Haushaltsberatung: Das umstrittene Investitionskalkül

Der eine redet über Rekordinvestitionen, der andere über Haushaltstricks. Hier Wachstumsimpulse und ein moderneres Land, dort grenzenloses Schuldenmachen und ein Land im Niedergang. Zwei Rollen, zwei Sichtweisen. Was die Vertreter der schwarz-roten Koalition wortreich rühmen, stößt auf entschiedene Ablehnung der Opposition – es ist die normale Auseinandersetzung zum Auftakt der Haushaltswoche. Ungewöhnlich ist die verkürzte Frist. Nur drei Tage, also einschließlichen diesen Donnerstag, beraten die Abgeordneten über den Etat 2025, üblicherweise nimmt man sich einen Tag mehr Zeit. Die Tagesordnung wurde um einen Tag verkürzt, um den Abgeordneten eine Verschnaufpause in der Heimat zu gönnen.

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), der erst als sechster Redner in der Debatte zu seinem Etat ans Pult trat, hielt sich mit Zahlen und Fakten zurück. Er bekräftigte in allgemeiner Form seine Positionierung: „Wir investieren, wir reformieren, und wir konsolidieren.“ Die Regierung werde Deutschland voranbringen. Sie investiere sehr viel in Infrastruktur, in Digitalisierung, in Innovation. Sie reformiere das Land, um es effizienter, moderner und handlungsfähiger zu machen. Die Konsolidierung fange mit diesem Haushalt an. „Das wird sich in den nächsten Haushalten noch deutlicher entwickeln, dass wir priorisieren, dass wir sparen und dass wir vernünftig mit dem Geld umgehen, das uns zur Verfügung steht“, versprach der SPD-Politiker.

„Rund dreimal so viel wie unter Angela Merkel in den Jahren 2018 und 2019“

Sein Parteifreund Michael Rudolph, der in dieser Legislaturperiode haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion geworden ist, hatte zuvor ein paar Kennziffern aus der bis zum Jahr 2029 reichenden Finanzplanung genannt. Die Koalition werde mit Bundeshaushalt, Sondervermögen und Klima- und Transformationsfonds (KTF) Jahr für Jahr knapp 120 Milliarden Euro investieren. Das seien 40 Milliarden Euro mehr als vergangenes Jahr. „Das ist rund dreimal so viel wie unter Angela Merkel in den Jahren 2018 und 2019.“ Diese Politik sorge für Wachstum und erhöhe die Wettbewerbsfähigkeit, weil eine sanierte Infrastruktur die Kosten für die Wirtschaft senke. Mit den verbesserten Abschreibungsbedingungen für Unternehmen, mit dem Bürokratieabbau und der Planungsbeschleunigung sei dies der „Gamechanger“ für Deutschland.

Zweiter Schwerpunkt ist nach Rudolphs Worten die Verteidigungspolitik. Weil Deutschland seine äußere Sicherheit künftig deutlich unabhängiger gewährleisten müsse, investiere die Koalition in diesem Jahr 86 Milliarden Euro in die Bundeswehr. Dazu muss man wissen, dass zu den 62,3 Milliarden Euro, die im Kernhaushalt für das Verteidigungsministerium vorgesehen sind, noch die Mittel aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr hinzukommen. In diesem Jahr sollen so nochmals 24,1 Milliarden Euro aufgebracht werden. Der SPD-Politiker nannte auch die Werte bis zum Ende des Finanzplans im Jahr 2029: „Insgesamt stellen wir bis 2029 über 600 Milliarden Euro bereit, davon 450 Milliarden Euro über neue Kredite.“ Das bedeute, deutlich mehr als die Hälfte aller Schulden, die Schwarz-Rot mache, dienten der Ausstattung der Bundeswehr.

Nettokreditaufnahme von 845 Milliarden Euro

Über die fünf Jahre kalkuliert die Koalition mit einer Nettokreditaufnahme von 845 Milliarden Euro. Neben dem Bundeshaushalt läuft dies über die Sondervermögen für die Bundeswehr und die Investitionen, die von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Dieses Jahr soll der Bund 502,5 Milliarden Euro über den Kernhaushalt ausgeben dürfen, hinzu kommen rund 37 Milliarden Euro über den Nebentopf für Investitionen und etwa 24 Milliarden Euro aus dem Extraetat für die Bundeswehr. Die Ausgaben aus diesen „Sondervermögen“ werden komplett über neue Schulden finanziert.

Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg warnte davor, sich auf den gesteigerten Investitionsausgaben und anderen Maßnahmen zur Stärkung des Wachstums auszuruhen. 143 Milliarden Euro würden dieses Jahr auf Kredit finanziert. Bezogen auf die Gesamtausgaben seien das mehr als 25 Prozent. Dieser Kreditanteil werde demnächst sogar noch stärker werden. „Wir können uns eine dauerhafte Kreditfinanzierungsquote von 25 Prozent oder demnächst von 29 Prozent nicht auf Dauer leisten, sondern wir müssen die natürlich wieder zurückführen.“ Sonst werde Deutschland mehr Zinsen für seine Schulden zahlen müssen: „Wir sind im Moment bei 2,7 Prozent, die wir für eine zehnjährige Bundesanleihe zahlen. Die Italiener und die Franzosen sind bereits Richtung vier Prozent unterwegs und die USA sind schon deutlich über vier Prozent.“

Sebastian Schäfer von den Grünen attackierte die Finanzpolitik scharf: „Wir sehen Flickschusterei statt Strategie, Haushaltstricks statt Zukunftsinvestitionen.“ Der Haushalt werde zwar nur drei Monate in Kraft sein, doch er lege das Fundament für die Legislaturperiode. „Damit wird der Mantel falsch eingeknöpft.“ Die Koalition vergebe die Chance, in der Wirtschaftskrise den notwendigen Impuls zu setzen. Mittelfristig werde damit die Staatsschuldenquote stärker als notwendig steigen. Die Linken-Parteivorsitzende Ines Schwerdtner befand: „Noch nie hat eine Regierung so viel Geld ausgegeben, und noch nie ist so wenig bei den Menschen angekommen.“ Zusätzliches Geld gebe es für das Militär, zugleich gebe es von der Regierung einen massiven Angriff auf den Sozialstaat.

Michael Espendiller von der AfD, der die Debatte eröffnen durfte, warf der Koalition vor, sich mit der gelockerten Schuldenbremse von jedem Sparzwang befreit zu haben. „Diese Bundesregierung setzt ungeniert auf die krasseste Verschuldung, die dieses Land je gesehen hat.“ Der Politiker warb dafür, die Zahlungen nach Brüssel zu kappen. Zwar gebe es Verträge, aber die könne man ändern. Auch an den Ausgaben für die Bundeswehr und an der Waffenhilfe für die Ukraine will die AfD sparen. Klimaprojekte sind nach Espendillers Worten überflüssig. So will er die kompletten Ausgaben des KTF einsparen, rund 37 Milliarden Euro. Der AfD-Politiker ging nicht darauf ein, ob dies möglich ist, wenn das Jahr schon zu fast drei Viertel herum ist und es Förderzusagen gibt.

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