Hochwasser in Bayern: Z. Hd. Rückfragen nach sich ziehen sie keine Zeit

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht in Reichertshofen mit der Feuerwehr, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder dankt den Einsatzkräften vom Roten Kreuz, DLRG und anderen Rettungsdiensten.

Die ersten Schaulustigen sind schon da und zücken das Handy. Gleich
um elf Uhr, an einer Brücke über der Paar, wird der Bundeskanzler hier
stehen, der Ministerpräsident natürlich sowieso. „Für Stadt, Land und
Wir-Gefühl“ steht auf dem SPD-Wahlplakat, das in der Nähe der Brücke
hängt. Dieses Wir-Gefühl soll der Besuch der Politiker im
oberbayerischen Reichertshofen wohl erwirken.

Es ist Montag, der Tag nach der Flut.
Im Ort ist nicht mehr viel geblieben von den riesigen Wasserwellen des
vergangenen Tages, nur in einzelnen Straßen staut sich das Wasser noch.
Der Pegel der Paar ist mittlerweile um einen halben Meter seit dem Ausbruch am frühen Sonntagmorgen auf 335 Zentimeter gesunken. Der
bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war schon gestern hier,
mitten im Chaos, gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
(Grüne). Und heute also der Kanzler.

Teile von Reichertshofen sind am Sonntag überflutet.

In den Häusern neben der Brücke gehen die Fenster auf, Menschen schauen gespannt raus. Söder ist
überpünktlich, es ist erst 10.40 Uhr, das ist fast schon zu
früh. In seiner blauen Jacke mit bayerischem Abzeichen geht er auf die
Helferinnen und Helfern zu, eine Gruppe aus Feuerwehrleuten und
Ehrenamtlichen vom DLRG. Söder schüttelt Hände, er muss ja auf den
Kanzler warten, da hat er noch Zeit für ein paar Gespräche am Rande. Er
bedankt sich für den Einsatz und sagt: „Das schlimme Aufräumen geht
jetzt los.“ In der Gegend bei Regensburg aber stünde die Flut noch bevor.

Die Szenen und Sätze wiederholen sich

Kurz vor elf Uhr, und ebenfalls pünktlich, kommt Olaf Scholz (SPD) bei
der Brücke an. Er wird von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begleitet. Die
Politiker werden von Kreisbrandrat Christian Nitschke zu einem kleinen
Weg neben der Brücke geleitet, runter zur Paar. Aber wegen der Sicherheitsleute können die Menschen nicht an die Politiker herankommen. Die Anwohner strecken ihre Handys, damit sie die Politikerinnen wenigstens von hinten fotografieren können. Was
die Entourage unten bespricht, ist kaum zu hören. Nitschke übernimmt das
Reden, Söder guckt zur Seite, und zwischen ihnen steht
Scholz, von beiden Männern um einen Kopf überragt.

Plötzlich bewegen sie sich vom Fluss weg, es geht zum Einsatzzentrum, wo sich Nitschkes Krisenstab befindet. Etwas weiter weg von den aufgebauten Kameras und
Mikrofonen, auf dem Vorplatz des
Feuerwehrhauses, sammeln sich einige Reichertshofener. Während ein
Polizeihelikopter über den Köpfen der Menschen hinwegfliegt, sagt ein Jugendlicher zu seinem Freund: „Das ist krass. Aber ich
weiß nicht, wieso der jetzt herkommt.“ Gemeint ist der Kanzler.

Eine halbe Stunde lang warten die Menschen auf Söder und Scholz,
die im Gebäude sind. Endlich stellen sich die Politiker an die Mikrofone. Der Kanzler beginnt mit seinem kurzen Statement. „Die Naturgewalten sind groß“, sagt er,
jetzt brauche man Solidarität. Für Scholz ist es das vierte
Mal als Kanzler, dass er in ein Hochwassergebiet fährt, um so eine Rede zu halten.

Der bayerische Ministerpräsident spricht doppelt so lange. Er dankt dem
Kanzler und sagt, dass Bayern viel
investiert habe in den Hochwasserschutz, aber: „Es gibt keine
Vollkaskoversicherung gegen den Klimawandel.“ Man hoffe jetzt auch auf
finanzielle Hilfe vom Bund. Dann richtet er sich an die Betroffenen und mahnt, dass die Menschen bei Warnungen sofort das Haus
verlassen
und nicht erst „das Bild von der Oma“ retten sollten. Das Gleiche hat er am Vortag gesagt.

Keine Zeit, um Fragen zu beantworten

Als auch Söder fertig gesprochen hat, gibt es hinter den Kameras
Getuschel: Ob man Fragen stellen dürfe? Scholz schweigt kurz, dann kommt
ein Nein seiner Presseleute. Söder und Scholz schütteln noch einmal
die Hände einiger Helfer und Helferinnen, dann verabschieden sie sich. Der Besuch, der
Reichertshofen so viel Vorbereitung gekostet hat, ist nach knapp einer
Stunde vorbei.

Nachdem sich das Wasser zurückgezogen hat, beginnt nun das Aufräumen.

Der Weg zurück zur Brücke ist nun menschenleer und führt an vielen Abwasserpumpen vorbei, deren Schläuche in der
Kanalisation enden. Am Tag nach der Flut wird aufgeräumt. Ein Ehepaar sagt, man habe
Glück gehabt, nur 30 Zentimeter Wasser im Garten hinten, während bei
einigen Nachbarn der ganze Keller geflutet wurde. Das Paar ist trotz des Hochwassers gut
gelaunt, heute ist ihr 30. Jahrestag. „Vorhin, als der Kanzler
vorbeigekommen ist, hat er uns zugewunken“, erzählt der Mann. Sorgen machten sie sich dennoch, jederzeit könne der Regen wieder einsetzen.
Und wegen des Stromausfalls sei jegliche Kommunikation unterbrochen.
„Wir haben gar keine Info, wie es weitergeht.“ 

Sven Schäfer hingegen weiß das schon: Er wartet gerade auf die
Feuerwehr, die seinen Keller auspumpen soll. Er steht draußen vor seinem
Brandschutzladen, direkt daneben standen noch vor einer Stunde Söder
und Scholz. Erst gestern Abend kam Schäfer aus dem Urlaub zurück, mitten
in die Flut hinein. „Ich habe schon lange nicht mehr geweint“, sagt er.
„Aber als ich den Keller sah, brach ich in Tränen aus.“ Das Wasser
stand bis zur letzten Treppenstufe
, mittlerweile ist es etwas gesunken.
Aus dem Besuch der Politiker macht sich Schäfer nichts. Dass der Kanzler gleich
wieder weggefahren ist, wundert Schäfer nicht. „Der hat doch in zwei
Tagen wieder vergessen, dass er hier war!“

Auch viele von der Flut Betroffenen haben den Besuch anscheinend rasch wieder vergessen. Vor den Häusern stehen
Pumpen und Sandsäcke, Menschen stampfen in Gummistiefeln durch Gärten,
die nun Sümpfen gleichen. Wer von der Flut verschont blieb, hilft den Nachbarn.

In der Turnhalle der Grund- und Mittelschule Reichertshofen hilft
das Rote Kreuz jenen Evakuierten, die nicht bei Bekannten unterkommen
konnten, in Reichertshofen sind das etwa 150 Menschen. Darunter eine Frau mit zwei älteren
Töchtern. Ihnen stand das Wasser schon bis zum Bauch. Der Vater sei beim Haus und
versuche nun zu retten, was zu retten sei. Die drei Frauen haben nur das mitgenommen, was sie anhaben – und
ihre Haustiere: einen Hund, eine Katze, ein Kaninchen. Sogar Heu für das Kaninchen hätte das Rote Kreuz besorgt. Über den
Besuch des Kanzlers sagen sie nur: „Natürlich wäre es schön gewesen,
wenn er hierhergekommen wäre.“

Die ersten Schaulustigen sind schon da und zücken das Handy. Gleich
um elf Uhr, an einer Brücke über der Paar, wird der Bundeskanzler hier
stehen, der Ministerpräsident natürlich sowieso. „Für Stadt, Land und
Wir-Gefühl“ steht auf dem SPD-Wahlplakat, das in der Nähe der Brücke
hängt. Dieses Wir-Gefühl soll der Besuch der Politiker im
oberbayerischen Reichertshofen wohl erwirken.

Es ist Montag, der Tag nach der Flut.
Im Ort ist nicht mehr viel geblieben von den riesigen Wasserwellen des
vergangenen Tages, nur in einzelnen Straßen staut sich das Wasser noch.
Der Pegel der Paar ist mittlerweile um einen halben Meter seit dem Ausbruch am frühen Sonntagmorgen auf 335 Zentimeter gesunken. Der
bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war schon gestern hier,
mitten im Chaos, gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
(Grüne). Und heute also der Kanzler.

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