Georgien sollte nicht jener Alternative EU oder Russland ausgesetzt sein


Eine Georgierin hält bei den Protesten gegen die Wahlergebnisse in Tiflis neben der georgischen auch die Flagge der Europäischen Union

Foto: picture alliance/Associated Press/Zurab Tsertsvadze


Nach der umstrittenen Parlamentswahl in Georgien bleibt die Regierung in Tiflis dabei, sich der Europäischen Union annähern zu wollen. Zugleich vertritt sie eine multivektorale Außenpolitik in einer multipolaren Welt

Warum wird Georgien nicht zugestanden, einen gleichen oder ähnlichen Abstand zu Russland wie zur Europäischen Union zu erwägen? Was ist verwerflich daran, wenn die Regierung in Tiflis eine durch Brüssel nur mäßig honorierte Parteinahme gegen Russland verweigert? Es ist geradezu paradox, dass die EU zwar jede Menge Beitrittsaspiranten einsammelt, sie aber in Warteschleifen ohne Ende kreisen lässt. Während die Bewerber manche Vorleistungen zu erbringen haben, bleiben die der EU – geht es um einen verbindlichen Beitrittstermin – dem Vagen verhaftet.

Die sechs Westbalkan-Länder müssen sich damit seit mehr als einem Jahrzehnt abfinden, Moldau und der Ukraine dürfte es demnächst kaum besser ergehen. Bekanntlich bedarf es eines einstimmigen Votums der 27 EU-Mitglieder, um jemanden aufzunehmen. Wer weiß schon, wann und ob es je dazu kommt? Der georgische Premier Irakli Kobachidse hat sich erkühnt, nach der umstrittenen Parlamentswahl davon zu sprechen, dass man „bis 2030 voll in die EU integriert“ sein wolle. Das klingt nach taktischer Utopie.

Es ist schwer vorstellbar, Georgien vor den lange vertrösteten Albaniern, Nordmazedoniern, Montenegrinern, Serben, Kosovaren und Bosniern ins Gelobte Land zu bitten. Was der Regierungschef in Tiflis gemeint haben könnte: Ob ihr unseren Wahlsieg nun anerkennt oder nicht, wir sind schwerlich mit einer EU-Option unter Druck zu setzen, wenn die absehbar nicht realistisch ist. Schließlich verfügt Georgien seit 2023 nur über einen Bewerber-, keinen Kandidatenstatus.

Das Land ist daher gut beraten, andere Partnerschaften zu bedenken, mit Russland etwa. Immerhin gibt es eine 900 Kilometer lange gemeinsame Grenze und ebensolche Vergangenheit. Sich dessen bewusst zu sein und danach zu handeln, richtet sich nicht gegen die EU, sondern wird lediglich ohne sie betrieben. Multivektorale Außenpolitik passt in eine multipolare Welt. Und wo steht geschrieben, dass sich russisch-georgische Normalität a priori gegen den Westen richtet? Weil das Verhältnis Brüssel-Tiflis daran gemessen wird, was es gegen Russland vermag? Es kann für die EU nur von Vorteil sein, wenn sich Staaten wie Georgien anderweitig umsehen. Sie sind dann weniger darauf angewiesen, dass ihnen gegebene Versprechen eingelöst werden.

BrüsselEndeEUEuropäischen UnionGeorgienGrenzeLangeMANMoldauPartnerschaftenRegierungRusslandUkraineUnionWahlergebnisseWeilWeißWELT