Sind die gut vier Monate seit Amtsübernahme der schwarz-roten Koalition ein ausreichend langer Zeitraum, um Reformen auf den Weg zu bringen? Dass es zu dieser Frage unterschiedliche Ansichten gibt, zeigte sich am Dienstag auf einer Veranstaltung des Maschinenbauverbands VDMA in Berlin.
Verbandspräsident Bertram Kawlath äußerte sich in Gegenwart von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kritisch über die bisherige Arbeit der schwarz-roten Koalition. Wegen deren „Furcht vor Reformen“ gingen in der Industrie immer mehr Arbeitsplätze verloren. „Die Stimmung in unserer Branche ist nicht mehr nur angespannt, sie ist wütend und enttäuscht.“
Merz frodert von Wirtschaft mehr Zuversicht
Merz hingegen verwies in seiner Rede auf die bereits beschlossenen Erleichterungen für die Wirtschaft. „Dazu zählt, Herr Präsident, eine signifikante Änderung in der Steuerpolitik.“ Auch Sozialreformen wie die des Bürgergelds seien auf einem „guten Weg“. Er bat darum, dass die Wirtschaft die Regierung „kritisch ja, aber bitte auch mit der notwendigen Zuversicht“ begleite.
Auf den Beschluss des steuerlichen „Investitionsboosters“ soll nach den Worten von Merz demnächst eine Bürokratieabbauoffensive folgen. „Ich stelle mir vor, dass wir im Oktober eine Kabinettssitzung machen, in der wir nicht ein einziges neues Gesetz beschließen, sondern eine ganze Reihe von bestehenden Gesetzen und Regulierungen abschaffen“, kündigte der Kanzler an. Hintergrund ist, dass Digital- und Staatsmodernisierungsminister Karsten Wildberger (CDU) von allen Ministerien bis zum 15. September Vorschläge für einen schlankeren Staat angefordert hatte. Diese würden nun gesichtet, sagte Merz.
Verbandschef unterstellt Regierung „Symbolpolitik“
Kawlath hatte zuvor beklagt, dass staatliche Förderprogramme wenig nutzten, wenn die Unternehmen Jahre warten müssten, bis neue Anlagen genehmigt würden. Für ein Blockheizkraftwerk habe er kürzlich 37 Anträge stellen müssen, früher seien es sechs gewesen, berichtete der Verbandschef, der selbst ein Unternehmen für Mess- und Regelungstechnik in Ingolstadt führt. Die Koalition betreibe mit Maßnahmen wie der Mütterrente und der Senkung der Mehrwertsteuer für Gastronomen „Symbolpolitik“, während die Wirtschaft auf die „Wirtschaftswende“ warte.
Merz verteidigte seine vielen außenpolitischen Termine damit, dass es eine „fundamentale Veränderung der politischen und ökonomischen Machtzentren der Welt“ gebe. Außen-, Sicherheits-, Europa- und Wirtschaftspolitik ließen sich nicht mehr trennen. „Wenn es Europa gut geht, geht es Deutschland gut. Und wenn es Europa nicht gut geht, geht es Deutschland überdurchschnittlich schlecht.“ Die Bundesregierung sei mit „großer Ernsthaftigkeit und großem Fleiß“ bei der Arbeit. „Wir haben noch nie ein Bundeskabinett gehabt, in dem so viele Mitglieder auf umfangreiche privatwirtschaftliche Erfahrungen zurückgreifen konnten.“
Kawlath lobt Minister – Reiche nicht
Auch aus Kawlaths Sicht läuft nicht alles schlecht. Die Zusammenarbeit mit Forschungsministerin Dorothee Bär (CSU) lobte er, ebenso die mit Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) und Digitalminister Wildberger. Positiv erwähnte er auch Außenminister Johann Wadephul (CDU), mit dem Kawlath kürzlich in Japan und Indonesien war. „Es ist schön zu sehen, dass ein Außenminister wieder Wirtschaftsdelegationen mitnimmt.“
Interessant war, wen der Maschinenbaupräsident in seiner Lobreihe nicht erwähnte: Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Die frühere Vorstandsvorsitzende des Energieunternehmens Westenergie war nach ihrer Ernennung durch Merz von den Wirtschaftsverbänden mit vielen Vorschusslorbeeren begrüßt worden. Inzwischen hat sich diese Begeisterung jedoch spürbar gelegt. Das für die Wirtschaft teure und bürokratische Tariftreuegesetz vermochte die Ministerin im Kabinett nicht aufzuhalten.
Bei öffentlichen Auftritten wirkt Reiche oft hölzern und wenig empathisch. Als im Rahmen der Haushaltsdebatte am Dienstag im Bundestag über den Etat ihres Ministeriums debattiert wurde, las sie auf der Regierungsbank Akten. Die Redebeiträge für die CDU übernahmen andere.