Gegen die radikale Rechte: Linker Mut und echte Hoffnung

Gegen die radikale Rechte: Linker Mut und echte Hoffnung

Bei den Krisen auf der Welt kann man schnell den Mut verlieren. Doch die Hoffnung auf eine bessere Welt ist nicht nur eine naive Vorstellung. Gerade jetzt zählt es, Auswege und eine andere Politik zu skizzieren


Wir brauchen ein klares Ziel vor Augen, eine Utopie

Foto: Pawel Wewiorski/Getty Images


Trump, die AfD, das Blutvergießen in der Ukraine, in Gaza, im Sudan, sterbende Menschen im Mittelmeer, die Klimakatastrophe und sich verschärfende Konflikte. Die radikale Rechte ist im Aufwind, die Linke trotz unerwartetem Wahlerfolg gesamtgesellschaftlich und politisch marginalisiert.

So klammern sich viele an die Hoffnung: auf eine Wende gegen den Aufstieg der Rechten, eine Wende im Kampf gegen die Klimakatastrophe, eine Wende hin zu einer solidarischeren, gerechteren Gesellschaft. Hoffnung als Ressource gegen die vorherrschende Resignation.

Doch die Hoffnung droht, ihre Bodenhaftung zu verlieren, wenn sie nur beschworen wird, ohne konkret zu werden. Sie verfällt dann in einen Utopismus, der im Geiste einen Sehnsuchtsort einer idealisierten Gesellschaft schafft. Diese bloße Beschwörung von Hoffnung ist wie der Utopismus nicht mehr als eine subjektive Wunschvorstellung: fantastisch, weltfremd, letztlich bedeutungslos.

Wie der Utopismus bleibt Hoffnung in solch abstrakter Form eine Projektion in eine Zukunft, die mit der Gegenwart nichts gemein hat. Sie kann weder das Bestehende in Frage stellen noch das Erwünschte ermöglichen. Hoffnung und utopisches Denken können aber auch Treibstoff sein, indem sie eine andere Gesellschaft antizipieren. Voraussetzung dafür ist jedoch, sich an dem zu orientieren, was real möglich ist – nicht im Sinne von Realpolitik, sondern gemessen am Stand geschichtlicher Entwicklung.

So verstanden können Utopien und Hoffnung, wie Ernst Bloch es ausdrückte, „Grundrisse einer besseren Welt“ sein. Bloch unterscheidet zwischen konkreter und abstrakter Utopie. Während die abstrakte Utopie Ziele unabhängig von der Gegenwart frei imaginiert, verankert die konkrete Utopie das Mögliche im Hier und Jetzt. Es geht um das „Noch-Nicht-Sein“: darum, das Mögliche zu entdecken, das unter den Bedingungen des Bestehenden jedoch nicht verwirklicht werden kann.

Hoffnung braucht ein Ziel – und einen Gegner

Die konkrete Hoffnung sollte nicht verloren werden, aber sie muss frei sein von utopistischer Abstraktion. Sie verbindet den objektiven Faktor mit dem subjektiven und setzt an an den realen Widersprüchen und Kämpfen, ist dabei weder vulgärmaterialistisch noch voluntaristisch. Hoffnung ist keine Flucht vor der Realität, sondern Ausdruck des Potentials, sie zu verändern.

Hoffnung braucht Verankerung in der Gegenwart, ein klares Ziel – und einen Gegner der Hoffnung, der einen Pakt geschlossen hat mit der Angst derjenigen, die dabei sind, die Hoffnung zu verlieren. Auch hier bietet Ernst Bloch Orientierung, der in seinem Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ zur Angst schrieb: „Die Arbeit gegen die Lebensangst und die Umtriebe der Furcht ist die gegen ihre Urheber, größtenteils sehr aufzeigbare, und sie sucht in der Welt selber, was der Welt hilft; es ist findbar.“ Hoffnung, die lediglich verkündet, es könnte besser werden, ohne aufzuzeigen, wie das geschehen soll, riskiert, Hilflosigkeit und Angst zu verstärken.

Die konkrete Hoffnung erfordert den Mut, dem Gegner entgegenzutreten. So hat es die Philosophin Bini Adamczak am Beispiel der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich formuliert: „Der Mut, nach oben zu treten, ist links. Nach unten zu treten, ist rechts.“ Die aktuellen Entwicklungen im Allgemeinen und die politischen Debatten im Speziellen zeigen deutlich: Es gibt derzeit reichlich rechten Mut – aber viel zu wenig linken.

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Lexikon der Leistungsgesellschaft

Sebastian Friedrich ist Autor und Journalist aus Hamburg. In der Kolumne „Lexikon der Leistungsgesellschaft“ beschäftigt er sich seit 2013 mit den Ideologien des Alltags.

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Sebastian Friedrich ist Autor und Journalist aus Hamburg. In der Kolumne „Lexikon der Leistungsgesellschaft“ beschäftigt er sich seit 2013 mit den Ideologien des Alltags.

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