Fiskalische Diszplin trotz 500 Milliarden

Fiskalische Diszplin trotz 500 Milliarden

Glücklich wirkt der altgediente CDU-Mann nicht, als er am Freitagmittag aus dem Aufzug auf die Fraktionsebene im Reichstag tritt. Noch kennt auch er nur einige Bruchstücke der Einigung von Union, SPD und Grünen, die CDU-Chef Friedrich Merz gleich in der Fraktionssitzung vorstellen wird. Aber schon zu diesem Zeitpunkt ist klar: Es wird teuer.

Nicht nur bleibt es dabei, dass Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent der Wirtschaftsleistung künftig mit Schulden finanziert werden sollen. Zudem sollen 100 Milliarden Euro des geplanten neuen 500 Milliarden Euro Schuldentopfes für die Infrastruktur in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen.

Kurzum: Alle bekommen, was sie schon immer wollten. Der CDU-Mann zuckt mit den Schultern. Es sei wie mit einer verkehrt geknöpften Strickjacke: Wenn man einmal falsch angefangen habe, sei es schwer, das noch einmal geradezuziehen.

„Fiskalische Disziplin wird weiter wichtig bleiben“

An den Grundfesten der ursprünglichen Einigung hat die kurzfristig geschlossene „Kenia-Koalition“ aus CDU/CSU, SPD und Grüne jedenfalls nur leicht gerüttelt: Aus dem 500-Milliarden- Euro-Topf gehen weiterhin 100 Milliarden an Länder und Kommunen. Außerdem sollen die Länder künftig jedes Jahr rund 16 Milliarden Euro an eigenen Schulden aufnehmen dürfen. Das Sondervermögen soll nun allerdings nicht auf zehn, sondern auf zwölf Jahre gestreckt werden. „Das klingt nach einer gewaltigen Summe“, räumte Merz ein.

Tatsächlich handelt es sich allerdings nur um etwa 40 Milliarden Euro im Jahr – zusätzlich zu etwa 50 Milliarden Euro, die der Bund künftig weiter aus dem regulären Haushalt finanzieren muss. Das sei jedoch bei weitem nicht das, was die marode Infrastruktur benötige, stellte Merz klar. Deshalb sei es wichtig, auch privates Kapital zu mobilisieren. Und: „Fiskalische Disziplin wird weiter wichtig bleiben“, ergänzte Merz. „Wir werden weiter konsolidieren müssen.“

Dass das Geld zusätzlich zu den Infrastrukturausgaben im regulären Haushalt zur Verfügung steht, war den Grünen besonders wichtig. Dies wird nun durch die Klarstellung erreicht, dass zehn Prozent des Bundeshaushaltes in Infrastrukturprojekte und den Klimaschutz fließen müssen. Das entspricht derzeit einer Summe von rund 50 Milliarden Euro. Nur Beträge, die darüber hinausgehen, dürfen aus dem Sondervermögen beglichen werden.

Auch nach der Intervention der Grünen sei die Gefahr eines Verschiebebahnhofs aber nur teilweise gebannt, urteilt Moritz Schularick, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) gegenüber der F.A.Z. In ihrem Sondierungspapier haben Union und SPD schon weitere Ausgaben geplant, darunter den Ausbau der Mütterrente, die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Steuersenkungen auf Restaurantbesuche vereinbart. Auch daran halten die Parteien in ihren Koalitionsverhandlungen noch fest. Die Einigung sorgt dafür, dass dafür tatsächlich Platz wird: Derzeit sind im Kernhaushalt noch etwa 30 Milliarden Euro mehr für Investitionen vorgesehen.

Neuer Spielraum im Haushalt ergibt sich zudem daraus, dass bei den Verteidigungsausgaben im Bundeshaushalt von den bisher eingeplanten 53 Milliarden Euro künftig nur noch ein Betrag von etwa 45 Milliarden Euro (konkret: ein Prozent der Wirtschaftsleistung) unter die Schuldenbremse fällt. Auch der Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Nachrichtendienste und Informationstechnik sowie Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten wie die Ukraine sind künftig von der Schuldenbremse befreit. Nun müsse sinnvoll eingegrenzt werden, was unter Investitionen falle, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest der F.A.Z.. Die Gefahr einer Zweckentfremdung der Kreditmittel sei nicht gebannt, aber reduziert. „Jetzt kommt es darauf an, dies durch Strukturreformen und Ausgabenumschichtungen zu ergänzen.“

Auch der Klimaschutz kostet viel Geld

Schon jetzt ist klar, dass das zusätzliche Geld an vielen Stellen gebraucht wird: Bei den Autobahnen und Bundesstraßen klafft in den nächsten zehn Jahren eine Finanzierungslücke von 66,5 Milliarden Euro, das zeigen interne Unterlagen des Bundesverkehrsministeriums. Die Deutsche Bahn hat ihren Finanzbedarf für das Schienennetz in den nächsten zehn Jahren auf 150 Milliarden Euro beziffert, zusätzlich zu den 17 Milliarden Euro die der Bund über die Tochtergesellschaft DB InfraGo jedes Jahr in das 33.000 Kilometerlange Schienennetz steckt. Allerdings haben neben dem Mangel an Geld auch strukturelle Defizite in der Verwaltung und überzogene bürokratische Standards dafür gesorgt, dass sich Bauvorhaben in Deutschland verzögern.

Auch der Klimaschutz kostet viel Geld. Der KTF, der nun ebenfalls bedacht werden soll, ist neben dem Bundeswehrsondervermögen derzeit der wichtigste Schuldentopf der Regierung. Er speist sich vor allem aus den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung. Als die Ampelkoalition im vergangenen Sommer den Wirtschaftsplan mit geplanten Ausgaben von knapp 35 Milliarden Euro vorstellte, klaffte in dem Fonds eine Finanzlücke von 9 Milliarden Euro. Der Bundesrechnungshof warnte im November, die Rücklage sei bald erschöpft.

Die Ampelkoalition hatte sich etwas Puffer verschafft, indem sie die Förderung der Erneuerbaren Energien aus dem KTF in den Bundeshaushalt verschob. Wie es am Freitag hieß, soll das auch jetzt mit dem aufgestockten Klimafonds so bleiben. Wofür die zusätzlichen Milliarden dann ausgegeben werden sollen, blieb zunächst offen. Zuletzt flossen nur etwas mehr als die Hälfte der im KTF bereitgestellten Mittel auch tatsächlich ab. Der mit Abstand größte Einzelposten ist die energetische Gebäudeförderung, für die 2024 knapp 17 Milliarden Euro bereitstanden. Ebenfalls aus dem KTF bezuschusst wird etwa der Bau von Chipfabriken. Etliche dieser Projekte stocken aber.

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