Gesetzentwurf geleakt: Warum Bürgergeld-Experten schockiert hinauf die Pläne reagieren

Die „Bild“ hat die Bürgergeld-Pläne der Regierung veröffentlicht. Jetzt haben wir die Eckpfeiler der „Grundsicherung“ schwarz auf weiß. Was genau steht in dem Entwurf? Und wieso reagieren Sozialverbände schockiert? Ein erster Blick


Wollen Bürgergeld-Empfängern das Leben schwerer machen: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD)

Foto: Florian Gaertner/photothek/Imago Images



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Was bisher vor allem Debatte war, nimmt langsam gesetzliche Form an. Am 26. September leakte die Bild-Zeitung einen ersten Gesetzesentwurf zur Zukunft des Bürgergelds. Die darin enthaltenen Regeln sehen harte Einschränkungen und Sanktionen vor. Was genau steht in dem geleakten Entwurf? Und wie reagieren Wohlfahrtsverbände auf den Vorstoß?

Laut den Bild-Informationen sollen Leistungsempfangende zukünftig sanktioniert werden, wenn sie ihre Termine im Jobcenter nicht wahrnehmen oder sich nicht auf die vorgeschlagenen Jobs bewerben. Drei Monate lang soll es dann 30 Prozent weniger Leistungen geben. Lehnen sie zumutbare Jobs mehrfach ab, sollen die Zahlungen komplett gestrichen werden. „Grundsicherung“ soll das neue Bürgergeld heißen.

Andreas Aust, Referent für Sozialpolitik beim Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, kritisiert den Gesetzentwurf im Freitag scharf: „Wenn man keine Leistungen mehr bekommt, ist das keine Grundsicherung, sondern gar keine Sicherung.“ Das Bundesverfassungsgericht habe geurteilt, dass es ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gibt, so Aust. „Die Idee, Leistungen komplett vorzuenthalten, würde dem Urteil vollkommen widersprechen. Die Menschen müssen gefördert, nicht sanktioniert werden.“

Schonvermögen schrumpft auf 15.000 Euro – mit welchen Folgen?

Außerdem steht in dem Entwurf, dass Leistungsempfangende zunächst die eigenen Ersparnisse aufbrauchen müssen, bevor sie Sozialleistungen erhalten. Nur ein Schonvermögen von 15.000 Euro sollen sie behalten dürfen. Auch die Schonzeit bei Wohnungen, bei denen die Miete über der „angemessenen“ Obergrenze liegt, soll entfallen.

Schon vor der Bürgergeld-Reform habe das Amt den Empfangenden Zeit gelassen, eine günstigere Wohnung zu suchen oder die Wohnkosten zu senken, sagt Aust. Solange habe es die Wohnkosten weiterbezahlt. „Dem Entwurf nach soll man sofort ausziehen müssen. Und das ist sehr problematisch.“ Überhaupt hätten viele Leistungsberechtigte schon jetzt Probleme, ihre Wohnung zu finanzieren. „Oft gibt es eine Wohnkostenlücke“, erklärt Aust. Das hieße: „Menschen müssen Teile ihrer Miete aus ihrem Schonvermögen oder den Regelbedarfen bezahlen.“

Momentan ist der Gesetzentwurf nur das: ein Entwurf. Andreas Aust glaubt aber nicht, dass sich bis zur Umsetzung viel ändern wird: „Die Maßnahmen entsprechen dem, was die Bundesregierung und vor allem die Union seit geraumer Zeit androhen.“ Ihm zufolge ist der Grundsicherungs-Leak nicht vergleichbar mit dem Leak des Heizungsgesetzes. Damals sei es darum gegangen, dieses „zu verhindern“. Das Leak zur Grundsicherung sei dazu gedacht, Handlungsfähigkeit zu signalisieren – „auf dem Rücken der Leistungsempfangenden.“

Bärbel Bas: „Diejenigen, die nicht mitmachen, müssen das auch merken“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und andere wollen das Thema Grundsicherung „zur Chefsache machen“, das sagte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) am 26. September im Bundestag. „Die Menschen, die mitmachen, wollen wir unterstützen. Diejenigen, die nicht mitmachen, müssen das auch merken.“ Laut Aust sind es aber nicht etwaige Faulenzer und Sozialbetrüger, die von diesen Maßnahmen besonders hart getroffen werden. „Es sind diejenigen, die wenig Erfahrung im Umgang mit Behörden haben. Sei es, weil sie psychisch belastet sind, Sprachbarrieren oder wenig Bildung haben.“

Auch Helena Steinhaus findet es falsch, dass der Druck auf Leistungsbeziehende weiter verstärkt wird – medial, politisch und bald auch gesetzlich. Die Sozialaktivistin vom Verein Sanktionsfrei, der Bürgergeldempfangende unterstützt, sagt dem Freitag: „Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind gerade historisch schlecht, und ein Großteil der Betroffenen hat aufgrund ihrer individuellen Situation keine Chance, zeitnah aus dem Bezug rauszukommen.“

Steinhaus betont, dass es beim Bürgergeld kein Einsparpotenzial mehr gebe. Schon jetzt würden die Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Grundsicherung weiter zusammenzustutzen, würde auch die Verhandlungsposition von Menschen in prekärer Erwerbsarbeit schwächen. „Das Signal an diese Menschen ist: Macht euren Job, stellt keine Ansprüche.“

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