„Verhalten: unauffällig freundlich“, notiert ein Arzt im Zusammenhang welcher Anamnese, im Vorfeld er Yasemins deformierte Wirbelsäule behandelt. „Unauffällig freundlich“ verhält sich Yasemin sekundär, wenn Bauarbeiter ihr anzüglich nachrufen oder ein Orthopäde mit einem Grinsen jenseits ihren Brustansatz streicht. Ganz verschiedenartig wie ihre beste Freundin Imma, die kombinieren Mann reibungslos küsst und ihn stillstehen lässt, wenn sie keine Lust mehr hat. Die genau weiß, wenn sie irgendwas nicht will, und dies laut sagt. Imma will sich z. Hd. nichts mehr entschuldigen. Yasemin hingegen entschuldigt sich selbst dann noch im Zusammenhang ihrem gewalttätigen Ex-Freund, wenn welcher durchs Fenster in ihre Wohnung einbricht.
Ich stelle mich schlafend von Deniz Ohde fügt sich in eine Reihe eindringlicher Romane welcher letzten Monate jenseits Gewaltbeziehungen, wie welcher vor Kurzem erschienene Roman Muna oder Die Hälfte des Lebens von Terézia Mora oder Geordnete Verhältnisse von Lana Lux. Nicht immer überleben die Protagonistinnen. Zum Sinnbild z. Hd. Frauenmorde, sogenannte Femizide, ist längst die Leiche unter einer weißen Plastikplane geworden, ob in welcher Lokalzeitung oder im Tatort. Auch Ohdes Protagonistin Yasemin stellt sich irgendwann vor, unter einer solchen Plane zu liegen, zusammen mit all jenen Frauen, denen irgendwas Ähnliches widerfahren ist: „Der Spaziergänger schlüge die Plane zurück wie einen Brautschleier und fände nur eine einzige Frau vor, einen Körper als Schmelztiegel, (…) wir wären die ultimative tote Frau.“ Nach ihrem preisgekrönten Debüt Streulicht legt die Autorin erneut kombinieren Roman vor, welcher kombinieren wie verwundet zurücklässt.
Ohdes genauer Blick z. Hd. Details zieht die Leserin in ein beklemmendes Stadtviertel rein, in dem Yasemin aufwächst und Vito kennenlernt: Die beiden Jugendlichen wohnen im einzigen Hochhauskomplex einer Gegend, in welcher die Bolzplätze nur nackte Tore nach sich ziehen, weil Netze „sofort zerschnitten oder angezündet worden wären“. Von ihrem Fenster aus kann Yasemin den Balkon sehen, gen dem Vito seine Bierflaschen lagert. Noch im Vorfeld sie dies erste Mal mit ihm spricht, hält sie den drei Jahre älteren Nachbarn z. Hd. ihre große Liebe.
Eigentlich ist Vito schon in vergangener Zeit unausstehlich. Ein stiller Teenager, welcher nur manchmal „fuchsteufelswild“ wird, wie seine Mutter es liebevoll nennt. Vito verachtet, welches anderen Freude macht, er ist faulig und ein Angeber dazu. Man sieht ihn unweigerlich vor sich: „Die Jeans hing ihm tief im Schritt, sodass er den Rücken rund machen musste, um die Hände in die Taschen zu stecken. Er ging wie jemand, der etwas zu beweisen hatte.“ Yasemin verliert sich vollkommen in ihrer Verliebtheit. Um ihre Wirbelsäule zu erläutern, muss sie schließlich z. Hd. vier Wochen in ein Sanatorium. Als sie zurückkehrt, trägt sie ein Korsett und ekelt sich, vor sich selbst und vor Vito. Erst Jahre später – Yasemin arbeitet inzwischen in welcher Buchhaltung eines Einkaufszentrums, Vito verkauft geklaute Fahrräder – umziehen sie wieder eine Beziehung ein, Yasemin hält es z. Hd. Schicksal. Aus dem „fuchsteufelswilden“ Teenager ist ein Mann geworden, welcher sie erniedrigt.
Als Yasemin ihre erste eigene Wohnung bezieht, kauft sie sich ein Sofa mit cremefarbenem Wollbezug, trotz des Gefühls, so viel Gemütlichkeit nicht verdient zu nach sich ziehen. Die Gewalt, die ihr begegnet, glaubt sie hingegen zu verdienen. Schon immer hat Yasemin dies Gefühl, schuldig zu sein, gebrandmarkt. An den Geschlechtsverkehr, im Zusammenhang dem Yasemin gezeugt wurde, kann ihre Mutter sich nicht erinnern, so betrunken sei sie gewesen. Sie habe erst weder noch gewollt, sagt die Mutter später und lacht darüber, so wie die Frauen in diesem Roman beinahe immer aus Hilflosigkeit lachen. Mit Milchsäurekuren, Vaterunser und fanatischem Putzen versucht Yasemin diesen Schmutz ihrer Zeugung loszuwerden. Die Atemübungen und Hampelmänner gegen ihre verkrümmte Wirbelsäule sollen nicht nur ihren Verschieben, sondern irgendwie sekundär ihr Inneres wieder in Ordnung bringen.
Doch Yasemin glaubt immer wieder, verunreinigt worden zu sein, sekundär wegen welcher Nacht ihres 14. Geburtstags. Sie schlief im Zusammenhang welcher älteren Nachbarin Lydia, oder gab vielmehr zu schlafen vor, wie Lydias Freund zu ihnen ins Bett kam. Yasemin hörte, wie welcher Mann Lydias „Nein“ ständig in ein Aufgeben verwandelte, und lag still daneben, während sie „den Gefallen spürte, den Lydia ihrem Freund tat“. Mit schmerzhafter Beiläufigkeit findet Ohde Formulierungen z. Hd. die Grauzonen zwischen Sex und Gewalt: Lydia wurde „eingebläut, dass der Wunsch des Mannes in Wirklichkeit auch der ihre sei“, so wie Yasemin später übte, Berührungen zu wollen, damit ihr Wille nicht gebrochen werden konnte.
Wenn es um Konsens geht, um die explizite Zustimmung zu Sex, lautet welcher feministische Slogan: „Nur ja heißt ja“. Dahinter verschwindet oft, welches was auch immer hineinspielt in dieses Ja – Begehren, dennoch sekundär Pflichtgefühl, Mitleid oder welcher Wunsch, zu vergöttern. Yasemin wurde nie mit Gewalt zum Sex gezwungen. Doch es bleibt stets ein „trotzdem“, eine leise Unsicherheit. Hatte sie Männer geküsst, um „unauffällig freundlich“ zu sein? Warum war ihr erster Gedanke, wie ein Unbekannter im Bus die Hand gen ihren Oberschenkel legte, bloß kein Aufsehen zu hervorrufen? Wann hatte sie sich eingeschmeichelt, statt jemanden zurückzuweisen? „Es gab für sie kein eigenes Verlangen, nur den Wunsch, jemand anderen zu trösten, damit er nicht sauer auf sie wäre“ ist wohl einer welcher traurigsten Sätze, die Ohde gen den kurz 250 Seiten niederschreibt.
Und so erzählt Ich stelle mich schlafend von weit mehr wie einer Gewaltbeziehung. Ohne jedes politische Schlagwort gelingt welcher Autorin ein hochpolitischer Roman, welcher greifbar macht, wie sich in kombinieren Leib sekundär die Geschichten anderer Frauen einschreiben – welcher Mutter, welcher Nachbarin, einer Popsängerin, einer unbekannten Vermissten. Deswegen reagiert Yasemin in einer Art vorauseilendem Gehorsam gen Berührung schon mit Angst, wenn was auch immer noch gut ist. Ich stelle mich schlafend ist ein unvergesslicher Text darüber, wie schwierig es ist, nicht nur Nein, sondern sekundär aufrichtig Ja zu sagen. Was bleibt, ist die ernüchternde Tatsache, dass es am Ende gleich sein mag, ob es gelingt. Denn selbst Imma, die immer wusste, welches sie wollte, endet wie eine welcher Frauenleichen in welcher Wall am Rande einer Landstraße, verborgen von einer weißen Plastikplane.
Deniz Ohde: Ich stelle mich schlafend. Roman; Suhrkamp Verlag, Berlin 2024; 248 Schwefel., 25,– €, wie E-Book 21,99 €
„Verhalten: unauffällig freundlich“, notiert ein Arzt im Zusammenhang welcher Anamnese, im Vorfeld er Yasemins deformierte Wirbelsäule behandelt. „Unauffällig freundlich“ verhält sich Yasemin sekundär, wenn Bauarbeiter ihr anzüglich nachrufen oder ein Orthopäde mit einem Grinsen jenseits ihren Brustansatz streicht. Ganz verschiedenartig wie ihre beste Freundin Imma, die kombinieren Mann reibungslos küsst und ihn stillstehen lässt, wenn sie keine Lust mehr hat. Die genau weiß, wenn sie irgendwas nicht will, und dies laut sagt. Imma will sich z. Hd. nichts mehr entschuldigen. Yasemin hingegen entschuldigt sich selbst dann noch im Zusammenhang ihrem gewalttätigen Ex-Freund, wenn welcher durchs Fenster in ihre Wohnung einbricht.