Die Luft war kühl, als schon am Mittwoch, dem Fachbesuchertag der Gamescom, Tausende Besucher vom Kölner Bahnhof Deutz zum Messegelände strömten. Kühler als in den vergangenen Jahren – passend zur Stimmung in der Videospielbranche, denn auch diese ist abgekühlt. Der deutsche Branchenverband Game meldete in der vergangenen Woche einen Umsatzrückgang von 6 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2024.
Am stärksten sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum der Umsatz mit Videospiel-Hardware. Die drei großen Konsolenhersteller Nintendo, Sony und Microsoft haben schon länger keine neuen Geräte mehr veröffentlicht, ein Nachfolger von Nintendos Switch soll im kommenden Jahr erscheinen.
Aber auch der Umsatz mit Software ging um 4 Prozent zurück. Im ersten Halbjahr blieben größere Veröffentlichungen aus, und Hoffnungsträger wie „Suicide Squad: Kill the Justice League“ blieben derart weit hinter den Erwartungen des Verlegers Warner Bros. Interactive Entertainment zurück, dass dieser nun überdenkt, ob er in Zukunft überhaupt noch Spiele in der gleichen Art veröffentlichen möchte.
Einen Hoffnungsschimmer bot diese Woche zumindest die Veröffentlichung des Spiels „Black Myth: Wukong“ des chinesischen Entwicklers Game Science. Das Actionspiel erreichte auf der PC-Spieleplattform Steam die zweithöchste gleichzeitige Spielerzahl aller Zeiten. 2,2 Millionen Spieler stürzten sich kurz nach der Veröffentlichung in die spielerische Umsetzung des chinesischen Romanklassikers „Die Reise in den Westen“. Ungewöhnlich daran ist, dass die Charts bisher von Mehrspielertiteln wie „Palworld“ oder „Counter-Strike“ dominiert werden. An der Spitze steht „Playerunknown’s Battlegrounds“ mit rund 3,3 Millionen gleichzeitigen Spielern.
Entwicklungszeiten verlangten anderes Geschäftsmodell
„Black Myth“ hingegen ist ein Spiel für einzelne Spieler, ohne weitere Käufe im Spiel oder Abomodell. Diese hielten lange in Spiele Einzug, da sie im Gegensatz zu einmalig verkauften Spielen kontinuierliche Einnahmen versprechen. Lange Entwicklungszeiten von bis zu fünf Jahren ohne jegliche Einnahmen sind ein riskantes Geschäftsmodell, gerade für Unternehmen, die quartalsweise Erfolge an Aktionäre melden müssen. Kritiker und vor allem Fans sagten größeren Verlegern und Entwicklern nach, wegen der neuen Geschäftsmodelle Kreativität und Spielspaß zu vernachlässigen, um Profite zu steigern.
Allgemein muss sich die Branche im Moment neu sortieren, da Umsätze nicht mehr wie während der Corona-Pandemie – als es wenig anderes zu tun gab – in den Himmel wachsen. Börsenbewertungen und Verkäufe erreichten während dieser Zeit Höchststände. Der MVIS Global Video Gaming & E-Sports Index, der den Börsenverlauf von Unternehmen abbildet, die mindestens 50 Prozent ihrer Umsätze mit Videospielen oder E-Sport generieren, steht im Moment 9 Prozent unter seinem Höchststand vom Januar 2021.
Die schlechtere Lage zwingt Verleger und Entwickler zu Sparkursen, die sich vor allem in Entlassungen äußern. Laut dem Blog „Game Industry Layoffs“ wurden in diesem Jahr schon 11.540 Stellen gestrichen, nach 10.500 im gesamten Vorjahr. Am Dienstagabend wurde die Lage auf der Gamescom-Eröffnungsshow „Opening Night Live“ von Ko-Moderator Geoff Keighley nur in einem Halbsatz angesprochen. Danach ging es direkt weiter mit Trailern und Demonstrationen dazu, was die Entwickler gerade in der Pipeline haben.
Hälfte der Deutschen spielt gelegentlich Videospiele
Ab Donnerstag können sich Privatbesucher selbst ein Bild von der Lage der Branche machen. Die Koelnmesse kann jedenfalls ob der angemeldeten Aussteller zuversichtlich sein, dass es wieder ein Rekordjahr wird. Mehr als 1500 Aussteller zeigt die Liste auf der Internetseite der Messe. Im vergangenen Jahr kamen 320.000 Besucher. Eine neue Bitkom-Umfrage suggeriert, dass das Interesse der Deutschen am Thema ungebrochen ist. Rund die Hälfte spielt demnach zumindest hin und wieder Videospiele.
Unter ihnen war zum Beispiel auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der auch in diesem Jahr wieder die Messe am Mittwochabend zusammen mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) politisch eröffnete und am Donnerstagmorgen einen Rundgang angesetzt hat. Er dürfte sich im Zuge der Messe Fragen nach dem Fördermodell stellen müssen, das die Bundesregierung in Sachen Videospiele verfolgt. Zwar sind dafür jährlich 50 Millionen Euro veranschlagt. Aber seit Mai 2023 sind keine Anträge mehr möglich, da das Geld vergriffen ist.
Auch lässt die Auszahlung eines weiteren Fördertopfes von 33,3 Millionen Euro auf sich warten, der Habecks Parteifreundin Claudia Roth in ihrer Funktion als Bundesbeauftragter für Kultur und Medien untersteht (F.A.Z. vom 21. August). Im Gegensatz zu Deutschland verfolgen Länder wie Frankreich, Kanada und Großbritannien einen Ansatz der Steuererleichterungen, der dazu führt, dass Spieleentwicklung in Deutschland ein Drittel teurer ist als anderswo.