Heizungsstreit: Auf der Suche nach dem Beipackzettel

Auf der Suche nach dem Beipackzettel – Seite 1

Immerhin in einer Frage sind sich FDP und Grüne am Mittwoch einig: Die Gespräche der Berichterstatter der Fraktionen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seien „konstruktiv und sachlich“ gewesen – so berichten es Vertreter beider Seiten übereinstimmend. Am Dienstagabend hatte sich der Minister zwei Stunden lang Zeit genommen, um alle 77 Fragen von FDP-Abgeordneten zum umstrittenen Gebäudeenergiegesetz zu beantworten. Hinzugekommen waren die Berichterstatter der anderen Regierungsfraktionen. Ein unübliches Prozedere, normalerweise ist das nicht der Job des Vizekanzlers.

Es war wohl auch der Versuch, von seiner Seite ein Maximum an Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Immerhin ist die Wärmewende eines der wichtigsten Projekte des grünen Wirtschaftsministers. Doch seit die FDP das Gesetz in der vergangenen Woche trotz Kabinettsbeschluss blockiert und eine Befassung des Parlaments verhindert hat, ist die Situation verfahren.  

Als „extrem hitzig“ beschrieben Koalitionspartner die Lage zuletzt. Nun immerhin scheint der Ton wieder etwas freundlicher und zuversichtlicher. „Wir nähern uns jetzt wirklich der Zielgeraden“, sagte etwa SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Auch Grünenfraktionschefin Katharina Dröge zeigte sich optimistisch: Die Gespräche hätten gezeigt, dass es Kompromisse geben könne. Auch der Kanzler, so ist zu hören, soll „sehr optimistisch“ sein, dass eine Einigung gelingt. Allerdings hatte er sich auch vor der letzten Sitzungswoche im Mai im Bundestag so geäußert. Und dann wurde das Ganze noch mal verschoben.

Annäherung beim Einstiegsdatum

Immerhin scheint man sich in einem zentralen Konflikt angenähert zu haben: Bereits am Wochenende hatte Habeck angekündigt, aus seiner Sicht könne man sich bei der Pflicht, ab 2024 nur noch Heizungen neu einzubauen, die zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden, erst mal auf Neubauten beschränken. Ursprünglich war geplant, dass dies sowohl für Neu- als auch für Bestandsgebäude gelten sollte.

Viele Sorgen drehten sich daher zuletzt um die Schwierigkeiten bei bestehenden Häusern, die kaum adäquat mit Wärmepumpen zu dämmen seien – oder von alten oder armen Menschen bewohnt würden. Beschränkt man sich zunächst auf Neubauten, entfällt ein Großteil der diskutierten Probleme.

Die Frage ist nur: für wie lange? Dazu, ab wann das Gesetz auch für Bestandsgebäude gelten soll, machte Habeck nämlich keinen Vorschlag. Diese Frage könnte nun zum entscheidenden Streitpunkt zwischen den Koalitionspartnern werden.

Praktikabel und umsetzbar

Noch halten sich alle möglichst bedeckt. Auch die FDP will sich bisher nicht öffentlich festlegen. Das Gesetz müsse praktikabel und umsetzbar sein, hört man lediglich. Daran müsse der Startzeitpunkt ausgerichtet werden. Aus der SPD ist die
Überlegung zu hören, ob man nicht lieber die Förderung zum Umstieg attraktiver macht. Bei Bestandsimmobilien sollte „ermöglicht statt verpflichtet“ werden, heißt es aus der SPD.  

Die Seite der Grünen macht dagegen eine einfache Rechnung auf: Wenn Deutschland 2045 klimaneutral sein will, was so im Klimagesetz der Bundesregierung festgehalten sei, gibt es keinen großen Spielraum für eine Verschiebung. Denn da Gasheizungen im Schnitt mindestens 20 Jahre halten, dürfte spätestens ab 2025 keine neuen mehr eingebaut werden. Alles andere würde dazu führen, dass Menschen am Ende doch funktionierende Heizungen rausreißen müssten.

Bei der FDP sieht man das anders. Auch wer nach 2025 noch eine Gasheizung einbaue, könne 2045 klimaneutral heizen – durch Gasleitungen können schließlich auch anderer Brennstoff als Erdgas fließen, Biomethan etwa oder nachhaltiger Wasserstoff. Zwar sieht das Gesetz bereits die Möglichkeit vor, auch nach 2024 noch Gasheizungen einzubauen, die Wasserstoff-ready sind, Voraussetzung ist allerdings, dass der Umbau der Gasnetze tatsächlich realistisch und mit konkreten Investitionsschritten unterlegt ist. Da diese Voraussetzungen derzeit kaum zu erfüllen sind, wird die FDP wohl versuchen, hier noch mal nachzubessern. Die Grünen wiederum dürften da kaum mit sich reden lassen. Sie fürchten, dass das Heizungsgesetz sonst zu einem Erdgasverlängerungsgesetz wird.

Bei der Wärmeplanung macht die FDP den nächsten Rückzieher

Die FDP beklagt generell, dass das Gesetz nur in der Theorie technologieoffen sei, nicht aber in der praktischen Umsetzung. Konkret fordert sie, dass Holzpelletheizungen auch in Neubauten eingebaut werden dürfen, was bisher nicht vorgesehen ist. An diesem Punkt scheint Habeck gesprächsbereit, jedenfalls deutete er an, dass er sich bei den Holzpelletheizungen noch Änderungen vorstellen könnte. Doch vielen Grünen dürfte dieses Zugeständnis nicht leicht fallen. Zwar ist Holz ein nachwachsender Rohstoff, doch bei seiner Verbrennung entsteht CO₂, das durch Aufforstung nur mit Verzögerung wieder gebunden wird.

Zu weit gehen der FDP auch die Vorgaben zur Nah- und Fernwärme. Zwar ist deren Nutzung in dem Gesetz ausdrücklich vorgesehen, doch die FDP findet die Fristen für die Umstellung für Wärme aus erneuerbarer Energie zu kurz. Ein anderes Problem: In vielen Kommunen ist noch gar nicht klar, welche Wärmenetze es künftig geben soll. Die Versorger aber müssten ja rechtzeitig umstellen. Die FDP fordert deswegen eine bessere Verzahnung des Heizungsgesetzes mit der kommunalen Wärmeplanung. Tatsächlich erarbeitet Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) gerade ein entsprechendes Gesetz, doch für viele Menschen, die jetzt über den Austausch ihrer kaputten Heizung nachdenken, werden die kommunalen Pläne wohl zu spät kommen. Daran lässt sich kaum etwas ändern, es sei denn man verzögert das Heizungsgesetz um Jahre. 

Hinzu kommt: Obwohl die FDP das Gesetz zur Wärmeplanung so dringend fordert, hat sie dessen Erstellung zuletzt ebenfalls blockiert, weil es die Kommunen verpflichtet, umfangreiche Heizdaten der Bürgerinnen und Bürger zu erheben. Das Gesetz sei ein undurchführbares Bürokratiemonster, kritisierte etwa der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, der den Widerstand gegen das Heizungsgesetz in der FDP organisiert.

Worüber reden sie überhaupt?

Am Mittwoch schien es zumindest in dieser Frage zunächst ein wenig Entspannung zu geben. Es habe eine Grundsatzeinigung gegeben, verkündete Geywitz. Doch das wurde wenig später nicht nur von Schäffler, sondern auch aus Kreisen des FDP-geführten Finanzministeriums dementiert.

Das alles lässt ahnen, wie mühsam die Verhandlungen über das Heizungsgesetz noch werden dürften. Zumal sich FDP und Grüne nicht mal wirklich einig zu sein scheinen, worum es in derzeit weiter laufenden Gesprächen zwischen den Vizefraktionsvorsitzenden oder den Fachpolitikern eigentlich geht. Während die FDP darauf dringt, dass man noch vor einer ersten Lesung möglichst weitgehende Einigungen erzielt – gewissermaßen einen Beipackzettel zu dem Gesetzentwurf verabredet – betonten die Grünen, dass man erst im parlamentarischen Verfahren in Detailverhandlungen einsteigen könne. Zuvor könne man allenfalls Kompromisskorridore ausloten. Die derzeitigen Gespräche seien deswegen streng genommen gar keine Verhandlungen.

Wie erfolgreich die Annäherung verläuft, wird man spätestens am 13. Juni wissen. An diesem Tag entscheiden die Parlamentarischen Geschäftsführer über die Tagesordnung für die kommende Sitzungswoche. Sollte die FDP auch dann nicht bereit sein, einer Aufsetzung zuzustimmen, wäre eine Verabschiedung im Bundestag vor der Sommerpause wohl nicht mehr möglich – und die Ampel stünde erneut vor der Zerreißprobe.

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