Honduras | Warum die queere Community in Honduras in Angst vor jener Präsidentschaftswahl lebt

Donny Reyes agiert derzeit extrem vorsichtig. Keine Interviews, keine öffentlichen Auftritte, und seine Bürotage bei Arcoíris, der queeren Menschenrechtsorganisation, hat er auch reduziert. Die hat ihre Zentrale in der Hauptstadt Tegucigalpa, gleich um die Ecke von Großmarkt und Busterminal, wo täglich ein paar Dutzend Honduraner Richtung Norden auswandern.

Reyes meidet die Öffentlichkeit aus gutem Grund, denn er hat wieder einmal Morddrohungen erhalten, weil er sich für die Rechte der queeren Community in dem lateinamerikanischen Land engagiert. Um die steht es alles andere als gut, so die Transfrau Jlo Córdoba, die ebenfalls für Arcoíris arbeitet: „Wir stehen in Honduras ganz unten in der sozialen Hierarchie, haben auf dem Papier Rechte, die in der Praxis immer wieder verletzt werden – trotz aller Versprechungen“, sagt sie und zieht ein genervtes Gesicht.

Von Präsidentin Xiomara Castro hat sie sich genauso wie Donny Reyes und wohl das Gros der queeren Community mehr Schutz, mehr Respekt und vor allem die Wahrung der Grundrechte versprochen. Doch jetzt steht das progressive Projekt von Castro als Ganzes auf der Kippe. Für den 30. November 2025 sind Präsidentenwahlen angesetzt. Was bedeutet deren Ausgang für das Land und die wachsende queere Gemeinschaft dort?

32 Morde in acht Monaten

Ende Januar 2022 wurde Castro als erste Präsidentin des mittelamerikanischen Landes vereidigt. Sie bekannte sich zu Menschen- und Frauenrechten; ihre öffentliche Entschuldigung im Mai 2022 für die Tötung der Transfrau Vicky Hernández im Jahr 2009 durch die Militärpolizei schürte die Hoffnung auf einen strukturellen Wandel in Honduras. Dem folgte jedoch die Ernüchterung. 2023 dokumentierten queere Organisationen landesweit 52 Morde an queeren Menschen – fast doppelt so viele wie im Jahr 2022. Daran hat sich auch 2024 und 2025 nichts geändert: In den ersten acht Monaten des Jahres dokumentierten die LGBTIQ-Organisationen 32 Morde.

Von denen wurde kaum einer aufgeklärt; um die drei Prozent pendele die Aufklärungsquote, kritisiert Jlo Córdoba. Das ist bei anderen Kapitaldelikten kaum anders. Das Justizsystem in Honduras ist weder effektiv noch unabhängig, und Korruption weit verbreitet. Das hat durchaus Tradition, ist jedoch auch ein Relikt der Narco-Diktatur, die Ex-Präsident Juan Orlando Hernández (2014 bis 2022) in Honduras installierte.

Im März 2024 wurde er nach seiner Auslieferung in die USA zu 45 Jahren Haft wegen Drogenschmuggels und anderer Kapitaldelikte verurteilt. Das war ein gewichtiger Dämpfer für die korrupten, kriminellen Seilschaften in der extrem konservativen Partido Nacional, der Nationalen Partei, die er de facto kontrollierte.

Die Armee bleibt mächtig

Die bildet in den letzten vier Jahren im Parlament den Gegenpol zur linken Partei Libre von Präsidentin Xiomara Castro und hat so manche ihrer politischen Initiativen blockiert, sagt Menschenrechtsanwalt Joaquín Mejía. Gleichwohl habe die Re-Demokratisierung in Honduras Erfolge vorzuweisen, wie die sinkende Mordquote, die rückläufige Zahl der Femizide sowie der Angriffe auf Umweltaktivisten, so Mejía. „2023 wurden 17 Umweltaktivisten ermordet, 2024 waren es sieben, und in diesem Jahr hoffe ich auf ein weiteres Sinken der Zahlen“, so der 48-jährige Anwalt, der für das jesuitische Forschungszentrum Eric-SJ in Tegucigalpa und dem knapp über 200 Kilometer von dort entfernten El Progreso arbeitet.

Allerdings habe die Regierung den Gewinn an Sicherheit mit der Verhängung des Ausnahmezustands, der Militarisierung des öffentlichen Lebens durch patrouillierende Militär- und Polizeieinheiten erkauft. Die Armee, die Xiomara Castro beim Amtsantritt im Januar 2022 noch aus dem Stadtbild tilgen wollte, ist zur wohl mächtigsten Institution in Honduras aufgestiegen und kontrolliert obendrein das Strafvollzugssystem.

Mehr Sicherheit habe das aber nicht für alle gebracht, kritisiert Dina Meza. „68 Angriffe auf Kollegen, darunter einen heimtückischen Mord, hat es in diesem Jahr gegeben“, berichtet die Menschenrechtsjournalistin, die eng mit Organisationen wie Reporter ohne Grenzen zusammenarbeitet. Das nationale Schutzprogramm für besonders gefährdete Personen wie Journalisten, Umweltschützer, indigene, aber auch queere Menschen funktioniere nicht, erklärt Meza weiter.

Ein Grund dafür sei die nicht ausreichende Finanzierung, aber auch die fehlende Expertise des Personals und andere strukturelle Probleme. Dabei hat die Regierung ausreichend Geld zur Verfügung und hat es auch investiert. Straßen, auf denen früher Schlagloch für Schlagloch umkurvt werden musste, sind entweder repariert oder sogar ausgebaut. In den letzten beiden Jahren wurde die Infrastruktur im Land auf Vordermann gebracht. Das gilt nicht nur für das Straßennetz des mittelamerikanischen Landes mit seinen rund zehn Millionen Einwohnern, sondern auch für Krankenhäuser und Schulen.

Vorwurf: Wahlmanipulation

Etliche Neubauten, aber auch viele sanierte Einrichtungen kann die Regierung Castro vorweisen. Der staatlich finanzierte Bauboom hat Jobs geschaffen und auch die Auswanderung in Richtung Norden, vor allem in die USA, etwas gedämpft. Erfolge, auf die im laufenden Wahlkampf konsequent hingewiesen wird. Rixi Moncada heißt die Kandidatin von Libre, der Partei Castros, sie wirbt für einen Sozialismus des 21. Jahrhunderts und ist landesweit präsent.

Ein Vorteil der ideologisch oft plakativ auftretenden Partei, die Ende Oktober in den Umfragen mit rund 44 Prozent der Stimmen vorn lag. Positiv, denn Kandidatin Moncada gilt als fähige, jedoch wenig charismatische Technokratin, die den etablierten Kandidaten der Liberalen und der Nationalen Partei, Salvador Nasralla und Tito Asfura, Paroli bieten kann, meint Padre Melo.

Der Geistliche hat lange das jesuitische Forschungszentrum Eric-SJ geleitet, ist landesweit als Aktivist für Demokratie und Menschenrechte bekannt und plädiert für einen fairen Wahlkampf. „Politiker, Männer mehr als Frauen, tragen viel zur Polarisierung bei, sie sollten ihren Ton dämpfen“, mahnt der 67-Jährige mit dem runden Gesicht und den optimistisch leuchtenden Augen.

Doch die Vorwürfe der Wahlmanipulation, die seit Wochen unter den Parteien die Runde machen, belegen das Gegenteil. Auf eine extreme Polarisierung müssen sich auch die Wahlbeobachter einstellen, haben UN-Organisationen bereits gewarnt, und in Tegucigalpa sind die roten Fahnen von Libre, die blauen der Nationalen Partei und die weiß-roten der Liberalen Partei und ihrer teilweise martialisch auftretenden Anhänger immer öfter zu sehen. Typisch in einem Land, in dem politische Kompromisse die Ausnahme sind.

Ein letztes bitteres Beispiel aus Sicht der scheidenden Präsidentin ist die Abstimmung über die Einrichtung der so händeringend erwarteten UN-Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit im Parlament am 28. Juni. Da fand Präsidentin Xiomara Castro keine Mehrheit für die Gesetzesvorlagen, die der UN-Kommission weitreichende Rechte einräumen sollten, um der schwachen Justiz des Landes auf die Beine zu helfen, Korruption einzudämmen und für mehr Transparenz zu sorgen.

Damit ist das wohl wichtigste Wahlversprechen Xiomara Castros auf der Zielgeraden ihres Mandats gescheitert, so Joaquín Mejía. Für viele Abgeordnete, nicht zuletzt die der beiden Präsidentschaftskandidaten von Liberaler und Nationaler Partei, sei der Schub für die Justiz des Landes ein No-Go, so Joaquín Mejía. „Die Zahl der Abgeordneten, die Eigeninteresse über Gemeinwohl stellen, Reformprojekte so blockieren, ist hoch“, kritisiert er. Der Anwalt hofft, dass sich das mit den Wahlen ändern wird. Doch das ist nur bedingt realistisch.

In Tegucigalpa ist die Situation angespannt. Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass es gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern geben könnte, meint Donny Reyes. Er wird auch die nächsten 14 Tage abtauchen, denn rund um die Wahlen sind queere Menschen traditionell besonders gefährdet.

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