Höchster Tagesverlust seit dem Zeitpunkt 2008 – dasjenige bedeutet welcher Immobilienfonds-Absturz – WELT

Anleger des offenen Immobilienfonds Uni:Immo ZBI Wohnen müssen hohe Verluste hinnehmen. Das Portfolio des fast ausschließlich in Mietwohnungen investierten Fonds war von unabhängigen Sachverständigen um fast 17 Prozent oder mehr als 860 Millionen Euro auf knapp 4,3 Milliarden Euro abgewertet worden. Die Börsennotierung des Fonds fiel zeitweise sogar um 19 Prozent gegenüber dem Vortag. Es ist der höchste Tagesverlust den Anleger bei Immobilien-Investmentvehikeln seit der Fondskrise im Jahr 2008.

Der Fonds wird von der ZBI Zentral Boden Gruppe Immobilien in Erlangen gemanagt, die seit 2020 mehrheitlich zur Union Investment, dem Fondsanbieter der Volks- und Raiffeisenbanken, gehört. Auf ihrer Internetseite hat die ZBI zunächst nicht über die Abwertungen informiert. Verängstigte Anleger riefen deshalb in Panik bei den Volks- und Raiffeisenbanken an. Die Krisenkommunikation der ZBI sei „katastrophal“, sagt ein Berater einer Volksbank im Hamburger Umland. Die Kunden seien extrem verunsichert.

Die massiven Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank zur Bekämpfung der Inflation seit Sommer 2022 haben die Zinssätze für Immobiliendarlehen kräftig erhöht. Im Juli vorvergangenen Jahres begann die EZB, den Leitzins von zuvor null Prozent auf bis zu 4,5 Prozent im September 2023 anzuheben. „Es war der rasanteste Zinsanstieg der vergangenen 60 Jahre“, sagt Sinan Temelli, Leiter Unternehmenskommunikation der Union Investment. Erst am 6. Juni dieses Jahres senkte die Zentralbank den Leitzins leicht auf 4,25 Prozent.

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„Steigende Zinsen erzeugen Abwertungsdruck für Immobilien“, sagt Sonja Knorr, Analystin der Berliner Ratingagentur Scope. Wenn Kreditnehmer mehr für die Zinsen der Darlehen zahlen müssen, drückt dies die aus den Mieteinnahmen erzielte Rendite. Entsprechend werden Immobilien von den unabhängigen Sachverständigen, die turnusmäßig die Portfolios der Fonds begutachten, abgewertet.

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Die Abwertungen haben die Rendite der offenen Fonds spiegelbildlich zum Zinsanstieg signifikant schrumpfen lassen. „Die 22 offenen Immobilienfonds haben 2023 noch eine durchschnittliche Zwölf-Monats-Performance von 1,2 Prozent erzielt“, sagt Knorr. Ende April dieses Jahres sei die Zwölf-Monats-Performance auf 0,5 Prozent gesunken.

Aus Angst vor Abwertungen haben Anleger seit den Leitzinserhöhungen im Jahr 2022 begonnen, Kapital aus offenen Fonds abzuziehen. Das Geld erhalten sie jedoch seit einer Gesetzesform vom 22. Juli 2013 erst nach einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist. Dies soll verhindern, dass es erneut zu einem Run auf die offenen Fonds wie in der Krise von 2008 kommt. Damals hatten Anleger auf einen Schlag Milliardenbeträge abziehen wollen. 17 offene Fonds mussten deshalb abgewickelt werden. Unter dem Strich verloren Anleger rund 8,3 Milliarden Euro.

Der Zinsanstieg allein erklärt die heftigen Abwertungen nicht

Die durch die Leitzinserhöhungen ausgelösten Kapitalrücknahmen schlugen aufgrund der Kündigungsfrist deshalb erst im vergangenen Jahr zu Buche. Von August 2023 bis Ende April dieses Jahres mussten die Fonds nach einer Auswertung der Düsseldorfer Anlageberatungsgesellschaft Barkow Consulting Mittelabflüsse über 2,1 Milliarden Euro verbuchen. Gleichzeitig schrumpfte die Zahl der Anleger, die noch frisches Kapital in die Immobilienfonds investieren wollten. „Die negativen Trends bei allen drei Parametern – Bruttoabsatz, Nettomittelabflüsse und Mittelrückflüsse – setzen sich fort“, sagt Gründer Peter Barkow.

Der Zinsanstieg allein erklärt jedoch nicht die heftigen Abwertungen bei den Immobilien des Uni:Immo ZBI Wohnen. Denn offene Fonds dürfen maximal 30 Prozent ihrer Liegenschaftskäufe über Kredite finanzieren. Nach dem jüngsten Halbjahresbericht betrug zum Stichtag 31. März die Fremdkapitalquote des ZBI-Fonds sogar nur 24 Prozent.

Allerdings haben die übrigen, größtenteils in Gewerbeimmobilien wie Bürotürme, Hotels, Logistik- und Shoppingcenter investierten offenen Fonds keine derart massiven Abwertungen erfahren. Mit Ausnahme des Leading Cities Investment von KanAm. Dessen Portfolio wurde im vergangenen November um elf Prozent abgewertet.

Die geringeren Abwertungen bei den meisten Gewerbeimmobilienfonds resultieren aus deren Index-Mietverträgen. Diese Verträge sehen vor, dass die Mieteinnahmen im Einklang mit der Inflationsrate steigen. Bei der jüngsten Scope-Umfrage hätten die Fondsmanager angegeben, „dass sich diese Mieterhöhungen aktuell auch durchsetzen lassen, was die Mieten und damit die Einnahmen tendenziell steigert“, sagt Analystin Knorr. Bei der Wohnungsvermietung gibt es hingegen derartige Indexmietverträge in der Regel nicht.

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Alle Gewerbeimmobilienfonds der Union Investment Real Estate, der Immobilienfonds-Tochter der Union Investment, wiesen eine positive Wertentwicklung auf, sagt Kommunikationschef Temelli. Die Bewertungsergebnisse der Fonds seien mit Blick auf das vergangene Jahr im Saldo ausgeglichen.

Für die nähere Zukunft sind die Fondsmanager mehrheitlich nicht allzu optimistisch gestimmt, wie die jüngste Scope-Umfrage zeigt. „12,5 Prozent der Befragten erwarten, dass Fonds in diesem Jahr vermehrt negative Renditen ausweisen werden“, sagt Analystin Knorr. Weitere 25 Prozent rechneten mit einem Renditeniveau zwischen null und 0,99 Prozent, 38 Prozent mit einer Performance von eins bis 1,99 Prozent und die übrigen 25 Prozent mit höheren Erträgen.

Source: welt.de

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