FREIAG, Community, Servus – Und Tschüss……

…….oder doch ein Argumentationsverbot verordnet (1000 Zeichen). Das schützt zwar vor einem potentiellen verfassungsfeindlichen Tsunami, unterbindet aber auch öffentlichen Verfassungs-“Patriotismus“ der Leser, also das, was derzeit nötig wäre.

Nahezu ungelesen blieb (m)ein kritischer Beitrag zur Erosion dieses Patriotismus. Davor wurde eine simple Stichwortsammlung per Kommentar zum prinzipiellen Funktionieren unserer Repräsentativen Demokratie weg zensiert(?). Davor ein Kommentar, der auf Art. 1 GG hinwies. Jeweils für sich genommen belanglos. Zusammen könnte man eine Tendenz vermuten. Es riecht nach einem, sagen wir, etwas komplizierten Verhältnis hier zu unserem Verfassungsanspruch.

Um es mit Merkel zu sagen: Dann ist das hier nicht mehr mein Platz. Ich bin nicht bereit, zu vergessen, dass Staat und Gesellschaft hier, und nicht zuletzt die USA und die Kirche, mir ein Leben ermöglichten, von dem gegenwärtige junge Menschen noch nicht einmal zu träumen wagen. Wer glaubt heute noch, vom Rand der Gosse mit einer gewissen Leichtigkeit ins Bildungsbürgertum aufsteigen zu können? Wer, am Ende seines Lebens ausgerechnet durch die „Flüchtlingskrise“ noch eine emotionale Hochphase zu erfahren? Und da soll ich nicht dankbar sein? Die Hand beißen, die mich gefüttert hat? Nein, in ein solches Umfeld gehöre ich nicht. Kritik ja. Wenn es dann aber in Richtung Fake News und Einseitigkeit abdriftet, dann ist es für mich an der Zeit, zu gehen

Als mein Vater früh an einem Kriegsleiden starb, trat „Vater“ Staat als damals noch großzügiger Sozialstaat an seine Stelle. Nicht ohne bürokratische Hindernisse und irrsinnige Aspekte, aber am Ende zu meinem Wohl. Eines der Motive, warum ich die neuen Online Communities nutzen wollte, war , etwas „zurück zu geben“. Es war auch Anlass für mich, mir überhaupt erst einen PC anzuschaffen.

……Wenn einem natürlich Vater Millionär erzählt, wie Vater Staat einem das Vermögen schmälert, um es als Bürgergeld zum Fenster hinaus zu werfen, wird einem auf seiner Privaschule zum Thema Sozialstaat nur ein verwundertes „Häh?“ einfallen…….

Was Vater Staat, Gesellschaft und Kirche mir ermöglichten, waren Abitur, Erst- und Zweitstudium (inklusive Auslandssemester), Primärtherapie (nebst Diplomarbeit), Schuldienst, und aktuell eine Pension. Und das alles einem Menschen, dessen Familie sich vor seiner Geburt auch mit Konserven der US-Army ernährte, für die mein Vater zeitweise arbeitete. Als Lehrer hatte ich später die Aufgabe, im Rahmen eines Schüleraustausches den US-Schülern etwas Landeskunde zu vermitteln. Unter anderem diskutierten wir darin auch Wolfgang Borcherts „Sag Nein“ und Bettina Wegeners „Sind so kleine Hände“. Ein Verwandter von General Lucius Clay war auch darunter. Wir trafen uns auch zufällig in der Stadt und hatten ein persönliches Gespräch. Das sind nicht die einzigen Gründe, warum der zwanghafte Anti-Amerikanismus bis in die Redaktion hinein für mich schwer erträglich war. Natürlich habe ich mich mit der Geschichte der USA kritisch auseinandergesetzt. Natürlich habe ich gegen den Vietnamkrieg demonstriert. Aber zu dieser Auseinandersetzung habe ich immer auch kritische Stimmen aus den USA selbst herangezogen. Wie könnte ich also klaglos hinnehmen, dass die USA immer wieder pauschal als verbrecherisch dargestellt werden, in Form von Whataboutism so lange aufgeblasen werden, dass das Kreml-Reich im Vergleich dazu als etwas derangierter Kindergarten erscheint, der nur einer genügend hohen Dosis deutscher Liebe bedarf? Es wird manche überraschen, aber in den USA scheinen Menschen zu leben!

Ein anderes ist aktuell der latente Antisemitismus unter der Oberfläche von Israel-Kritik. Ich habe nie verstanden, wie es so etwas noch geben kann, nachdem wir wissen, wozu das führen kann. Auch habe ich mir nie die Frage gestellt, ob ein Gegenüber „Jude“ sei. Mir reicht es, wenn ich weiß, dass ich es mit Menschen zu tun habe. Die sind nicht nur hierzulande unterschiedlich politisch eingestellt. Man will es kaum glauben, aber angeblich soll es selbst in Israel unterschiedliche Meinungen und Einstellungen geben! Das Animal Farm-Geblöke: Hamas gut, Israel schlecht, kotzt mich an. Leider bin ich offensichtlich akademisch nicht ganz auf dem Laufenden und überhaupt viel zu rechts gewirkt, denn ich meine, dass man immer noch aus nachvollziehbaren Gründen zwischen Opfern und Tätern unterscheiden kann. Wo man vor allem ein Leiden der Täter erkennen will, fühle ich mich nicht heimisch.

Das wären drei Gründe, warum ich gehe. Ein weiterer wäre, dass ich zum FREITAG ausschließlich wegen der Blog-Funktion gestoßen bin. Ich wollte nicht nur mit Nachrichten und Meinungen vollgestopft werden, sondern auch die Möglichkeit haben, selbst nicht nur zu denken, sondern meine Gedanken auch zu äußern. Schmarotzen liegt mir nicht, also habe ich die Zeitung auch abonniert. Die Redaktion hat ihre Gründe, ich habe meine. Die müssen sich nicht decken. Wenn die Redaktion beschließt, aus Angst vor dem Tod, das Ableben des FREITAG selbst einzuleiten – meine Unterstellung! – , werde ich jedenfalls bei der Beerdigung nicht mehr da sein.

Schließlich: wenn ich meine, etwas zu sagen zu haben, und niemand interessiert sich dafür , wie an meinem letzten Text über blinde Flecken in der Gewaltdebatte, dann habe ich das zu respektieren, aber ich bin dann gelegentlich so frei, an besagter Stelle nichts mehr zu sagen, und mich einer sinnvolleren Verwendung meiner Rest-Lebenszeit zuzuwenden. Das habe ich auch schon vor Jahren bei Peter Sloterdijk so gehalten, als der mich nach München lud, um mich zu fragen, ob ich Lust hätte, (m)einen Text aus einem Szene-Magazin über meine Erfahrungen während meiner Primärtherapie überarbeitet für eine angedachte Veröffentlichung in einem Sammelband zur Verfügung zu stellen. Schon, aber ohne zusätzliche Arbeit. Also nicht. Geht bei mir, da ohne Karriere-Absichten. Da war ich Ende zwanzig.

Jetzt bin ich ein Jahr älter als das Grundgesetz, und habe die Entwicklung aus Sicht der BRD mitbekommen. Andere kennen eher die Entwicklung aus Sicht der DDR. Mich stört, wenn man das durcheinander bringt oder die Sicht der DDR auf die Dinge in der BRD (neu) einfach weiter pflegt, also die „Unfähigkeit zu trauern“ für sich mental neu auflegt.

Eigentlich wollte ich mehr schreiben. Und weniger hastig. Aber gestern war Familie. Um also die Blog-Schließung nicht zu verpassen: Gehabt euch wohl im neuen 1000-Zeichen-Wunderland. Winke, winke!

p.s. F.K. Waechter veröffentlichte mal einen Karikaturen-Band unter dem Titel „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein“. Die dazu gehörendKarikatur kann ich nicht wiedergeben.

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