Großbritannien-Wahl: Labour mit zweifelhaften Versprechen

Die Zeit der Regierung von Rishi Sunak in Großbritannien läuft ab. Nicht einmal die wettfreudigsten Tories würden jetzt noch ein paar Pfund auf Sieg setzen, nachdem die Partei im Wahlkampf immer tiefer in einer Serie aus Pannen und Skandalen versank. Am Donnerstag dürfte die Konservative Partei bei der Unterhauswahl ein Desaster erleben. Unrühmlich enden die vierzehn Jahre Tory-Ära, in denen fünf Premierminister und sieben Schatzkanzler das britische Staatsschiff im Zickzackkurs durch unruhige Gewässer fuhren.

Die wirtschaftliche Entwicklung war und ist schwach. Seit der Finanzkrise leidet das Land unter zu geringen Produktivitätszuwächsen, die Reallöhne für viele stagnierten. Das öffentliche Gesundheitswesen NHS ist überlastet, die Wartelisten sind unerträglich lang. Viele einstige Tory- und Brexit-Wähler sind wütend über den hohen Immigrationsdruck.

Statt der versprochenen „Kontrolle über die Grenzen“ und einer Begrenzung der Zuwanderung (sowohl der legalen als auch der illegalen) stieg die Migration auf Rekordhöhen. Aus dieser Unzufriedenheit speist sich der jüngste Aufschwung der Reformpartei des geschickten Populisten Nigel Farage, der die Tories zu zerbröseln droht.

Labour ist in die linke Mitte gerückt

Labour steht vor einem Wahltriumph. Die Labour-Partei von Keir Starmer ist nicht mehr jene von Jeremy Corbyn vor fünf Jahren. Der Technokrat Starmer hat Corbyn ausgeschlossen und die Partei nach dem sozialistischen Irrweg in die linke Mitte gerückt. Starmer verspricht, Labour werde Wirtschaftswachstum ins Zentrum seiner Politik stellen.

Die Steuern für die arbeitende Bevölkerung sollen nicht weiter erhöht werden, hieß es. Gleichzeitig werde Labour die öffentlichen Dienste reparieren. Schattenschatzkanzlerin Rachel Reeves meint, die neue Stabilität des Landes unter Labour werde Investoren in Scharen anlocken.

Aus mehreren Gründen sind große Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Versprechen angebracht. Die große Wette auf Wachstum erscheint gewagt. Reeves sprach von 2 Prozent, Starmer gar von 2,5 Prozent im Jahr – das wäre mehr als doppelt so viel Wirtschaftswachstum wie im Durchschnitt des vergangenen Jahrzehnts.

Volkswirte halten diese Erwartung für illusorisch und überoptimistisch. Der einzige konkrete Punkt im Programm, der für etwas mehr Wachstum spricht, ist die angekündigte Reform des Baurechts, um den Wohnungsbau zu beschleunigen. Aber dieser Effekt dürfte erst in ein paar Jahren zu merken sein.

Ohne Wachstumssprung geht der Budgetplan nicht auf

Bleibt der erhoffte große Wachstumssprung aus, dann geht auch Labours Budgetplanung nicht auf. Finanzfachleute warnen schon vor einem großen „schwarzen Loch“ von 20 Milliarden Pfund im Jahr im Haushalt. Der noch amtierende Tory-Finanzminister Jeremy Hunt hat mittelfristig erhebliche Kürzungen in vielen Ministerien vorgesehen – ein schwieriges Erbe für Reeves. Ihr Spielraum wird extrem gering. Geht das Wachstumsversprechen nicht auf, müsste sie bald schon ihre Versprechen brechen und doch die Steuern erhöhen.

Unglaubwürdig erscheinen auch andere Labour-Pläne. Etwa die Ankündigung, die Stromversorgung bis 2030 komplett zu dekarbonisieren, also alle bestehenden Gaskraftwerke abzuschalten und durch Windräder und Solarenergie zu ersetzen. So schnell ist das kaum möglich. Die Kosten dürften astronomisch hoch sein.

Labours Klimapolitik ist ideologisch aufgeladen. Statt „grünem Wohlstand“ droht Wohlstandsvernichtung. Hochproblematisch ist auch Labours Absicht, das Verbot neuer Verbrenner-Autos von 2035 auf 2030 vorzuziehen. Schon jetzt klagt die Autoindustrie über die nicht erfüllbaren E-Auto-Quoten und die drohenden Strafzahlungen.

Das sind Beispiele für planwirtschaftliche und interventionistische Politik, die unter Labour zunehmen wird. Es ist unglaubwürdig, dass daraus mehr Wachstum resultieren soll. Auch Labours Investitionspläne sind, bei Licht betrachtet, viel zu mager. Reeves Versprechen, Post-Brexit-Handelshürden abzubauen, wird schwierig. Eine Rückkehr in den EU-Binnenmarkt oder die EU-Zollunion schließt Starmer aus. Und Brüssel verspürt wenig Lust darauf, das Brexit-Abkommen schnell zu öffnen und neu zu verhandeln.

Zentrale finanz- und wirtschaftspolitische Versprechen von Labour stehen auf tönernen Füßen. Wachstum fällt nicht wie Manna vom Himmel. Es ist absehbar, dass Labour, nachdem die anfängliche Euphorie über den Regierungs- und Machtwechsel verflogen ist, vor schmerzhaften Entscheidungen stehen wird. Viele Wähler dürften enttäuscht sein.

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