Sollte sich Bärbel Bas für ihre Kommentare in Sachen Rente bei den Arbeitgebern entschuldigen? Die Ministerin zeigt bei Maybrit Illner wenig Einsicht. Als CSU-Politiker Alexander Hoffmann das Rentenpaket verteidigen will, macht ihm Juso-Chef Philipp Türmer heftige Vorwürfe.
Lang und erbittert wurde er geführt, morgen könnte der Streit um das schwarz-rote Rentenpaket nun endlich beigelegt werden. Dann soll im Bundestag über die umstrittenen Reformen abgestimmt werden. Friedrich Merz (CDU) hofft auf eine Kanzlermehrheit, derweil schürt Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) mit gleich zwei Hieben gegen Unternehmer nur noch mehr Konflikte. Wie stabil wird die Koalition aus diesem Streit hervorgehen? Und wie geht es mit der Rente weiter? Diese Fragen stellte Maybrit Illner am Donnerstagabend der Arbeitsministerin.
Falls sich Bärbel Bas ein schmerzloses Interview erhofft hatte, wurde sie am Donnerstagabend mit Sicherheit enttäuscht: Gnadenlos grillte sie Moderatorin Illner zu ihren jüngsten unglücklichen Auftritten. Zur Erinnerung: Da war zum einen der Arbeitgebertag vergangene Woche, als Bas mitten in einer Rede von vielen im Publikum ausgelacht wurde – weil sie gerade versprochen hatte, Beitragszahler würden durch das neue Rentenpaket nicht weiter belastet. Und dann war zum anderen ihr Auftritt beim Juso-Bundeskongress ein paar Tage später, den Bas zum Anlass nahm, gegen ebenjenes Publikum zu schießen: Der Vorfall auf dem Arbeitgebertag habe ihr klargemacht, dass man gegen „die Herren in ihren bequemen Sesseln“ und „im Maßanzug“ „gemeinsam kämpfen“ müsse.
„Ich war die Projektionsfläche“
Bundeskanzler Merz findet letztere Aussage „inakzeptabel“, manch ein CDU-Politiker forderte sogar ihren Rücktritt – doch Bas beteuerte bei Illner, „bewusst missverstanden“ worden zu sein. Sie sei im Streit um das Rentenpaket regelrecht zum Sündenbock gemacht worden, sagte sie: „Ich hätte sagen können, was ich wollte – ich war halt die Projektionsfläche der Frau, die einfach nicht einsehen will, dass das alles sehr viel kostet.“
Warum sie es für angemessen halte, als Arbeitsministerin in solcher Form gegen Unternehmer zu schießen, fragte sie Illner immer wieder. Doch Bas ließ sich nicht zur Einsicht zwingen: „Ich bin die Ministerin für Arbeit und Soziales“, sagte sie. „Ich habe nicht gegen Arbeitgeber gekämpft, ich kämpfe für Gerechtigkeit.“ Wer sie kenne, wisse, dass sie ständig im Austausch mit Arbeitgebern sei und sich für Deutschland als Industriestandort einsetze. Doch ihre Aufgabe sei es auch, diejenigen Stimmen zu vertreten, die sonst kein Gehör fänden.
Bas musste sich auch dafür rechtfertigen, dass sie als besonders kompromisslos in Sachen Rente wahrgenommen wurde. Das habe Zweifel an der Reformwilligkeit der SPD als solches erweckt, sagte Illner. Doch das wies Bas zurück: „Wer hat denn in den letzten Jahren Reformen gemacht? Das waren immer Sozialdemokraten.“ Mit ihrem Ruf als „Systemsprengerin“ könne sie sich abfinden – wichtig sei ihr, sich auch nach der Abstimmung am Freitag für eine Rentenreform nach österreichischem oder dänischem Modell einzusetzen. In Friedrich Merz als Kanzler habe sie jedenfalls „jede Menge Vertrauen“.
Die anschließende Diskussion in größerer Runde sollte nicht weniger hitzig verlaufen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann musste sich von gleich mehreren Teilnehmern Kritik anhören. So könne die Grünen-Vorsitzende Franziska Brandner nicht verstehen, „warum man erst Millionen ausgibt und dann an strukturelle Reformen rangeht“. Das sei nur ein Beispiel für politische Entscheidungen, die Schwarz-Rot auf den Rücken junger Menschen austrage. Sie wolle am Freitag deshalb gegen das Paket stimmen. Gerade die Linke, die sich enthalten wolle, kritisierte sie: „Da wählt man jemanden, der soll ein Bollwerk gegen Merz sein und dann entpuppt er sich als Ersatzrad.“
Hoffmann hatte dagegen scharfe Worte parat: Die Ampel habe damals ähnliche Konzepte vorgeschlagen, wie etwa eine Haltelinie von 48 Prozent bis 2040. „Da finde ich es mit Verlaub schon selbstbewusst, so zu tun, als würde das alles auf den Rücken der jungen Generation ausgetragen werden“.
Brantner entgegnete, das Konzept der Ampel habe dafür mehr Vorschläge eingebracht, um Kapital mit einzubeziehen. Als Hoffmann sie unterbrechen wollte, das tue man mit diesem Paket auch, schnitt ihm Brantner das Wort ab: „50 Millionen, das sind Peanuts!“
Auch JuSo-Chef Philipp Türmer gehörte zur Runde, er musste sich von Hoffmann scharfe Kritik anhören. Türmer breitete erneut die Vorschläge der Jungsozialisten aus, um das Rentensystem grundlegend zu reformieren: Dazu gehörten, nach Einkommen zu differenzieren, alle Berufsgruppen einzahlen zu lassen und Kapitalerträge stärker zu belasten.
„Die Idee der Umverteilung mag sich jungsozialistisch gut anhören“, sagte Hoffmann. Das Bundesverfassungsgericht würde es aber verhindern, ein solidarisches System zu einem „Umverteilungsinstrument“ umzufunktionieren.
Da platzte es aus Türmer heraus: „Herr Hoffmann, Sie hören das, was Ihre CSU-Ohren hören wollen“, fuhr er den Politiker an. Im Wahlkampf hätte sich die CSU dafür ausgesprochen, Arbeitnehmer zu entlasten. „Wenn Sie das ernst meinen, müssen Sie bei der Union endlich mal damit anfangen, diesen Klassenkampf zu betreiben – denn Sie betreiben permanenten Klassenkampf von oben.“ Die Union stelle sich wie eine „Schutzmacht“ vor die Reichsten, sagte Türmer weiter. „Dann maßen Sie sich an für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land zu sprechen – das ist lächerlich.“ Hoffmann ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und wiederholte, dass er Umverteilung zur Wohlstandssicherung ablehne.
Source: welt.de