Google setzt hinauf Kernenergie

Im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz wächst der Energiehunger der Technologiebranche rasant. Die Entwicklung und der Betrieb von KI-Systemen erfordern gewaltige Computerleistung in Rechenzentren, und dazu ist viel Energie notwendig. Um diesen Bedarf möglichst emissionsarm zu decken, setzen Unternehmen zunehmend auf Kerntechnik. Das jüngste Beispiel dafür ist Google : Der amerikanische Internetkonzern hat jetzt ein Bündnis mit dem Nuklearspezialisten Kairos Power geschlossen, von dem es künftig Atomstrom kaufen will. Diese Energie soll von neuartigen kleinen Kernreaktoren kommen, sogenannten Small Modular Reactors (SMR). Die Reaktoren müssen noch gebaut werden, der erste soll nach Angaben der beiden Partner 2030 in Betrieb gehen. Insgesamt sind im Rahmen der Allianz bis zu sieben Reaktoren geplant. Sie sollen eine Leistung von 500 Megawatt bringen. Finanzielle Details zu dem Abkommen nannten die Unternehmen nicht. Es ist auch noch nicht bekannt, wo die Reaktoren entstehen sollen.

„Das Stromnetz braucht neue Quellen für Elektrizität, um KI-Technologien zu unterstützen“, schrieb Google in einer Mitteilung. Die Ankündigung kommt nur wenige Wochen nachdem der Softwarekonzern Microsoft eine besonders symbolträchtige Allianz rund um Kernenergie vereinbart hat. Dieses Bündnis sieht die Wiederinbetriebnahme eines Reaktors im Atomkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania vor. Dieses Kraftwerk war Schauplatz des größten Atomunfalls in der amerikanischen Geschichte: 1979 kam es in einem der beiden dortigen Reaktoren zu einer teilweisen Kernschmelze. Der zweite Reaktor lief bis 2019 weiter, wurde dann aber stillgelegt, weil er nicht mehr rentabel arbeitete. Er soll nun im Rahmen der Allianz zwischen Microsoft und Constellation, dem Eigentümer des Kraftwerks, wieder aktiviert werden und 2028 den Betrieb aufnehmen. Der Konzern hat sich verpflichtet, zwanzig Jahre lang Strom aus der Anlage abzunehmen.

Der Kurs steigt schon mal an

Auch andere Unternehmen versuchen, sich Zugang zu Kernenergie zu sichern. Amazon Web Services (AWS), die auf Cloud Computing spezialisierte Sparte des Onlinehändlers Amazon , kaufte in diesem Jahr ein Rechenzentrum in Pennsylvania, das direkt neben einem Kernkraftwerk liegt und mit der dort produzierten Energie beliefert wird. Der Softwarekonzern Oracle gab kürzlich bekannt, er arbeite an einem Rechenzentrum, das von drei SMR-Reaktoren betrieben werden soll. Sam Altman, der Mitgründer und Vorstandschef des für das KI-System ChatGPT bekannten Unternehmens Open AI, hat in die beiden Nuklearspezialisten Oklo und Helion investiert. Oklo ist an der Börse notiert und profitierte dort unmittelbar von der Google-Ankündigung, der Aktienkurs stieg um fast 10 Prozent.

Googles Partner Kairos Power wurde 2016 gegründet und gehört zu einer Gruppe junger Start-ups, die sich auf SMR-Reaktoren konzentrieren. Diese Reaktoren sind kleiner, als dies in traditionellen Kernkraftwerken der Fall ist, und sie sollen deutlich billiger sein. Rund um diese Technologien gibt es aber noch viele offene Fragen, und bisher ist noch kein SMR-Reaktor in den USA in Betrieb. Kairos entwickelt eine Technologie, bei der die Reaktoren mit geschmolzenem Fluoridsalz anstatt mit Wasser gekühlt werden. Das Unternehmen hat vor knapp einem Jahr die Genehmigung der US-Nuklearbehörde Nuclear Regulatory Commission bekommen, eine Testanlage im Bundesstaat Tennessee zu errichten. Sie wird vom Energieministerium unterstützt und soll 2027 fertig sein.

Google sagt, das Abkommen mit Kairos sei die erste Allianz eines Unternehmens, das den Kauf von Nuklearenergie von SMR-Reaktoren vorsieht. Es ist bisher unklar, ob der Konzern seine Rechenzentren direkt mit den Reaktoren verbindet oder ob der Strom aus den Anlagen erst einmal in das Stromnetz eingespeist wird und von dort zu Google kommt. Google und auch viele andere Unternehmen aus der Technologiebranche legen Wert auf möglichst umweltfreundliche Energie und haben sich Klimaziele gesetzt. Sie nutzen auch erneuerbare Quellen wie Wind- und Solarstrom, kommen nun aber offenbar zunehmend zu dem Schluss, dass sie in ihrem Energiemix auch Nukleartechnik brauchen. Matt Garman, der Vorstandschef von AWS, sagte kürzlich im Gespräch mit der F.A.Z.: „Ich denke, wir alle wissen, dass auch Quellen wie Kernenergie auf dem Weg zu einer kohlenstofffreien Energiewelt wichtig sein werden.“

Die Akzeptanz von Kernenergie steigt in den USA auch in der breiten Bevölkerung. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Pew Research Center gaben 56 Prozent der befragten Amerikaner an, sie seien für einen Ausbau von Kernenergie zur Stromerzeugung. 2020 lag der Anteil noch bei 43 Prozent.

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