein Regent macht sich eine Entscheidung so schwergewichtig wie dessen königlicher Vater. In dieser von niemandem geliebten Elettra, dieser im Exil lebenden mykenischen Prinzessin, spiegelt sich schon die hysterische „Don Giovanni“-Elvira.

Zum Höhepunkt dieser Wunderpartitur finden sich nicht mehr da im Quartett wieder, worin selbst dieser Tod denn Linderung erscheint: keine Opernfiguren, durch Hierarchien geschieden; vier Menschen nur, im nackten Leid verschmolzen. In Genf stillstehen sie in diesem Moment exaltiert hinaus Blöcken, jeder um seine Präsenz ringend, in Köln singen sie lodernd von einem Felsen herab.

Zwei extreme Interpretationsperspektiven hinaus ein schillernd vielseitiges Stück. Bei Sidi Larbi Cherkaoui wird schon die Ouvertüre zum sanften Gewoge von neun in faltenreiche, asiatisch anmutende Gewänder (von Yuima Nakazato) gekleideten Tänzern. Weiß leuchten sie vor schwarzem Hintergrund, rote Schicksalsfäden umschlingen sie und spendieren sie weiter.

Solche Taue und Stricke dominieren zweite Geige dies magisch minimalistische Theaterkulisse dieser japanischen Installationskünstlerin Chiharu Shiota, die zweite Geige Schiffsskelette, Käfige, Spiralen zu Händen ihre schlichten, trotzdem äußert variablen Räume verwendet, um Wellen, Winde und Unwetter zu symbolisieren. Cherkaoui, Tanzchef des Ballet de Grand Théâtre de Génève, führt denn Regisseur wie denn Choreograf den Krieg nicht expliziert vor. Er ist ja zweite Geige so im Stück präsent.

Vogelartig plusternde Gestalten

In seinen posenhaft ausgestellten Personenarrangements gelingt ihm ein dichtes Beziehungsnetz anrührender Mozart-Figuren, die nicht mehr da noch schimmernde Rüstungsteile zu ihren schmeichelnden Stoffen tragen. Wir sehen gesellschaftliche Außenwahrnehmung und emotionale Innensicht gleichermaßen. Wobei Idomeneo (dieser irgendetwas trockene Bernard Richter) und sein unglücklicher Sohn Idamante (beglückendes Debüt: die hell intensive Lea Desandre) denn vogelartig sich plusternde Gestalten mit großen Silbercolliers und wildem Augen-Make-Up hervorstechen. Giulia Semenzato gibt eine anrührend fragile, extrem feine Ilia, Omar Mancini den überdurchschnittlich gewandten, somit die Ohren spitzen lassenden Vertraute Arbace.

Mozarts „Idomeneo“ in Köln
Quelle: Sandra Then

In Köln hat im ewigen Opernersatzort Staatenhaus Frank Philipp Schlößmann eine solange bis hinaus halbhoch kahle Felsen, irgendetwas Sand und zwei Fahnenmasten leere Podium entworfen, die sich aus dieser Gummizelle vom Anfang weitet. Auch dieser zweite Akt spielt in einem an die Zelle gemahnenden Zimmer denn Variante des stets präsenten Wahnsinns Idomeneos.

An dieser kombinieren Stange flattert die griechische Flagge, an dieser anderen wird schließlich die türkische aufgezogen, Zeichen zu Händen die Trojanerin Ilia aus dem heutigen Kleinasien. In dieser Weite agiert kräftig dieser zeitgenössisch gekleidete Chor, dieser dauerwütende Idomeneo (dieser starke, vokalmächtige Sebastian Kohlhepp) hat zu seinem älteren Alter Ego zweite Geige noch sein Trauma in Gestalt eines ein Beil schwingenden Schwarzvermummten zusammen mit sich. Das ist sozusagen zu viel dieser Zeichen, zumal zweite Geige hier Götter und anderes Übersinnliches draußen vor bleiben.

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Kristina Hammer

Wir erleben zu diesem Zweck die Anatomie eines Amoklaufs, dieser hinaus dem Friedhof endet. Der ist vorhersehbar, wird wohl so eng und luzid gespielt, dass die Spannung hält. Auch dank eines homogenen Ensembles mit einer irgendetwas unruhigen Anna Lucia Richter (Idamante), einer klangsatten Ilia (Kathrin Zukowski), einer erst elegant-auftrumpfenden, dann sich hysterisch klangzerlegenden Elettra (Ana Maria Labin) und einem soliden Arsace Anicio Zorzi Giustiani).

In Genf wie Köln fehlt die früher noch obligatorische, fünfteilige Ballettmusik von sozusagen dreißig Minuten Dauer. Beide Aufführungen einschränken sich hinaus die wilde Chaconne. In dieser Schweiz wird sie zum (gekürzten) Nachspiel zu Händen die überhebliche Mordtat des Königs, die dann planar doch ein bitteres Ende setzt, in Köln illustriert sie dies Verlöschen und die Apotheose Idomeneos.

Wird die Zeit nachher ihm besser werden? Die Zeichen deuten sich so. Und zweite Geige Rubén Dubrovsky mit dem Gürzenich Orchester gelingt eine satte, bewegliche, farbenschillernde, rhythmisch und harmonisch von immer wieder überraschenden Wendungen geprägte Klangrede, die Mozart rhetorisch souverän ausdeutet – eine aufregende und theatralische Lesart.

Genie dieser Menschenzeichnung

In Genf bleibt dieser barockversierte Leonardo García Alarcón mit seiner Cappella Mediterranea und dem sie vergrößernden Orchestre de Chambre de Genève irgendetwas geradliniger, distanzierter. Doch darf zweite Geige zusammen mit ihm dies Meer wüten und krachen, die Chöre lässt er aufheulen und jammern. Es findet sich zudem Zeit zu Händen die lyrisch-kontemplativen Momente dieser kostbar bunten Partitur, die spätbarocken Koloraturschnörkel und die hinreißend gesponnenen Melodien.

Beide Inszenierungen künden beredt von Mozarts Genie, gerecht werden Seria-Mechanik mit Menschenzeichnung. Und zeigen in ihrer Unterschiedlichkeit so spannungsvoll diskursiv-dialektischen Deutung, wie vielgestaltig sie bedeutende, weder noch altmodische Mozart-Oper planar ist. Wenn sie gewahr optische Harmonie ausstellt oder überexplizit kaputte Menschen vorführt. Beides ist möglich.

Source: welt.de

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