Frankreich drohen unter Macron Jahre des Stillstands

Das Erstarken des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) bei den Europawahlen und die überraschende Ansetzung von Parlamentsneuwahlen hat in der französischen Wirtschaft für Verunsicherung gesorgt. Die Pariser Börse startete mit Verlusten in die Handelswoche, sowohl der Aktienleitindex CAC 40 als auch der CAC Next 20 der mittelgroßen Werte notierten am Montagmorgen rund 2 Prozent im Minus.

Zu den größten Verlierern zählten die Aktien der Société Générale, BNP Paribas und Crédit Agricole. Sie litten als Großbanken mit starkem Auslandsgeschäft besonders stark, wenn Vorhaben wie eine Vertiefung der europäischen Kapitalmärkte wegen einer nationalistischeren Politik ausblieben.

Verunsicherung machte sich auch auf den Anleihemärkten breit. Die Zinsen für französische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit erreichten am Montag mit mehr als 3,2 Prozent das höchste Niveau seit Mitte November. Dass die Zinsen auf die als besonders sicher geltenden deutschen Staatsanleihen schwächer zulegten, gilt als Hinweis darauf, dass die Märkte das Kreditausfallrisiko des deutlich höher verschuldeten französischen Staates nun etwas höher einstufen.

Der Abstand vergrößerte sich um rund 0,48 auf 0,55 Prozentpunkte. Nach der Ratingherabstufung Frankreichs durch S&P Global vor einer knappen Woche war er noch praktisch unverändert geblieben. Auch der schwächere Eurokurs am Montag im Verhältnis zum Dollar, Schweizer Franken, Pfund und Yen wird mit dem politischen Erdbeben in Paris in Verbindung gebracht, da sich ausländische Investoren dadurch von der Gemeinschaftswährung abwenden könnten.

Alle laufenden Gesetzesvorhaben sind beendet

Die Sorgen gründen dabei nicht nur im ungewissen Ausgang der Parlamentswahlen mit der „Cohabitation“ als eines der möglichen und konfliktträchtigen Szenarien, in dem der RN als stärkste politische Kraft den Premierminister stellt und Frankreichs Regierungschef und Staatspräsident damit unterschiedlichen Lagern angehören.

Eine solche Zusammenarbeit ist bislang kaum denkbar, auch wenn sich Präsident Emmanuel Macron und die sich immer moderater gebenden Rechtspopulisten um Marine Le Pen auf einigen wirtschaftspolitischen Feldern nicht völlig konträr gegenüberstehen – sei es die Handelspolitik oder in Teilen auch die Energiepolitik, wo beide Seiten vehement für den Ausbau der Kernkraft eintreten und den Ausbau der Windkraft an Land mindestens skeptisch sehen. Vielmehr ist das politische Geschäft mit der Auflösung der Nationalversammlung schon jetzt schlagartig gelähmt.

Alle laufenden Gesetzesvorhaben sind beendet und können erst im Juli wieder von Neuem begonnen werden. Das betrifft ebenso die viel diskutierte Legalisierung der aktiven Sterbehilfe wie den erleichterten Wohnungsbau oder das Gesetzesvorhaben, mit dem nach den Protesten zu Jahresbeginn die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft verbessert werden sollen.

Weder finden im Parlament nun Beratungen statt, noch gibt es Ausschusssitzungen. Damit verzögern sich auch die wegen der anhaltend hohen Neuverschuldung politisch besonders schwierigen Haushaltskonsultationen, obwohl Stand jetzt noch im laufenden Haushalt rund 10 Milliarden Euro und im kommenden Haushalt 20 Milliarden Euro an Ausgabenkürzungen erforderlich sind, um die Budgetziele einzuhalten.

In einer potentiellen Sackgasse

Hatten Wahlen in der Vergangenheit in Frankreich nur geringe Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung, halten Ökonomen negative Effekte diesmal für nicht unwahrscheinlich – gerade vor dem Hintergrund der desolaten Lage der Staatsfinanzen. Zumal neben den Haushalts- auch die Konjunkturkennziffern zuletzt schlecht ausgefallen waren, sagt Bruno Cavalier, der Chefökonom der Privatbank Oddo BHF. Spielraum für neue Ausgaben hat die neue Regierung praktisch ebenso wenig, wie die alte sie hatte.

„Die Lähmung der Gesetzgebung, die Frankreich im Falle einer ,Cohabitation‘ drohen könnte, wäre eine weitere Bedrohung für das Rating seiner Staatsverschuldung“, meint denn auch Mabrouk Chetouane von der Vermögensverwaltung Natixis Investment Managers. Auch könnten ausländische Investoren gegenüber Frankreich eine abwartende Haltung einnehmen, Investitionsabsichten verschieben und könnte die Attraktivität Frankreichs nach Verbesserungen in den vergangenen Jahren beeinträchtigt werden.

„Diese Wahlen haben das Risiko der Unregierbarkeit deutlich gemacht“, meint Chetouane. Frankreich, zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, könnte sich in einer potentiellen Sackgasse wiederfinden.

Macron sei nun „endgültig zur lame duck geworden“, sagt Armin Steinbach. Der Professor für Recht und Wirtschaft an der Pariser Universität HEC hält es für „höchst unwahrscheinlich“, dass er gestärkt aus den Parlamentswahlen hervorgeht.

Macron, dessen Mandat noch bis zum Frühjahr 2027 läuft, werde „die letzten Tage seiner Präsidentschaft dahinsiechen“, erwartet Steinbach und fürchtet ebenfalls wirtschaftspolitisch fatale Folgen. S&P Global habe Frankreich im Rating schließlich auch mit Verweis auf die politische Unsicherheit herabgestuft. Diese werde sich weiter verstärken. „Frankreichs fiskalpolitische Position ist schwach, der Reformelan ist dahin. Ich gehe davon aus, dass die Nervosität der Märkte zunehmen wird“, so Steinbach.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: die Aussicht darauf, dass sich mit den Zinssenkungen die Wirtschaftslage in Frankreich in den kommenden Monaten etwas stärker aufklart als bislang erwartet. Das deuteten die Ökonomen der BNP Paribas vergangene Woche an, die bislang ein Wachstum von 0,9 Prozent in diesem Jahr und 1,4 Prozent im kommenden Jahr erwartet hatten. Es würde der künftigen Regierung zumindest etwas mehr Gestaltungsspielraum verschaffen.

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