Für Donald Trump hat die Entwaffnung des palästinensischen Widerstandes momentan keine Priorität. Auch die nächsten Schritte seines „Friedensplanes“ sind bisher nur vage umrissen, etwa die Präsenz internationaler Friedenstruppen
Die Hamas sagt Frieden, aber meint sie es auch?
Foto: Omar Al-Qattaa/AFP via Getty Images
Hat die Hamas die Geiseln als ihr letztes Faustpfand freigegeben, weil sie militärisch am Ende ist? Oder steckte eher das politische Kalkül dahinter, nach Trumps „Friedensplan“, der für sie eher die Form eines Ultimatums hatte, der israelischen Regierung die Verantwortung für die Fortführung des Krieges in die Schuhe zu schieben?
Es liegt auf der Hand, dass Benjamin Netanjahus Kabinett nach Vorwänden für neue Militärschläge sucht. Sie werden bereits angedroht, sollte die Hamas nicht alle 20 Leichname der für tot erklärten Geiseln zurückgeben. Das könnte nicht zuletzt auch daran scheitern, dass ein Teil der Toten bei israelischen Bombardements umgekommen ist und – wie eine noch unbekannte Zahl von Palästinensern – unter den Trümmern liegt. Sie zu finden, kostet Zeit.
Die Hamas erfüllt bis heute eine quasi-staatliche Funktion
Zwar ist ungewiss, wie stark die Hamas noch ist. Sicher erscheint nur, dass sie nicht vollends besiegt wurde. Und dass Donald Trump, der sich quasi zur Leitfigur des Konfliktmanagements erklärt hat, dieses Ziel zum Missfallen der Regierung Netanjahu nicht mehr in seinem Friedensplan verzeichnet hat.
Während er mit der Air Force One zu Wochenbeginn auf dem Weg in den Nahen Osten war, äußerte er im Interview sogar, dass die Entwaffnung der Hamas zur Zeit nicht sinnvoll sei, weil irgendwer die Ordnung in den von der israelischen Armee geräumten Teilen des Gazastreifens – immerhin 48 Prozent – aufrechterhalten müsse.
Tatsächlich geht es dabei nicht allein um polizeiliche Aufgaben, sondern auch um die Bewahrung einer zivilen Notordnung während der von Israel weiterhin aufgezwungenen Verknappung von Lebensmitteln und medizinischer Versorgung. In der Verteilung knapper Ressourcen hat die Hamas eine lange Tradition. Sie ist aus der Bewegung der Muslimbrüder hervorgegangen, die in erster Linie eine Form der sozialen Selbstorganisation unter Muslimen war und erst in politisch zugespitzten Situationen bewaffnete Arme hervorbrachte.
Bekanntlich ging die Hamas 2006 aus den damals gesamtpalästinensischen Wahlen als Sieger hervor, was weder Israel noch die westlichen Länder, auch nicht die von der PLO geleitete Autonomiebehörde im Westjordanland anerkannt haben. Nachdem sie die PLO bzw. Fatah aus dem Gazastreifen verbannt hatte, übernahm die Hamas dessen Verwaltung. Ihr ziviler Arm erfüllt damit bis heute auch eine quasi-staatliche Funktion.
Eine martialische Demonstration ihrer polizeilichen Gewalt lieferte die Hamas mit der öffentlichen Hinrichtung von Mitgliedern der Al-Schabab-Milizen am 15. Oktober. Dass diese mit der israelischen Armee kollaborierten, ist im vergangenen Sommer auch in der deutschen Presse behandelt worden, freilich als Zeichen eines politischen Erfolgs der Israelis. Mittlerweile wurde bekannt, dass Al-Schabab-Formationen auch dafür verantwortlich waren, Hilfslieferungen zu plündern.
Es fehlt an Zeitplänen für weitere Stufen des „Friedensplans“
Ob der Gaza-Krieg nach einer Atempause demnächst wieder Fahrt aufnimmt, hängt momentan zuallererst vom unergründlichen und sprunghaften Willen Donald Trumps ab. Dass es möglicherweise nur zu einem gelegentlichen bewaffneten Schlagabtausch kommt, ist auch einer gewissen Kriegsmüdigkeit der Israelis zuzuschreiben. Ein erneutes Vorrücken der Armee in Gaza-Stadt dürfte nicht ohne weitere Verluste an Soldaten vorgehen. Und da das Land noch nie so lange Krieg geführt hat, mussten viele Reservisten zu lange ihren Berufen, Ausbildungen und vor allem Familien fernbleiben. Zudem sind gewachsene Schulden und die wirtschaftlichen Schäden des Krieges ein Faktor, der es nicht mehr sinnvoll erscheinen lässt, ihn fortzuführen.
Konkret geplant in Trumps „Friedensplan“ war nur der Gefangenenaustausch. Ansonsten enthält er keinerlei Verbindlichkeiten oder Zeitpläne für die nur vage benannten weiteren Stufen. Ungewiss bleibt vor allem, wann und von wem gestellte internationale Truppen Sicherheit für beide Seiten schaffen sollen. Und völlig unklar bleibt ebenso, ob und wie auf eine Selbstbestimmung der Palästinenser hingearbeitet werden soll.