Haushalt: Olaf Scholz irritiert denn Chefoptimist

Eines kann man der Ampelkoalition nicht vorwerfen: dass sie die Erwartungen an den Haushalt 2025 und das „Dynamisierungspaket“ für die Wirtschaft zu niedrig hängt. In der Bundestagsdebatte am Mittwoch platzierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine neueste Wortkreation. Nach der „Bazooka“ gegen Corona und dem „Doppel-Wumms“ gegen die hohen Energiepreise soll nun der „Wachstumsturbo“ kommen. Nicht weniger als „eine unglaubliche Belebung“ stellte Scholz in Aussicht. Seitdem wird in Berlin gerätselt: Meint er das ernst?

Schon im vergangenen Jahr hatte Scholz für Erstaunen gesorgt, als er Deutschland wegen der Investitionen in den Klimaschutz ein Wirtschaftswachstum wie in den Nachkriegsjahren prophezeite. Was stattdessen geschah: In Elek­troauto- und Wärmepumpenfabriken werden mangels Nachfrage Schichten ge­strichen. Mit viel politischen Tamtam gefeierte Batteriefabriken werden später, vielleicht auch gar nicht gebaut. Während die Wirtschaft der USA in diesem Jahr um 2,7 Prozent wachsen soll, krebst die deutsche weiter um die Nulllinie herum.

Was sich an Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft abzeichnet, wird die von Scholz geweckten Erwartungen kaum erfüllen können. Ein paar mehr steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten hier, ein paar Anreize zum Weiterarbeiten für Rentner da, etwas weniger Bürokratie beim Lieferkettengesetz und schnellere Exportgenehmigungen – eine große Renten- und Steuerreform, wie sie Ökonomen fordern, wird es indes nicht geben.

Kontrapunkt zur schlechten Stimmung im Land

Anruf bei einem Kommunikationsberater, der unter anderem schon für die Berliner SPD Wahlkampf gemacht hat: Wie erklärt er sich den Scholzschen Optimismus? „Er will einen Kontrapunkt setzen zu der schlechten Stimmung im Land“, sagt Imran Ayata, Chef der Agentur Ballhaus West. „Nach dem Motto: Mit mir kommt der Aufschwung.“ Dieser Ansatz sei nicht per se falsch, sagt Ayata. Kommunikation könne schließlich Kräfte freisetzen. „Aber der Kanzler hat zu wenig in der Hand. Es fehlt die Beweisführung. Es ist offenkundig, vor welchen Herausforderungen Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wirtschaftlich steht. Und dass ein bisschen Bürokratieabbau daran wenig ändern wird.“

Grundsätzlich gebe es in der Politik eine große Sehnsucht nach „Narrativen“, erklärt der Werber. Nach Erzählungen, die den Menschen Orientierung geben. „In der Ampelkoalition war das am Anfang die Erzählung, dass diese Dreierkonstellation eine Fortschrittskoalition ist. Aber diese Regierung ist auserzählt. Da gibt es keine Geschichte mehr, die nach vorne weist“, konstatiert Ayata. „Jetzt versucht jeder der drei nur noch, sich für die nächste Bundestagswahl zu profilieren. Zugespitzt gesagt: dort nicht unterzugehen.“

Es geht aufwärts? Immer wieder hat auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in den vergangenen Monaten Optimismus verbreitet. Er stützt sich vor allem auf die steigenden Tariflöhne und die gesunkene Inflation. Die Menschen könnten wieder mehr Geld ausgeben.

Doch in die moderate konjunkturelle Zuversicht mischen sich zunehmend Zweifel. Der Abwärtstrend im verarbeitenden Gewerbe hält seit 2022 unverändert an. Am Donnerstag kam die Nachricht, dass der Auftragseingang im Mai den fünften Monat in Folge gefallen ist, und zwar um 1,6 Prozent gegenüber April. Ohne Großaufträge gerechnet, die ihre Wirkung erst auf längere Sicht entfalten, sank er gar um 2,2 Prozent. Insgesamt liegen die neuen Bestellungen 8,6 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Auch Stimmungsindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima oder die Einkaufsmanagerindizes gaben zuletzt nach.

Kommt die deutsche Wirtschaft noch in Schwung?

Besonders schlecht entwickelte sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts zuletzt die Nachfrage aus dem Ausland. Eben diese soll nach den Konjunkturprognosen in diesem Jahr aber dafür sorgen, dass die deutsche Wirtschaft in Schwung kommt. Volkswirte werten den schwachen Auftragseingang als Indiz, dass die für die zweite Jahreshälfte erwartete wirtschaftliche Erholung eher schwach ausfallen wird. Auch Habecks eigenes Haus prognostiziert in der für Deutschland so wichtigen Industrie eine „eher verhaltene“ Konjunktur. Wäre die Stimmung in der Wirtschaft so gut wie bei Scholz und Habeck, dann wäre viel gewonnen.

Und auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ließ es sich trotz der Haushaltsverhandlungen nicht nehmen, am Donnerstagnachmittag eine gute halbe Stunde lang das 75-jährige Bestehen des Wissenschaftlichen Beirats seines Ministeriums mitzufeiern. Er nutzte das Podium, um abermals für die Schuldenbremse zu werben. „Unser Land hat oft keinen Mangel an Geld, sondern einen Mangel an Mut.“ Gegen die hohen Kosten für das Bürgergeld brauche es „quick fixes“, schnelle Korrekturen. Zum Stand der Gespräche sagte er nur so viel: „Machen Sie sich keine Sorgen. Kriegen wir alles hin.“

Vielerorts wird über das Ringen um den Haushalt nur noch genervt mit den Augen gerollt. Einen Mann, dessen Metier strategische Machtspiele sind, können sie nicht schocken. „Es ist ganz normal, dass alle Parteien mit ihren Maximalforderungen einsteigen, obwohl sie von Anfang an wissen, dass die nicht durchsetzbar sind. Sie wissen auch schon, wo man sich etwa treffen wird“, sagt Matthias Sutter, Spieltheoretiker und Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn.

Warum dann das politische Schauspiel? „Jede Partei muss ihrer Klientel signalisieren, wofür sie steht.“ In der entscheidenden Rolle sieht Sutter Verhandlungsführer Olaf Scholz. Der müsse austarieren, welche Partei bereit ist, welche Kröte zu schlucken, und wie ein Kompromiss aussieht, den alle als Erfolg verkaufen können. Dass die Fraktionen drohen, die Sache zu torpedieren und die Ampel damit zu sprengen, hält der Forscher nicht für glaubwürdig. Denn in Neuwahlen würden alle Ampelparteien verlieren. „Die Fraktion will ich sehen, die das durchzieht“, sagt Sutter.

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