Hohe Preise, geringes Angebot: Die unendliche Wohnungssuche

Kein Balkon, in der Küche ein alter Plattenherd und der Mietvertrag soll zunächst auf elf Monate befristet sein – das hindert den Vermieter der Zwei-Zimmer-Altbauwohnung in Berlin-Mitte nicht daran, einen ambitionierten Preis aufzurufen: 1440 Euro kalt soll die Wohnung kosten, 22,15 Euro je Qua­dratmeter. Das Beispiel aus einem der einschlägigen Immobilienportale ist ein ex­tremer Fall, aber auch viele andere „Angebote“ lassen Wohnungssuchende verzwei­feln.

Bestandswohnungen werden oft nur von Mietern inseriert, die eine größere Tauschwohnung suchen. Für Neubauwohnungen werden nicht selten 30 Euro je Quadratmeter aufgerufen. Um die wenigen Angebote mit einem attraktiven Preisleistungsverhältnis konkurrieren oft Hunderte Bewerber. Eine der landeseigenen Berliner Wohnungsgesellschaften sorgte voriges Jahr für Schlagzeilen, weil sie für 288 moderat bepreiste Neubauwohnungen 43.000 Bewerbungen erhielt – innerhalb einer halben Stunde.

Dabei sollte doch alles endlich besser werden. Als „Kanzler für bezahlbares Wohnen“ pries die SPD Olaf Scholz vor drei Jahren im Wahlkampf. 400.000 neue Wohnungen im Jahr sollten die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage schließen. Dafür wurde erstmals seit Ende der Neunzigerjahre wieder ein eigenständiges Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen geschaffen.

In den Verbänden der Wohnungswirtschaft hört man zwar wenig Schlechtes über Ministerin Klara Geywitz (SPD). Die höheren Bundeszuschüsse für den sozialen Wohnungsbau nutzen Wohnungsunternehmen gerne. Dass Geywitz den von den Grünen geforderten noch strengeren Energieeffizienzstandard für Neubauten abwehrte, wird ihr ebenfalls hoch angerechnet. Von einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt kann dennoch keine Rede sein, im Gegenteil.

Bauunternehmen: Politische Auflagen bedingen höhere Kaltmieten

Durch die mehr als eine Million Ukrainer, die in Deutschland Zuflucht gesucht haben, ist der Bedarf an Wohnraum größer denn je. Die Zahl der Baugenehmigungen geht jedoch nicht hoch, sondern runter. Zwischen Januar und September 2024 genehmigten die Ämter gerade mal 157.200 Wohnungen, knapp 20 Prozent weniger als im auch schon schlechten Vorjahr. Immobilienökonomen gehen davon aus, dass die Fertigstellungszahlen von den zuletzt jährlich rund 300.000 Wohnungen in Richtung 200.000 sinken werden.

Ihre Zurückhaltung begründen Bauunternehmen mit den gestiegenen Kosten insbesondere durch politische Auflagen. Dies mache Kaltmieten von 18 bis 20 Euro je Quadratmeter für Neubauten erforderlich. Dies könne aber kaum jemand zahlen. Auch Entwickler von Eigentumswohnungen stoppten zuletzt Projekte, weil wegen des gestiegenen Zinsniveaus sowohl ihre Kalkulationen als auch die der Kaufinteressenten nicht mehr aufgingen.

Die „Wirtschaftsweisen“ haben in ihrem aktuellen Jahresgutachten der Misere auf dem Wohnungsmarkt ein eigenes Kapitel gewidmet. Ihre Sorge: Der fehlende Wohnraum in den Ballungsräumen und der große Unterschied zwischen günstigen Alt- und teuren Neuverträgen verhindere Umzüge von Arbeitskräften und bremse so die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die Bestandsmieten seien seit dem Jahr 2010 jährlich durchschnittlich nur um 1,4 Prozent gestiegen, die Angebotsmieten dagegen um vier Prozent.

Die Ökonomen fordern in ihrer Analyse die Verantwortlichen in den Städten auf, mehr Bauland auszuweisen, höhere Gebäude zuzulassen und das Dickicht der Bauvorschriften zu lichten. Durch den seriellen Wohnungsbau mit industriell vorgefertigten Bauteilen könnten 20 Prozent der Baukosten eingespart werden. Ferner wirbt der Sachverständigenrat für verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und für eine Halbierung der Grunderwerbsteuer. Letzteres könne die Zahl der Baugenehmigungen um neun Prozent steigern, so die Prognose.

Ökonom: Mieter „horten“ günstigen Wohnraum – auch wenn sie mehr zahlen könnten

„Eine restriktive Mietenregulierung in Form abgesenkter Kappungsgrenzen und der Mietpreisbremse ist nur temporär und generell nur dann vertretbar, wenn gleichzeitig wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um das Wohnraumangebot auszuweiten“, schreiben die Wirtschaftsweisen weiter. Sie werben dafür, mehr neue Verträge in die Mietspiegel einzubeziehen, wodurch das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete steigen würde.

Das wiederum würde den Anreiz für Mieter erhöhen umzuziehen, wenn etwa der Platzbedarf nach dem Auszug der Kinder kleiner wird. Die Mehrheit der Ratsmitglieder ist auch für eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus. Das oft kritisierte Problem, dass Mieter auch mit steigendem Einkommen in einer staatlich geförderten Sozialwohnung bleiben können, könne durch eine „marktnahe Fehlbelegungsabgabe“ behoben werden.

Vieles von dem, was der Sachverständigenrat vorschlägt, ist Konsens unter Ökonomen und auch den Verbänden der Bau- und Wohnungswirtschaft. Ratsmitglied Veronika Grimm spricht sich nicht nur gegen eine weitere Verschärfung der Mietenregulierung, sondern für eine Lockerung derselben aus. Noch weiter geht der Ökonom Steffen Sebastian von der Universität Regensburg.

Er schlägt vor, dass Vermieter die Preise in laufenden Verträgen nicht nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete aus dem Mietspiegel, sondern auf das Niveau der aktuellen Neuvertragsmieten erhöhen können sollen. Haushalte mit geringen Einkommen sollen staatliche Unterstützung bekommen, um die höhere Miete zu zahlen. Sebastian argumentiert, das aktuelle System führe dazu, dass Mieter günstigen Wohnraum „horten“ würden, auch dann, wenn sie mehr zahlen könnten.

Deutschland ist ein Mieterland

Politisch mehrheitsfähig sind Vorschläge wie dieser nicht. Deutschland ist ein Mieterland, mehr als die Hälfte der Menschen wohnt hierzulande zur Miete. Entsprechend viel Gewicht hat politisch das Thema Mietenregulierung. Beispiel Mietpreisbremse: Dieses Instrument wurde 2015 von der damals regierenden großen Koalition unter Angela Merkel (CDU) eingeführt. Das Gesetz ermöglicht es den Bundesländern, den Anstieg der Mieten in neuen Verträgen per Rechtsverordnung zu begrenzen. Mit der Bremse sind maximal zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete erlaubt. Ausnahmen gelten gegenwärtig für Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals bezogen wurden sowie für Wohnungen, für die der Vormieter schon eine höhere Miete gezahlt hat.

Die Mietpreisbremse ist bis Ende 2025 befristet. Die FDP hatte sich auf Drängen von SPD und Grünen kürzlich zu einer Verlängerung durchgerungen. Inzwischen gibt es auch einen Kabinettsbeschluss, der eine Verlängerung bis 2029 vorsieht. Doch eine Bundestagsmehrheit noch vor der Wahl ist nicht in Sicht. In der Union gibt es unterschiedliche Stimmen zur Mietpreisbremse. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner wirbt für die Verlängerung, in der Fraktionsspitze wiegelt man jedoch ab: Es bestehe keine Eile, ohnehin sei der Neubau die viel wichtigere Maßnahme. Bundesländer und Mieterbund machen Druck. Sie fürchten, dass eine Entscheidung erst nach der Regierungsbildung zu spät kommt, um die Landesregelungen noch rechtzeitig zu verlängern.

Grunderwerbsteuer ist Ländersache

Neben der Zukunft der Mietpreisbremse wird es im Wahlkampf auch um die Kappungsgrenze gehen, die regelt, um wie viel Prozent die Miete in laufenden Verträgen steigen darf. Aktuell sind in angespannten Wohnungsmärkten maximal 15 Prozent in drei Jahren bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erlaubt. Zu der im Koalitionsvertrag geplanten Senkung auf elf Prozent kam es wegen des Widerstands der FDP nicht mehr. Geht es nach den Grünen, sollen künftig sogar nur noch neun Prozent mehr erlaubt sein. So steht es im Entwurf für ein „Faire-Mieten-Gesetz“, den die Partei kürzlich vorgelegt hat.

Das Problem der hohen Baukosten wollte die scheidende Koalition durch eine Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs angehen. Durch die Einführung eines „Gebäudetyps E“ sollte das Abweichen von DIN-Normen etwa zum Lärmschutz oder zur Zahl der Steckdosen je Raum nicht länger als Baumangel gewertet werden. Aber auch aus diesem Gesetzentwurf wird so schnell wohl kein Bundestagsbeschluss mehr werden.

Für die Frage, wie es mit der Grunderwerbsteuer weitergeht, sind in erster Linie die Länder zuständig. Senkungen sind unwahrscheinlich, in Zeiten knapper Kassen wollen die Länder eher mehr Geld aus der Steuer einnehmen. Hamburg hat den Satz von 4,5 auf 5,5 Prozent des Kaufpreises erhöht, in Sachsen ging es von 3,5 auf 5,5 Prozent rauf. Berlin liebäugelte kürzlich mit einer Steigerung von sechs auf 6,5 Prozent. Als einziges Bundesland liegt Bayern noch bei den 3,5 Prozent, die einst galten, als der Bund noch den Steuersatz für alle festlegte.

Wie geht es mit dem Bauministerium weiter?

Die Grünen haben bereits angedeutet, dass sie Immobilieneigentümer steuerlich stärker zur Kasse bitten wollen. Dabei geht es zum einen um die seit vielen Jahren umstrittenen „Share Deals“. Professionelle Investoren können mit ihnen die Zahlung von Grunderwerbsteuer umgehen, indem sie statt Wohnungen Anteile an einem Unternehmen mit Wohnungen kaufen. Außerdem hat Grünen-Fraktionsvize und Wahlkampfmanager Andreas Audretsch infrage gestellt, ob der Gewinn aus dem Verkauf einer Immobilie auch in Zukunft noch nach zehn Jahren steuerfrei bleibt.

Eine der spannenden Fragen nach der Wahl wird sein, wie es mit dem Bauministerium weitergeht. Viel spricht dafür, dass es eigenständig bleibt. Angesichts der weiter großen Wohnungsnot wäre es schwer zu erklären, den Bau wieder wie früher an ein anderes Ministerium anzugliedern. Außerdem wollen Parteien nach Wahlen möglichst viele Ministerposten verteilen. Andererseits wurde Geywitz’ Versuch, wohnungssuchende Großstädter zum Umzug in eine strukturschwache Region mit Leerstand zu bewegen, als Zeichen der Machtlosigkeit des Bundes in der Wohnungsfrage gewertet.

Geywitz sähe es gerne, wenn das Bauministerium auch die Zuständigkeit für die energetische Sanierung von Gebäuden bekäme. Die liegt aktuell im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium, was zu Konflikten führte. Andere in der SPD möchten auch die Zuständigkeit fürs Mietrecht ins Bauministerium holen. Auffällig ist, dass das Wohnen in der politischen Debatte nach wie vor eine geringere Bedeutung hat als in der gesellschaftlichen Debatte. Die leidvollen Erfahrungsberichte von der Suche nach einer bezahlbaren Miet- oder Kaufwohnung werden wohl noch lange abendfüllendes Gesprächsthema unter Städtern bleiben.

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