Honduras: In welcher Wagenburg von Tegucigalpa

Eine Kundgebung vor dem Amtssitz von Präsidentin Xiomara Castro hat Wirkung gezeigt. Anfang Mai sorgen Umweltaktivisten mit ihrem Protest vor der Casa Presidencial dafür, dass das Gesetz 18-2024 einen Tag später in der Gaceta veröffentlicht wird. „Das ist die Voraussetzung dafür, dass ein Gesetz Rechtskraft erlangt, und in diesem Fall wurde durch den öffentlichen Druck genau das erreicht“, sagt Joaquín Mejía, Jurist und Experte des Forschungszentrums ERIC-SJ.

Das Gesetz 18-2024 ist ein Politikum in Honduras, schützt es doch die Nationalparks des Landes mehr, als das bisher der Fall war. Jegliche ökonomische Aktivität – darunter auch der Bergbau – ist verboten. Im Fall des Nationalparks Carlos Escalera gilt dies auch rückwirkend, ein immenser Erfolg für die so lange kriminalisierten Umweltaktivisten aus der Stadt Guapinol, die seit zehn Jahren vor den drohenden Gefahren für den Nationalpark gewarnt und nun Recht bekommen haben.

Korruption und Klientelismus

„Das Gesetz sorgt dafür, dass die Eisenerz-Mine, die ab 2016 auf rund 200 Hektar des Nationalparks entstanden ist, nun rückgebaut werden muss. Ein Sieg für die Umwelt und gegen die Interessen der Investoren“, meint die Anwältin Rita Romero. Sie vertritt die Umweltbewegung aus Guapinol. Mehrere Mitglieder waren wegen der Proteste über Monate inhaftiert, drei wurden im vergangenen Jahr ermordet. Rita Romero hofft, dass die Behörden nun schnell aktiv werden. Ob das passiert, steht freilich in den Sternen, denn hinter der Erzmine steht mit Lenir Pérez einer der einflussreichsten Unternehmer und Investoren des Landes. Die von ihm und seiner Frau Ana Facussé gegründeten Firmen Inversiones Los Pinares (ILP) und Inversiones Ecotec sind nicht nur für die Mine verantwortlich, sondern ebenso für eine Nickel-Pelletier-Anlage und ein Kraftwerk, das in Guapinol derzeit gebaut wird.

Auch dagegen lehnen sich die Bewohner auf und wollen es verhindern. „Diese Vorhaben drohen eine ganze Region zu verwüsten. Erst die Mine, dann die lärmende Pelletier-Anlage, nun ein Kraftwerk, das mit extrem giftigem Petrolkoks betrieben werden soll“, klagt Juana Zúñiga, Aktivistin der Umweltbewegung aus der Stadt. Bei diesem Brennstoff handelt es sich um ein Erdölderivat, bei dessen Gebrauch enthaltene Schwermetalle – darunter Nickel, Kadmium und Vanadium –, aber auch Schwefel freigesetzt werden. Nur über eine aufwendige Filtertechnik können diese Schadstoffe aufgefangen werden.

Der Investor Lenir Pérez und die Präsidentinnenfamilie

Dass ein solches Equipment jedoch zum Einsatz kommt, bezweifeln die Aktvisten um Zúñiga und kritisieren die Regierung von Xiomara Castro. Die erste Frau im höchsten Staatsamt des Landes war noch kurz vor ihrem Amtsantritt gegen jeglichen Bergbau in Honduras eingetreten. Davon ist längst nichts mehr zu hören. Die Tatsache, dass das Gesetz 18-2024, das am 21. Februar vom Parlament verabschiedet wurde, so lange auf Eis lag, empfinden viele als Zumutung: „Zehn Tage hat die Exekutive von Präsidentin Xiomara Zeit, um etwaige Kritik an einem Gesetz vorzubringen. Das ist nicht passiert, trotzdem wurde es nicht veröffentlicht – ein Skandal und ein Indiz dafür, dass es einen immensen Druck der Investoren gegeben haben muss“, so der Jurist Joaquín Mejía.

Der Investor Lenir Pérez soll gute Kontakte zur Präsidentinnenfamilie unterhalten. Ökonomisch mächtig geworden ist er allerdings unter Juan Orlando Hernández, dem Vorgänger von Xiomara Castro. Der Ex-Präsident steht gerade in den USA wegen Drogenschmuggels und anderer Delikte vor Gericht. Das Urteil steht noch aus, aber die Geschworenen haben ihn bereits schuldig gesprochen, weil er ein System von Korruption und Klientelismus gefördert und dazu den gesamten Staatsapparat instrumentalisiert haben soll. Dieses „System Hernández“ wollte Xiomara Castro beseitigen und sich zu diesem Zweck einer unabhängigen Justiz bedienen, die bisher in einem eher schleppenden Aufbau begriffen ist.

Prozess gegen Juan Orlando Hernández in den USA

„Im Prozess gegen Juan Orlando Hernández sind viele Namen von Handlangern aus seiner Nationalen Partei genannt worden, ohne dass hier in Tegucigalpa gegen sie ermittelt wird“, moniert Donny Reyes, Koordinator der queeren Menschenrechtsorganisation Arcoíris, die in Honduras nach wie vor Übergriffen ausgesetzt ist. Im Vorjahr wurden 52 Mitglieder ermordet, so viele wie nie zuvor. „Kaum eines dieser Verbrechen wurde aufgeklärt, staatlichen Schutz gibt es nicht“, so Reyes. Und das trotz gegenteiliger Versprechen der Präsidentin, die sich stets von Neuem zu den Menschenrechten bekennt.

Ein Widerspruch, unter dem die Umweltschützer genauso zu leiden haben. Honduras ist – wie Kolumbien, Brasilien und Mexiko – eines der gefährlichsten Länder für Aktivisten dieses Metiers. Endgültige Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor, aber sicher ist, dass nicht nur Aktivisten der Umweltbewegung in Guapinol erschossen wurden. Ermittlungen laufen zwar, die Auftraggeber jedoch haben kaum etwas zu befürchten. Die Kultur der Straflosigkeit sei ein Grund dafür, dass die Reformen der jetzigen Regierung nicht vorankämen, urteilt der Jesuitenpater und Menschenrechtler Ismael Moreno Soto. Der Geistliche, als Padre Melo bekannt, macht dafür heftige Widerstände gegen jede Art von Wandel verantwortlich. Die Regierung harre in ihrer Wagenburg aus. Sie habe sich schlichtweg eingeigelt. „Es gibt nur Schwarz und Weiß, die Regierung und ihre Gegner. Wer die Präsidentin kritisiert, wird prompt als Gegner stigmatisiert.“ Das sei genauso unprofessionell wie die regierungsoffizielle Informationspolitik. So werde kaum etwas über die Verhandlungen mit den Vereinten Nationen mitgeteilt, die eine internationale Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit auf den Weg bringen sollen, bedauert der Pater.

Migration: Beim Kaffeeanbau fehlen Pflückerinnen

Eine Einschätzung, die auch der Jurist Joaquín Mejía teilt. „Die Sondierungen mit den Vereinten Nationen sind komplex, sie kommen aber voran, so dass ich denke, dass die Kommission noch in diesem Jahr Realität werden kann.“ In Honduras ist das in der Bevölkerung nicht bekannt, ein Grund dafür, dass die Kritik an der Regierung zunimmt. Parallel dazu wächst die Zahl der Auswanderer. Perspektivlosigkeit treibt die Menschen zur Migration Richtung USA. Straflosigkeit und zu wenig innere Sicherheit sind dafür maßgebend – das Gefühl, davon betroffen zu sein, haben nicht nur Klimaschützer. Es ist auch bei der Landbevölkerung verbreitet, die sich beim Kaffeeanbau verdingt.

Im Gebiet Marcala, einer von acht Kaffeeregionen, fehlte es für die Ernte im März an Pflückerinnen. „Das sorgt für sinkende Erträge und gefährdet mittelfristig unsere Zukunft“, kritisiert Rodolfo Peñalba, Geschäftsführer von Comsa. Die gut 1.600 Mitglieder zählende Genossenschaft gehört zu den Big Playern der Kaffeebranche und wartet auf Programme der Regierung, um die Abwanderung zu stoppen. Die kommen nur langsam zustande, so dass manche Genossenschaft selbst aktiv wird, um junge Mitglieder gezielt zu fördern. In San Andrés, einer Kleinstadt an der Grenze zu El Salvador, gelingt das. Dort hat die Kaffeegenossenschaft Asoprosan immerhin acht junge Männer und Frauen in letzter Minute davon abgehalten, das Land zu verlassen. Nun sind sie Jungunternehmer mit einer eigenen Kaffeemarke, überdies als Honigproduzenten erfolgreich. Was sie verkaufen, geht bis in die Hauptstadt Tegucigalpa und noch darüber hinaus

AbwanderungAktivistenAuswandererBehördenBergbauBevölkerungBrasilienCarlosFirmenFrauenHörenInnere SicherheitJustizKolumbienKorruptionKritikKulturLangeMigrationNationalparksProtestProtesteRechtReformenRegierungSchadstoffeSchwarzSchwefelSchwermetalleSelbstUmweltUmweltschützerUSAWeilWeißZeit