Fußballwetten: Die EM-Prognose des Kicktipp-Chefs

Alle zwei Jahre, wenn die Welt- oder Europameisterschaft im Fußball ausgespielt wird, rückt ein Düsseldorfer Zwei-Mann-Unternehmen in den Fokus der Öffentlichkeit. Denn Kicktipp ist Deutschlands beliebteste Plattform für Tippspiele: In den Appstores von Google und Apple steht die App weit oben. Janning Vygen sagt, man habe sogar auf Platz eins gestanden, als die EM begann. Er gründete die Firma 1995 als Tipprunde für sich und seine Freunde, mit denen er noch heute tippt.

Vygen hat sich dem Zwei-Jahres-Rhythmus angepasst. Dann gehen die Downloadzahlen durch die Decke – wenn es auf der Arbeit und im Freundeskreis keine andere Frage zu geben scheint als: Was hast du bei Georgien gegen Tschechien getippt? Selbstverständlich lässt sich auch die erste und zweite Bundesliga tippen sowie aktuell die Südamerikameisterschaft oder „für ein paar Hundert Tipper“ Rugby. Zur EM ist die Dimension eine andere. Mehr als sechs Millionen Tipper seien aktuell registriert, was ein Rekordergebnis darstelle, heißt es. Die EM und WM machten Spaß, aber dauerhaft sei das zu stressig, findet Vygen. Kein Wunder, denn Kicktipp funktioniert als Zwei-Mann-Unternehmen. Die Zeit vor dem Turnierstart verbrachten sie mit Programmierungsaufgaben. Jetzt, während des laufenden Turniers, geht es nur noch um Serviceanfragen und die Überwachung der Server.

Rekordspiel Türkei gegen Georgien

Diese müssen dem Zugriff der sechs Millionen Nutzer gewachsen sein. Die App sehe simpel aus, doch sei es informationstechnisch anspruchsvoll, erläutert der Kicktipp-Chef. Mehr als 200.000 Zugriffe in der Sekunde habe das Tippspiel während der EM verzeichnet, und zwar beim Spiel der Türkei gegen Georgien – auch das sei ein Rekord. Diese punktuelle Belastung müssen die Server aushalten. Je spannender und abwechslungsreicher ein Spiel ist, desto mehr Zugriffe gibt es. Die individuellen Tabellen der Tipprunden erzeugen dabei große Datenmengen, für die Vygen und sein Kollege auf 30 Hochleistungsserver vertraut.

Die App selbst erscheint seit Jahren schnörkellos und schlicht. Das ist Vygen wichtig. Man wolle die App nicht mit Werbung überfrachten. „Ich benutze die App ja selbst und will, dass sie mir gefällt“, sagt der Gründer. Das Ausspielen von Werbung sei dabei nicht immer einfach, etwa mit Blick auf kleine Handybildschirme. Mit einer Quote von 80 Prozent kommt die große Mehrheit der Zugriffe über Smartphones. Die Zugriffs­zah­len sind Vygen zufolge in den ver­gangenen Jahren immer weiter gestiegen, die Umsatzzahlen dagegen nicht.

„Ein netter, kleiner Zeitvertreib“

Ein weiteres wirtschaftliches Standbein für Kicktipp ist das Vermieten der Benutzeroberfläche. Unternehmen können Kicktipp auf ihrer Website einbinden, ein eigenes Tippspiel anbieten oder es als Marketingwerkzeug nutzen. Für Liebhaber gibt es eine Premiumversion, die Werbefreiheit für fünf Euro im Jahr garantiert, und einen Fanshop. Den Jahresumsatz für 2024 kalkuliert Vygen auf 1,5 Millionen Euro, die Hälfte davon bleibt als Gewinn übrig. In Jahren ohne Großereignis seien es zwischen 300.000 und 400.000 Euro Gewinn, rechnet der Gründer vor.

In acht europäischen Ländern ist Kicktipp mit freien Mitarbeiter tätig. Dort kümmern sie sich um Kundenhilfe und Übersetzungen. Der Schwerpunkt liegt aber auf Deutschland, wo das Unternehmen nicht einmal über ein Marketingbudget verfügt, sondern gänzlich auf Mund-zu-Mund-Propaganda setzt. Expansionspläne hegt Vygen nicht. So bleiben sich Kicktipp und Vygen selbst treu: „Tippen soll ein netter, kleiner Zeitvertreib sein und nicht der Nabel der Welt.“

Tippen ist kein Glücksspiel

Ist Tippen also das Lagerfeuer, an dem die mehr oder weniger Sportbegeisterten zusammenkommen? Für Vygen ist es ein soziales Erlebnis. Den Unterschied zum Wetten verortet er so, dass man nicht gegen einen Buchmacher tippe, sondern gemeinsam mit Kollegen oder Freunden. Vygen selbst möchte stets vor seinem Schulfreund Kalle im Tableau stehen.

Und welche Tipps hat der oberste Kicktipper selbst fürs Tippen parat? Tippen sei kein Glücksspiel, Ahnung müsse man haben und Informationen gewichten können, sagt Vygen. Bei der EM, mit 51 zu tippenden Spielen, sei der Glücksfaktor noch relativ hoch. In einer Bundesligasaison, mit 306 Spielen, sei das anders. Auch das führt der Gründer als eine der schönen Seiten des Tippens an: Dass man plötzlich Teil des Spiels sei. Dafür müsse man aber „auf dem Platz stehen, also das Tippen nicht vergessen“. Für das EM-Finale setzt Vygen übrigens auf die Paarung England gegen Deutschland und auf Deutschland als Europameister. Das sagt auch die Kicktipp-Gemeinschaft mehrheitlich.

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