Frankreich/Israel: | Nahostkonflikt: Macrons Kritik an Netanjahus „Krieg dieser Zivilisationen gegen die Barbarei“

Frankreich hat Israel als Aussteller von der Pariser Marinemesse „Euronaval“ verbannt. Grund ist Israels Kriegsführung in Gaza und im Libanon – besonders der Beschuss von UNIFIL-Einheiten hat in Paris für viel Empörung gesorgt


Vor drei Wochen erst richtete Frankreich eine internationale Libanon-Konferenz aus. Auf dem Bild: Emmanuel Macron mit Libanons Premierminister Najib Mikati (l.)

Foto: Imago/MAXPPP


Einmal mehr hat Emmanuel Macron Zweifel angemeldet, ob sich Zivilisation dadurch verteidigen lässt, indem man selbst für Barbarei sorgt. Der Präsident reagierte damit auf ein Interview von Benjamin Netanjahu mit Radio Europe 1, bei dem der israelische Premierminister erklärt hatte, man führe in Gaza und im Libanon einen „Krieg der Zivilisationen gegen die Barbarei. Wir stehen an der Spitze dieses Krieges, und Frankreich muss Israel unterstützen.“ Tut es aber nicht, und wenn, dann nur unter Vorbehalt.

Von Spanien und Irland abgesehen, steht innerhalb der EU kein Mitgliedsland den israelischen Feldzügen in Gaza und im Libanon derart skeptisch gegenüber. Die Beziehungen sind am Siedepunkt, seit Macron angeordnet hat, dass israelischen Unternehmen der Zutritt zur Marinemesse „Euronaval“ in Paris verwehrt ist, die gerade stattfindet. Auf der Ausstellung für das Equipment von Seestreitkräften sind im Parc des Expositions im Pariser Norden ausdrücklich keine israelischen Stände erlaubt. Macron hatte bereits Anfang Oktober ein allgemeines Embargo verlangt, „um die Lieferung von Waffen für die Kämpfe in Gaza einzustellen“. Das richtete sich weitgehend an die USA und löste bei Netanjahu eine wütende Reaktion aus: „Schande über sie“, sagte er und bezog sich auf Macron. Wenige Tage danach drängte Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez auf vergleichbare Sanktionen.

Besonders die israelischen Angriffe auf UNIFIL-Stellungen im Libanon wurden in Paris scharf kritisiert. Gewiss haben die „historischen Verbindungen“ zur Zedern-Republik darauf Einfluss, ebenso die libanesische Diaspora in Paris und Marseille. Wie für Syrien war Frankreich für den Libanon seit 1923 Mandatsmacht des Völkerbundes, blieb es bis zur Proklamation der libanesischen Unabhängigkeit 1943 und zog sein Militär drei Jahre später endgültig ab. Wenn danach der libanesische Staat in Bedrängnis geriet, sei es während des Bürgerkrieges (1975 – 1990) oder durch den israelischen Einmarsch 1982, betonte Frankreich seine Verantwortung und führte zwischen 2004 und 2007 die UNIFIL-Mission im Südlibanon.

Tandem Macron-Biden

Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass Macron in Paris eine internationale Libanon-Konferenz ausgerichtet hat, bei der 200 Millionen Dollar für die dortigen Streitkräfte und 800 Millionen Dollar an humanitärer Hilfe gesammelt wurden. Auch wenn diese Mittel vorerst nicht komplett zur Verfügung stehen, übersteigen sie doch das ursprünglich von den Vereinten Nationen veranschlagte Minimum von 400 Millionen. Am 25. September hatten Macron und Joe Biden gemeinsam an die Konfliktparteien appelliert, sich auf eine 21-tägige Kampfpause zu einigen. Als dies wirkungslos verpuffte, gaben die USA Israel unter Auflagen grünes Licht für die fortgesetzte Bombardierung der Hisbollah, damit die früher oder später einen bedingungslosen Waffenstillstand hinnehmen muss. Das diplomatische Tandem Paris-Washington hatte sich spätestens in dem Augenblick erledigt, als US-Außenminister Antony Blinken auf eine Teilnahme an der Pariser Libanon-Konferenz verzichtete und sich stattdessen mit der Regierung Katars traf, die als Vermittler einer Gaza-Feuerpause gefragt ist. Mag sein, dass die aus US-Sicht eher möglich scheint als eine Waffenruhe im Libanon.

Frankreich stützt sich mit seinen Bemühungen auf Versicherungen der Hisbollah, aus denen hervorgeht, dass sie bereit ist, ihren Krieg zu beenden. Wollten die USA mehr Druck auf Israel ausüben, dann wäre ein Waffenstillstand besiegelt, ist der neue französische Außenminister Jean-Noël Barrot überzeugt. Vieles spricht dafür, dass dazu die 2006 verabschiedete UN-Resolution 1701 vollständig umgesetzt oder ein „1701+“-Mandat notwendig wird, das die UNIFIL-Verbände legitimiert, die Hisbollah in Regionen südlich des Litani-Flusses mindestens 40 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt zurückzudrängen. Der US-Libanon-Gesandte Amos Hochstein hält ein robusteres UN-Mandat für unumgänglich. Italien, das UNIFIL maßgeblich finanziert, hält den „friedenserhaltenden Puffer“ und mehr UN-Personal ebenfalls für geboten, desgleichen andere Einsatzregeln zwischen der israelischen Grenze und dem Litani-Fluss. Frankreich dürfte dem nur zustimmen, wenn Israel auf seine Forderung verzichtet, einen Zugang zum libanesischen Luftraum aufrechtzuerhalten, was keine Regierung in Beirut akzeptieren wird.

Patrick Wintour ist beim Guardian Redakteur für Diplomatie

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