Grüne: Was bedeutet jener Rücktritt des Vorstands für jedes die Ampel?

Erst einmal soll es nur um die Grünen gehen. Und so dankten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil zunächst der zurückgetretenen Grünen-Spitze für die Zusammenarbeit. „Wir haben gemeinsam an der Spitze unserer beiden Parteien stets verlässlich und vertrauensvoll Dinge besprochen und geklärt“, hieß es in einem gemeinsamen Statement. „Trotz mancher inhaltlicher Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war.“ Deshalb danke man Omid Nouripour und Ricarda Lang „von Herzen“.

Beide hatten am Mittwochvormittag ihren Rückzug von ihren Parteiämtern verkündet. Auch der restliche Bundesvorstand will nicht mehr bei den Wahlen auf dem Parteitag im November antreten.

Auf die Ampel-Koalition hat der angekündigte Rücktritt der beiden grünen Parteivorsitzenden nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) keine Auswirkungen. Scholz habe mit den beiden Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour „eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet“ und bedauere ihren Rückzug, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Namen von Scholz. Es gehöre in demokratischen Verfahren aber dazu, dass es auch mal Wechsel in Parteiführungen gebe. „Das hat keinerlei Auswirkungen auf die Koalition“, betonte Hebestreit.

Für die SPD berührt der Rücktritt der gesamten Grünen-Führung dennoch unangenehme Fragen. Es brauche neue Gesichter an der Spitze der Grünen, hatten Nouripour und Lang gesagt. Die Debatte, ob die SPD auch neue Gesichter brauche – vor allem eines an der Spitze – läuft ja seit Monaten. Katja Mast, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, versicherte am Mittwochmorgen bei einem Termin mit Journalisten Scholz die Gefolgschaft und sicherte ihm die Kanzlerkandidatur zu, das sei ganz unumstritten – als just die Meldung über den Rücktritt der Grünen-Führung auf den Handys aufploppte.

CDU will vorgezogene Bundestagswahl

Was bedeutet das nun für die Ampel-Koalition? Könnte da etwas ins Rutschen geraten? Mast sagt, sie interpretiere die Meldung als Neusortierung einer Partei, nicht der Ampel. Sie habe von den Grünen keine anderen Zeichen bekommen. Der Koalitionspartner wolle schließlich noch gemeinsame Projekte im Bundestag beschließen. Ob die Grünen aber jetzt oder mit neuer Führung irgendwann eine inhaltliche Neuorientierung vornehmen wollen, konnte Mast nicht sagen. Sie erinnerte daran, dass die Ampel schon viele gemeinsame Krisen bewältigt habe. Deswegen gehe sie davon aus, dass auch weiterhin im Arbeitsmodus verfahren werde.

Und Olaf Scholz? Trotz der Versicherungen der Parteiführung gibt es weiter Unruhe unter den Sozialdemokraten, ob er der Richtige für die Bundestagswahl nächstes Jahr ist. Der Sieg von Dietmar Woidke in Brandenburg hat Scholz stabilisiert. Allerdings gibt auch Mast zu: Der Rücktritt der Grünen-Führung wird zu einer Debatte auf den Fluren führen.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte nach dem Rücktritt des Grünen-Vorstands eine vorgezogene Bundestagswahl. „Noch ein Jahr Ampel wird unser Land nicht verkraften“, sagte Linnemann der F.A.Z.. „Ich bleibe dabei: An Neuwahlen führt kein Weg vorbei.“ Die Grünen hätten „persönliche Konsequenzen“ aus den „desolaten“ Wahlergebnissen gezogen, sagte der CDU-Generalsekretär mit Blick auf das schlechte Abschneiden der Grünen bei den jüngsten Wahlen in Ostdeutschland. „Das ist ein respektabler Schritt von Omid Nouripour und Ricarda Lang.“

Das Problem sei aber ein anderes: „Die Grünen müssen ihre Politik grundsätzlich ändern“, sagte Linnemann. „Die grüne Blockadehaltung bei der Migrationspolitik und Robert Habecks ideologisches Mikromanagement im Wirtschaftsministerium schaden unserem Land.“

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sieht den Wechsel an der Grünen-Spitze als Zeichen für einen Zerfall der Ampel-Koalition. „Die Fliehkräfte in der Ampel nehmen weiter zu“, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. „Mit dem Rücktritt des gesamten Parteivorstands der Grünen zerbröselt die Koalition vor laufenden Kameras.“

Gerade jetzt könne sich Deutschland einen weiteren Verlust an Regierungsfähigkeit nicht leisten, sagte Frei. „Anstatt in eine wochenlange Hängepartie zu schlittern, wären mutige Entscheidungen notwendig“, forderte der Abgeordnete. Die Menschen im Land erwarteten Antworten auf die sich zuspitzende Wirtschaftskrise. „Und sie verlangen eine Kehrtwende in der Migrationspolitik.“

Source: faz.net