Österreich muss mit dem erwarteten Gaslieferstopp aus Russland früher zurechtkommen als gedacht. Schon von diesem Samstag an setzt der russische Lieferant Gazprom die Lieferungen aus, berichtete die Plattform Central European Gas Hub (CEGH Remit) Freitagnachmittag. Hintergrund ist ein Rechtsstreit mit dem teilstaatlichen Erdöl- und Erdgaskonzern OMV.
Der österreichische Bundeskanzler Nehammer (ÖVP) beteuerte am Freitagabend in einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz, dass die Gasreserven mehr als einen Jahresverbrauch betrügen. Er fügte hinzu, dass Österreich nicht erpressbar sei. Er wolle sich auch gegen jegliche russische Propaganda und andere Desinformationskampagnen stellen, die Gegenteiliges behaupten könnten. „Wir lassen uns von niemandem erpressen. Auch nicht vom russischen Präsidenten“, richtete Nehammer dem Kreml aus. „Wir lassen uns von der putinschen Regierung, von Putin selbst nicht in die Knie zwingen.“
Die Speicher seien – wie in vielen europäischen Ländern – zu mehr als 90 Prozent gefüllt. Entsprechend seien die preislichen Folgen überschaubar. Dennoch stieg der europäische Gaspreis am Freitagabend rasant – der richtungweisende Terminkontrakt TTF zur Auslieferung in einem Monat legte an der Börse in Amsterdam auf über 46 Euro je Megawattstunde (MWh) zu. Das entspricht dem höchsten Stand seit gut einem Jahr. OMV hatte angekündigt, die Zahlungen einzustellen, um sich die in einem Schiedsverfahren zugesprochene Millionensumme zurückzuholen. Am Mittwoch waren dem teilstaatlichen Unternehmen im Streit mit dem russischen Gaslieferanten mehr als 230 Millionen Euro Schadensersatz unter den Regeln der Internationalen Handelskammer für ausgebliebene Gaslieferungen in Deutschland zugesprochen worden.
Umweltministerin: „Russland ist kein Partner“
Alternatives Gas kommt nun aus Norwegen, aus eigener Produktion oder in Form von Flüssigerdgas per Schiff über Deutschland oder Italien. Durch alternative Bezugsquellen sei die Gasversorgung jedenfalls sichergestellt, bestätigte auch die Regulierungsbehörde E-Control Freitagabend. Die Versorgungslage werde von den zuständigen Stellen engmaschig beobachtet, ergänzte die Behörde.
Die Umweltministerin Eleonore Gewessler (Grüne) sieht sich durch das Vorgehen der russischen Gazprom bestätigt: „Russland ist kein Partner“. Im August kamen aber noch gut vier Fünftel der Gasimporte von dort. Bis 2040 gibt es einen Gasliefervertrag, mit dem auch die starke Abhängigkeit Österreichs im Vergleich zu anderen Ländern argumentiert wird. 1968 schloss das damals kommunistische Land den ersten Gasliefervertrag mit einem westlichen Land, wobei Österreich wichtiges Scharnier in Zeiten des Kalten Kriegs zwischen West- und Osteuropa war.
Auch ohne die Entscheidung des Schiedsgerichtes wäre die seit über 56 Jahren bestehende Kooperation wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres beendet worden: Denn Ende des Jahres wäre der Transitvertrag zur Lieferung von russischem Erdgas über die Pipeline durch die Ukraine und die Slowakei nach aktuellem Stand ausgelaufen.