Zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse fragt unser Autor ausnahmsweise mal den Buchmarkt höchstpersönlich nach seinem werten Befinden
Der Autorin Martina Hefter, das darf man getrost annehmen, geht es gerade ziemlich gut geht. Ihr Roman Hey guten Morgen, wie geht es dir? ist schließlich „der beste des Jahres“, so hat es die Jury des Deutschen Buchpreises Montagabend nach zähstem Ringen, so war zu hören, unumstößlich beschlossen. Und ein Preisgeld von 25.000 Euro, ein Zehntel des Verlustes, den Suhrkamp 2022 schrieb, ist ja auch nicht übel. Viel interessanter ist daher die Frage, wie es dem Buchmarkt geht, der Arme soll ja wieder einmal tief in einer Krise stecken. Aber das tut er eigentlich jedes Jahr, besonders kurz vor der Frankfurter Buchmesse.
Nach der Verleihung im Kaisersaal des Frankfurter Römers erwischen wir ihn unten beim Büfett. Gerade hat er sich ein rosa Macaron in den Mund gesteckt. Das feine Gebäck ziert die Aufschrift „20 Jahre“. So alt ist der Deutsche Buchpreis nämlich heute geworden. „Hey guten Abend, lieber Buchmarkt, wie geht es Ihnen?“
„Danke der Nachfrage, heute gar nicht mal so schlecht.“ Ich habe immer noch den tosenden Applaus in den Ohren. Der war irgendwie stärker, schwunghafter als in den Jahren zuvor und brauste auch nicht erst bei der Verkündung der Gewinnerin des Deutschen Buchpreises auf. Das kam regelrecht einem trotzigen „Jetzt-erst-Recht“ des versammelten Literaturbetriebs gleich. Als etwa Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig meinte, dass es bei der Preisfindung weniger um Biografien oder Identitäten gehe, sondern um die „literarische Qualität“ und um eine „Haltung“, hatte ich fast den Eindruck, dass selbst die 52 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs auf den Gemälden für einen Augenblick ihre Lanzen, Zepter und Schwerter zur Seite gelegt hätten, um ebenfalls in die Hände zu klatschen.
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Dass der „beste Roman“ ein durch und durch autofiktionaler ist, nun ja, geschenkt. Deswegen hätte Clemens Meyer, der mit seinem dicken Roman Die Projektoren leer ausgegangen ist, aber nicht so ausrasten und auf den Römerberg wilde Flüche von sich geben müssen. Man denke nur an die hohen Papierkosten – 1056 Seiten! –, hätte er gewonnen. Wir sollen uns alle ein wenig zusammenreißen.
Salz in der Buchmarkt-Suppe
Denn es ist gerade nicht alles eitel Sonnenschein, das darf man jetzt beim Nieselregen draußen und in der Sektlaune nicht vergessen. Manche reden gar von einer „Untergangsstimmung“ in der Buchbranche.
Kürzlich habe ich mich mit dem ehemaligen Verleger des Hanser-Verlags, Michael Krüger, darüber per Mail unterhalten. Er schrieb, es gebe ein Lese-Problem in Deutschland, „also ein kulturelles Problem. Kinder sind nicht fähig, ihre Kultur und Geschichte in Texten aufzunehmen! Also gibt es immer weniger gute intelligente Leser, das ist das Problem!“
Und weiter: „Wir erleben im Buchmarkt eine Rückkehr des Kitsches. Das heißt, Probleme werden nicht beantwortet, sondern verklärt. Andererseits haben wir eine Fülle von kleinen Verlagen, die mit besonders qualitätsvollen Programmen aufwarten, aber im Buchhandel kaum präsent sind.“
Nicht alle Probleme sind somit, wie es immer gern heißt, „hausgemacht“, nur weil sich einige Verlage weigern, Hausmannskost im Programm zu haben, um die hohe Literatur querfinanzieren zu können. Aber so ganz stimmt das bei Suhrkamp ja auch nicht. Das wurde nach dem spektakulären Verkauf an den Investor Dirk Möhrle in den Zeitungskommentaren immer impliziert. Denn Suhrkamp hat ja auch den Insel-Verlag, nach meinem Geschmack kredenzt er zum Teil sehr seichte Hausmannskost.
Auch Krüger sieht da nicht zu schwarz, auch wenn man berücksichtigen muss, dass er selbst Autor von Suhrkamp ist. „Es gibt jetzt einen Eigentümer und einen Verleger, und nicht mehr ein Gewusel von Geld und Interessen“, meint er. Warten wir lieber einmal ab und schauen in die Zukunft. In die Frühjahrsprogramme des kommenden Jahres habe ich jedenfalls schon einmal hineingeblickt. Das klingt doch ganz optimistisch: Wenn die Knie schlottern und das Herz rast. Alles, was man über Angst wissen muss erscheint bei Hoffmann & Campe, Wie gut wir sind, zeigt sich in Krisenzeiten bei Piper. Und da ich gerade die Spaghetti am Büfett sehe – ach richtig, Italien ist ja der Ehrengast der diesjährigen Buchmesse – fällt mir noch der Frühjahrstitel Wann kommt das Salz ins Nudelwasser? (DuMont) ein. Wer sich solche Fragen stellt, sollte an den Rezepten für die Zukunft aber vielleicht noch etwas feilen.