Führerschein: Machen die hohen Kosten ihn zum Luxusgut?

Sebastian sitzt am Steuer für eine seiner letzten Überlandfahrten. In einer Woche steht die praktische Führerscheinprüfung an – und damit auch die endgültige Abrechnung. „Circa 3500 Euro wird es insgesamt kosten“, sagt seine Fahrlehrerin Annette Pyko. Mit den hohen Kosten ist Sebastian keine Ausnahme. Laut einer bundesweiten Umfrage des ADAC zahlen 45 Prozent der Fahrschüler für ihren Führerschein zwischen 2500 und 3500 Euro. Bei rund 13 Prozent der Befragten lagen die Gesamtkosten für Fahrschulstunden, Antrags- und Prüfungsgebühren sowie Sehtest, Erste-Hilfe-Kurs und Passbilder sogar bei 3500 bis 4500 Euro. „In den letzten drei Jahren sind die Kosten noch mal krass in die Höhe geschossen“, sagt Pyko. Das zeigt auch die Umfrage des ADAC: Je neuer der Führerschein, desto höher die Kosten. Aber woran liegt das?

Laut Kurt Bartels, stellvertretender Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, kostet eine Fahr­stunde weiterhin 55 bis 70 Euro und ist damit in den vergangenen Jahren nicht wesentlich teuer geworden. Das Problem liegt woanders: Die Schüler bräuchten deutlich mehr Fahrstunden als früher. In den vergangenen 24 Jahren habe sich die Zahl der Fahrstunden fast verdoppelt. Zu den zwölf Pflichtsonderfahrten benötigen laut ADAC 42 Prozent der Fahrschüler bis zu 20 weitere Fahrstunden, 32 Prozent bis zu 30 weitere und immerhin 11 Prozent brauchten sogar bis zu 40 Extrastunden zum Üben. Bartels und Pyko führen das auf zwei miteinander verwobene Probleme zurück.

Einerseits ist der Straßenverkehr in den vergangenen Jahren deutlich anspruchsvoller geworden. Als Beispiel nennt Bartels das Verkehrsaufkommen, das sich seit dem Jahr 2000 um 40 Prozent erhöht habe. Gerade in Großstädten machen außerdem neue Verkehrsteil­nehmer wie E-Scooter oder Lastenräder den Fahranfängern das Leben schwer. Gleichzeitig sei zum gestiegenen Verkehrsaufkommen das Verkehrsbewusstsein junger Menschen gesunken. „Die Verkehrswahrnehmung der jungen Menschen ist schlechter geworden“, sagt Bartels.

Weniger Vorwissen vorhanden

Das beobachtet auch Pyko. Früher seien die Schüler gut vorbereitet zu ihr gekommen, seien teilweise schon mal auf einem Privatgrundstück Auto gefahren und hätten sich mit der grundlegenden Technik des Autos ausgekannt. Heute wüssten die wenigsten, was eine Kupplung ist, wenn sie zu ihr in die Fahrschule kommen. Au­ßerdem seien Fahrschüler schwierige Strecken einstmals zu einem späteren Zeitpunkt noch mal mit dem Fahrrad abgefahren. Dieses Engagement würde heute kei­ner mehr zeigen. Für sie ist klar, dass das ein Problem der Generation Z ist. „Diese Generation schaut nicht mehr aus dem Fenster, wenn sie mit ihren Eltern im Auto sitzt“, sagt Pyko. „Anstatt sich Wege einzuprägen und auf den Verkehr zu achten, starrt sie während des Fahrens auf das Handy.“ Das führe zu mehr Fahrstunden – und höheren Kosten.

Und auch die Prüfungen werden härter. Seit 2021 dauert die praktische Fahrprüfung 55 statt 45 Minuten. Neben 45 Minuten reiner Fahrzeit bleiben zehn Minuten für Sicherheitskontrollen. „Man muss ein Topautofahrer sein, um die Prüfung zu bestehen“, sagt Pyko. „Von den Schülern wird wahnsinnig viel verlangt.“ Zu viel? Im Jahr 2023 lag die Durchfallquote für die praktische Prüfung in der Führerscheinklasse B bei 42 Prozent. „Fahren Sie mal fehlerfrei 45 Minuten durch Frankfurt“, sagt Bartels. Schafft man das nicht, muss man noch mal tief in die Tasche greifen. Eine praktische Prüfung kostet laut ADAC zwischen 160 und 289 Euro. Fällt man durch, muss man zu der abermaligen Gebühr noch sechs bis zehn Fahrtstunden draufrechnen.

Als letzten Grund für die gestiegenen Kosten nennt Bartels die Inflation, die auch vor den Fahrschulen keinen Halt macht. Gestiegene Energie- und Personalkosten in den Fahrschulen würden an die Fahrschüler weitergegeben. Auch Pyko hat das in ihrer Fahrschule bemerkt: „Die Spritkosten sind in die Höhe geschossen – aber auch die Kosten, um ein neues Auto zu kaufen.“ Während sie das alte Fahrschulauto für 40.000 Euro gekauft hat, musste sie für das neue 66.000 Euro ausgeben. Fahrzeug-Leasing als Alternative sei bei gestiegener Leasingrate ebenfalls teuer. Die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Fahrschulautos liege zwischen zwei und fünf Jahren. Die Fahrzeuge würden zwar regelmäßig inspiziert und gepflegt, aber der Kilometerstand steige mit den vielen Fahrschülern schnell.

Steuererleichterungen als mögliche Lösung

Wegen der gestiegenen Kosten für die Fahrschulen können sich immer weniger Fahranfängerinnen und Fahranfänger den Führerschein selbst finanzieren. Auch bei Sebastian zahlen seine Eltern den Führerschein. Vor drei bis vier Jahren lag der Anteil derjenigen, die alles aus eigener Tasche bezahlt haben, noch bei 47 Prozent. In den sechs Monaten vor der ADAC-Umfrage waren es nur noch 22 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil junger Menschen, deren Familie alle Kosten übernommen hat, im selben Zeitraum von 39 auf 56 Prozent. Und einige können sich den Führerschein aufgrund der gestiegenen Kosten überhaupt nicht mehr leisten.

Wird der Führerschein also zum Luxusprodukt? „Das wird ein Problem werden, gerade für finanzschwächere Leute“, meint Bartels. Als mögliche Lösung nennt er Steuererleichterungen. Aktuell werden auf den Führerschein der Klasse B 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Die Klasse C und D für Busse und Lastwagen ist von der Mehrwertsteuer befreit, da der Führerschein nur für berufliche Zwecke erlangt wird. Das könnte man auch auf den Führerschein der Klasse B erweitern, wenn Schüler nachweisen, dass sie den Führerschein beruflich oder schulisch brauchen. „Wenn der Führerschein zur Mobilität dazugehört und vom sozialgesellschaftlichen Gedanken wichtig ist, sollte die Politik überlegen, ob man bestimmte Gruppen nicht subventioniert“, sagt Bartels. Auch bei den Fahrschulen selbst könnte man ansetzen. Derzeit müssen diese zum regulären Tarif tanken und können lediglich die Mehrwertsteuer absetzen. Da müsse sich etwas ändern, findet Bartels und verweist auf den Agrar­diesel, der mit 40 Prozent subventioniert wird. Ein solches Modell sei auch für Fahrschulen denkbar.

Fast eine Million Führerscheine 2023

Trotz der gestiegenen Kosten sei die Zahl an Fahrschülern aber weiterhin konstant. „Wir hatten die große Befürchtung, dass mit Corona das Fahrschulwesen einbrechen würde“, sagt Bartels. Das Gegenteil sei passiert. 964.974 Führerscheine der B-Klassen wurden 2023 erstausgestellt. Davon waren 632.619 Fahrschüler zwischen 17 und 24 Jahre alt. 2013 waren es 719.537 Führerscheine für 619.828 Fahrschüler zwischen 17 und 24 Jahren.

Um die Kosten im Rahmen zu halten, empfiehlt Bartels familiengeführte Fahrschulen vor Ort. Das war auch für Sebastian ein ausschlaggebender Grund für seine Entscheidung. Seine Eltern und er hätten in der Region zwar die Preise der verschiedenen Fahrschulen verglichen, allerdings habe es keine großen Unterschiede gegeben. Unabhängig vom Preis sei für ihn wichtig gewesen, dass es auch auf menschlicher Ebene passt – immerhin verbringt man einige Stunden gemeinsam im Auto. All seine Freunde seien in seiner jetzigen Fahrschule sehr zufrieden gewesen. Und auch er bereut sei­ne Entscheidung nicht.

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