Genau 50 Tage nach dem Sieg der Linksallianz bei der Parlamentswahl hat Emmanuel Macron die Katze aus dem Sack gelassen. Das Programm dieser Neuen Volksfront (NFP) – das Annullieren der verhassten Rentenreform, ein auf 1.600 Euro erhöhter Mindestlohn, höhere Steuern für Superreiche, der Wiederaufbau des Sozialstaats – ist für den Präsidenten inakzeptabel.
Der „institutionellen Stabilität“ zuliebe darf die Linke nicht regieren. Wieder einmal zeigt sich: Das neoliberale Dogma wiegt im Zweifel schwerer als der Volkswille. In unverhohlener Kumpanei mit Konservativen und Ultrarechten will das macronistische Zentrum trotz mehrfacher Abstrafung an der Wahlurne keine Macht preisgeben. Selbst die gebetsmühlenartig vorgetragene Bedingung – eine Regierung dürfe nur ohne Ressorts für die Partei La France insoumise (LFI) gebildet werden – erweist sich als Bluff.
Ein stürmischer Herbst für Frankreich
Umso mehr hat die Volksfront alles richtig gemacht. Ihre Sprecher traten demonstrativ geschlossen auf. Lucie Castets, Kandidatin für das Amt der Premierministerin, focht klar in der Sache und elegant im Auftreten für eine dezidiert sozialdemokratische Wende. Nur durch einen Regierungskurs im Interesse der Mehrheit sei Politikverdrossenheit beizukommen, die allein Rechtsextremen helfe. Dass sich Macron in seinem Beharren auf Austerität auch noch mit der EU-Kommission im Einklang weiß, macht alles nur schlimmer. Doch je brüsker er die Volksfront auszugrenzen sucht, desto mehr hat er die heterogene Allianz aus La France insoumise, Sozialisten, Grünen und Kommunisten zusammengehalten.
Nur einige rechte Sozialdemokraten des Parti socialiste (PS), nicht mehr als eine Minderheit, wären zum Eintritt in eine von Macron erträumte Regierung bereit, die bis zu den Gaullisten reicht und der Maxime „Weiter so“ genügt. Was daraus folgt, dass ein Präsident als höchste Instanz der Republik Wahlen anberaumt, deren Konsequenzen er nur zu respektieren gedenkt, sofern sie sein politisches Kalkül bedienen, wird sich zeigen. Die Sozialisten wollen parlamentarische Möglichkeiten ausschöpfen, Grüne, Kommunisten und Linke rufen zu Straßenprotest auf, LFI will gar ein Verfahren zur Amtsenthebung gegen Macron anstrengen. Frankreich könnte einem heißen Herbst entgegendriften.