Gaza-Krieg: Hoch Gaza hängt die Schuldfrage

Wer
kann schon glauben, was seit dem 7. Oktober in Israel und Gaza passiert ist? Zum
Beispiel die Geiselrettung vergangene Woche: Israels Spezialkräfte sollen sich
dafür teilweise als palästinensische Frauen verkleidet haben, berichtet die
Jerusalem Post
.
Oder die am Dienstag veröffentlichten Recherchen des Wall Street Journals über
geleakte Textnachrichten des Hamas-Chefs Jahia Sinwar
: „Wir haben die Israelis
genau dort, wo wir sie haben wollen“, soll Sinwar an Hamas-Vertreter in Katar
geschrieben haben.

Die
Aussage zeigt, wie sicher sich die Hamas fühlt. Denn die öffentliche
Interpretation über den Gaza-Krieg hangelt sich entlang der Schuldfrage. Die
Massaker der Hamas seien nicht „im luftleeren Raum“ passiert, erklärte etwa
UN-Chef António
Guterres kurz nach dem schwersten Angriff
auf jüdisches Leben seit dem Holocaust. Gemeint war damit Israels Besatzung der
palästinensischen Gebiete. Acht Monate später beschäftigt der Gaza-Krieg die
Weltgerichte, hat unter anderem Südafrika Israels Regierung wegen Völkermordes angeklagt.
Und die Hamas?

Kurz
nach der jüngsten Geiselbefreiung etwa teilte Israels Armee mit, einer der Geiselnehmer
sei Autor bei Al-Dschasira gewesen, dem größten Nachrichtensender im arabischen
Raum. Eine der freigelassenen Geiseln identifizierte den Mann. Der Sender aber
dementierte die Vorwürfe. Er selbst könnte kein Geständnis mehr ablegen, weil
er bei der Aktion getötet wurde. Die Quellenlage bleibt zu dünn, um zu fragen,
was es bedeuten würde, wenn durch die Pressefreiheit besonders geschützte
Personen in Gaza die Hamas unterstützen.

Kriegsverbrechen auf beiden Seiten

Mitte
Mai legten die New-York-Times-Autoren Ronen Bergman und Adam Rasgon offen, wie Hamas-Chef
Sinwar über Jahre ein repressives Regierungssystem in Gaza aufgebaut hat
.
„Die als General Security Service bekannte
Einheit stützte sich auf ein Netz von Informanten im Gazastreifen, von denen
einige ihre eigenen Nachbarn an die Polizei meldeten“, heißt es in dem Text, der auf Geheimdienstinformationen und internen Dokumenten basiert. „Personen, die
an Protesten teilnahmen oder die Hamas öffentlich
kritisierten, landeten in den Sicherheitsdateien.“

Von den
Palästinenserinnen und Palästinensern im Gazastreifen verlangt das Regime, einen
Blutzoll für den eigenen Machterhalt zu zahlen. Wie das Wall Street Journal über
Sinwars Textnachrichten schreibt, soll der Hamas-Chef in Gesprächen mit den Hamas-Verhandlern in Katar auf die zivilen Verluste in
nationalen Befreiungskonflikten in Ländern wie Algerien verwiesen und
geschrieben haben: „Das sind notwendige Opfer.“

Und was ist mit dem Auftreten der israelischen Armee? Im Zusammenhang mit der Befreiungsaktion der vier Geiseln sollen Hunderte Menschen getötet worden sein. Die Zahlen stammen von der Hamas,
lassen sich aber ebenso wenig verifizieren wie die Angaben Israels, nach denen die
Einsatzkräfte vor Ort sich und die Geiseln gegen „Hunderte bewaffnete Kämpfer“
verteidigt hätten.

Die
Nachrichtenagentur Associated Press (AP) veröffentlichte diese Woche eine
Analyse über die Daten des Hamas-Gesundheitsministeriums. Dafür verglichen die
Journalisten Angaben über Personen, die das Gesundheitsministerium mit vollem
Namen, Geschlecht, Geburtsdatum und israelischer Identifikationsnummer
identifiziert hatte. „Im April erfüllten fast 23.000 Todesfälle diese
Kriterien. Die Zahl der Todesopfer, die das Ministerium täglich veröffentlicht und die von ausländischen Medien oft
wiederholt wird, ist wesentlich höher“, heißt es in
dem Bericht der Nachrichtenagentur. Die Hamas veröffentlicht regelmäßig Zahlen, bei denen die Opfer um einige Tausend höher liegen.

Wenn internationales Recht und Organisationen nicht mehr helfen

Die UN
werfen sowohl Israel als auch der Hamas vor, im Zuge der Befreiung
Kriegsverbrechen begangen zu haben. Auch die israelische Zeitung Ha’aretz
fragte, ob Israels Armee die hohe Zahl an Toten und Verletzten hätte vermeiden
können
. Eine Nachrichtensprecherin der BBC stellte Israels Armeesprecher Jonathan
Conricus die Frage
: „Hätte es eine Möglichkeit gegeben, dass Israel die Palästinenser
vor der Rettungsaktion warnt?“

Tatsächlich lenkt die Frage von einem entscheidenden Problem ab. Das
Foreign Affairs Magazine veröffentlichte kürzlich eine Analyse, wie die Hamas
den Untergrundkrieg neu erfunden hat
. „Als die Hamas Israel am 7. Oktober angriff, verwickelte sie es in einen der
schlimmsten Untergrundkriege aller Zeiten“, schreibt die israelische
Professorin Daphné Richemond-Barak. Historisch erinnere der Tunnelkrieg der Hamas an den
Ersten Weltkrieg. „Die Nutzung von Tunneln durch die Hamas ist so weit
fortgeschritten, dass sie eher der Art und Weise ähnelt, wie Staaten
unterirdische Strukturen zum Schutz von Befehls- und Kontrollzentren nutzen,
als dies für nicht staatliche Akteure typisch ist.“

Wer
kann schon glauben, was seit dem 7. Oktober in Israel und Gaza passiert ist? Zum
Beispiel die Geiselrettung vergangene Woche: Israels Spezialkräfte sollen sich
dafür teilweise als palästinensische Frauen verkleidet haben, berichtet die
Jerusalem Post
.
Oder die am Dienstag veröffentlichten Recherchen des Wall Street Journals über
geleakte Textnachrichten des Hamas-Chefs Jahia Sinwar
: „Wir haben die Israelis
genau dort, wo wir sie haben wollen“, soll Sinwar an Hamas-Vertreter in Katar
geschrieben haben.

Die
Aussage zeigt, wie sicher sich die Hamas fühlt. Denn die öffentliche
Interpretation über den Gaza-Krieg hangelt sich entlang der Schuldfrage. Die
Massaker der Hamas seien nicht „im luftleeren Raum“ passiert, erklärte etwa
UN-Chef António
Guterres kurz nach dem schwersten Angriff
auf jüdisches Leben seit dem Holocaust. Gemeint war damit Israels Besatzung der
palästinensischen Gebiete. Acht Monate später beschäftigt der Gaza-Krieg die
Weltgerichte, hat unter anderem Südafrika Israels Regierung wegen Völkermordes angeklagt.
Und die Hamas?

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